In
Luzern lernen die Primarschüler weiterhin Französisch und Englisch. Die Gegner
des Frühfranzösisch scheiterten damit in einem weiteren Kanton mit einer
Volksinitiative.
Es ist eine ganze
Kaskade von Abstimmungen, die in der Schweiz in den letzten Jahren für heftige
Emotionen gesorgt haben. Am Sonntag hatten die Stimmberechtigten des Kantons
Luzern zu entscheiden, ob in Zukunft nur noch eine Fremdsprache auf der
Primarstufe gelehrt werden sollte. Ihr Verdikt fiel gleich aus wie bei allen
bisherigen Plebisziten: Die Volksinitiative «Eine Fremdsprache auf der
Primarstufe» wurde mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 57,6 Prozent abgelehnt.
Die Stimmbeteiligung lag bei 50,3 Prozent.
Luzern wird nicht zur Sprachinsel, NZZ, 25.9. von Erich Aschwanden
Ja in ländlichen
Gebieten
Somit wird in Luzern
weiterhin Englisch ab der 3. Klasse unterrichtet und in der 5. Klasse mit
Französisch begonnen, wie in der übrigen Zentralschweiz. Luzern wird nicht zur
Sprachinsel. Doch das Volksverdikt im grössten Innerschweizer Kanton fiel
weniger deutlich aus als im Mai in Zürich, wo
die Ablehnung einer Initiative mit ähnlicher Stossrichtung bei über
60 Prozent lag. Auch
im Kanton Nidwalden lag die Zustimmung für zwei Fremdsprachen auf der
Primarstufe vor zweieinhalb Jahren höher. Der vergleichsweise
hohe Ja-Anteil könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich neben dem
Lehrerverband auch der kantonale Gewerbeverband für die Volksinitiative
ausgesprochen hatte.
Eine Analyse der
Resultate zeigt, dass das Volksbegehren in ländlichen Gebieten durchaus Anklang
fand, während es in städtischen Regionen keine Chance hatte. In den Gemeinden
des Entlebuchs konnten die Initianten eine Ja-Mehrheit einfahren, und auch im
Hinterland war die Zustimmung vergleichsweise gross. Eine klare Abfuhr
erteilten die Stimmberechtigten der Vorlage hingegen in der Stadt Luzern mit
einem Nein-Stimmen-Anteil von 66,3 Prozent.
Austausch
wird erleichtert
Befriedigung herrschte
nach dem teilweise emotional geführten Urnengang beim Luzerner Regierungsrat.
«Die Luzerner Schülerinnen und Schüler sollen weiterhin schon in frühen Jahren
mehrsprachige Erfahrungen machen können und dieselben Chancen haben wie
Lernende in anderen Kantonen», erklärte Bildungsdirektor Reto Wyss (cvp.). Das
erleichtere massgeblich den Austausch auf den einzelnen Stufen, zum Vorteil der
Kinder.
Das klare
Abstimmungsergebnis ist laut Wyss auch angesichts der chronisch angespannten
Finanzsituation Luzerns günstig: Eine Abkehr vom heutigen Konzept hätte eine
umfassende Reform nach sich gezogen, die sich in der Überarbeitung von
Lehrmitteln und Wochenstundentafeln bis hin zur Lehrerausbildung
niedergeschlagen hätte.
Enttäuscht
über Regierung
Beim Initiativkomitee
zeigte man sich enttäuscht über die Rolle, die der Luzerner Regierungsrat im
Abstimmungskampf gespielt hatte. «Die Regierung hat sich sehr manipulativ
verhalten, indem sie damit drohte, den Englischunterricht auf die Oberstufe zu
verschieben», ärgert sich SVP-Kantonsrätin Barbara Lang in einer ersten
Reaktion. Angesichts der massiven Propaganda sei das Resultat nicht schlecht
ausgefallen.
Die Initianten hatten es
bewusst offengelassen, welche der beiden Fremdsprachen in Zukunft auf die
Sekundarstufe verschoben werden sollte. Doch es war klar, dass sich das
Begehren gegen das Frühfranzösisch richtete. «Dem Initiativkomitee ging es um
das Wohl der Kinder, der Lehrer und der Eltern. Für die Gegenseite stand die
Machtfrage im Zentrum», sagt Lang. Gegen das Schlagwort des nationalen
Zusammenhalts, das von der Gegenseite immer wieder bemüht worden sei, komme man
nicht an.
Nach dem Urnengang im
Kanton Luzern steht ein ähnlicher Entscheid noch die Graubünden an. Dies,
nachdem das Bundesgericht im Mai die Bündner Volksinitiative «Nur eine
Fremdsprache in der Primarschule» für gültig erklärt hatte. In
diesem Kanton ist die Frage noch heikler als anderswo, geht es doch in
Graubünden nicht nur um Englisch oder Französisch. Im Kanton Zug hat das
Parlament vor kurzem eine Motion von SVP und FDP überwiesen, die von der
Exekutive eine Vorlage für die Abschaffung des Frühfranzösisch verlangt. So
schnell wird also in der Sprachenfrage keine Ruhe einkehren.
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