Soll
die heilpädagogische Früherziehung im Kindergartenalter gestrichen werden? Am
Montag berät der Zürcher Kantonsrat den entsprechenden Passus im neuen Kinder- und
Jugendheimgesetz. Mit Aufklärungsarbeit halten Fachverbände dagegen.
Kampf gegen Abstriche bei der Frühförderung, NZZ, 29.10. von Dorothee Vögeli
Damit auch Kinder mit Behinderungen
und Entwicklungsproblemen in der Schule schnell Tritt fassen, stehen ihnen und
ihren Eltern im Kanton Zürich bis zum Abschluss des Kindergartens Fachleute zur
Seite. Nun will der Regierungsrat die Maximaldauer der heilpädagogischen
Früherziehung (HFE) um zwei Jahre verkürzen. Kinder mit besonderem
Bildungsbedarf sollen spätestens im September nach dem Eintritt in den
Kindergarten im Rahmen der schulischen Sonderpädagogik und sozialpädagogischen
Familienhilfe gefördert werden. Dies beantragt er im Entwurf des neuen Kinder-
und Jugendheimgesetzes.
Häuslicher
Kontext zentral
Des Weiteren will sich
der Regierungsrat vorbehalten, den Anspruch auf Früherziehung bei angespannter
kantonaler Finanzlage weiter einzuschränken. Im Vorfeld der Kantonsratsdebatte
vom Montag haben nun Verbände und Fachleute aus dem Frühförderungsbereich ihre
grossen Bedenken publik gemacht und versucht, Parlamentarier aller Fraktionen
vom langfristigen Nutzen der heilpädagogischen Früherziehung zu überzeugen.
Diese setzt je nachdem bereits bei der Geburt an und geschieht stets im
häuslichen Kontext. Konkret heisst dies, dass die Fachleute die Familien
besuchen, mit den Kindern spielen, die Eltern in ihrer erschwerten
Erziehungssituation beraten und sie auf Hilfsmittel und
Entlastungsmöglichkeiten aufmerksam machen.
Hingegen gehören
Hausbesuche und die regelmässige Unterstützung der Eltern nicht zu den
sonderpädagogischen Massnahmen, die der Kanton Zürich im schulischen Kontext
anbietet. Diese seien deshalb nicht deckungsgleich mit der heilpädagogischen
Früherziehung, hält Romain Lanners, Direktor des Schweizer Zentrums für Sonder-
und Heilpädagogik, fest. Aus Lanners' Sicht kann die heilpädagogische
Früherziehung je nach individueller Situation des Kindes bis zum Ende des
Kindergartens eine sinnvolle Ergänzung zu den sonderpädagogischen Massnahmen im
schulischen Kontext sein. Zu diesen gehören Stützunterricht, Logopädie oder
Psychomotorik. Auch die sozialpädagogische Familienhilfe ist laut Lanners kein
adäquater Ersatz, da sie sozialarbeiterische Schwerpunkte setze.
Ausnahmeregelung juristisch unumgänglich
SP-Kantonsrätin Monika
Wicki, die mit einem Minderheitsantrag heilpädagogische Früherziehung im
Ausnahmefall bis zum Abschluss des Kindergartens ermöglichen will, hat auch
Ottilie Mattmann, die Rechtskonsulentin im Generalkonsulat der Konferenz der
kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), um eine Stellungnahme ersucht. Aus
juristischer Sicht stellt diese nun klar, dass ein einzelner Kanton die
Angebotspflicht bei der heilpädagogischen Früherziehung bis zwei Jahre nach
Schuleintritt nicht negieren darf.
Das Sonderpädagogik-Konkordat
verhindere aber nicht, dass ein Vereinbarungskanton die Leistungen im
Einzelfall sorgsamer abwäge und sorgfältiger einsetze - selbst aus finanziellen
Gründen, schreibt Mattmann. Dass er dabei die Ziele der heilpädagogischen
Früherziehung nicht aus den Augen verlieren dürfe, sei selbstverständlich. Ob
sich diese mit anderen Massnahmen wie sonderpädagogischer Familienhilfe
erreichen liessen, könne sich nur im konkreten Einzelfall zeigen. «Generell
ausschliessen lässt sich diese Lösung via Sonderpädagogik nicht.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen