Traditionellerweise gibt
es in der Schweizer Politik wohl keine Kuh, die so heilig ist wie die Bildung –
vergleichbar sind fast nur Armee, Landwirtschaft und Verkehr. Es gehört darum
auch ganz selbstverständlich zum Mantra von Bildungslobby und Bildungsindustrie
(zu der auch ich gehöre), sich für Bildungsoffensiven sowie für Gratisbildung
auszusprechen. Sich nicht politisch korrekt zu äussern, ist heikel. Ich mache
es trotzdem.
Die allerheiligste Kuh in der Schweiz ist die Bildung, NZZaS, 17.9. von Peter V. Kunz
Wenn es um die Finanzierung des schweizerischen Bildungssystems
geht, wird jeweils entspannt zum Staat geschaut, der als Hauptfinancier
auftritt. Deshalb sind die Volksschulen unentgeltlich, ähnlich verhält es sich
mit den meisten Mittelschulen, und bei den Hochschulen entsprechen die
Studiengebühren pro Tag etwa dem Preis eines halben Päckchens Zigaretten. Diese
Tatsachen werden zu wenig geschätzt von Schülern, Studierenden, Eltern, Lehrern
und Professoren. In der Schweiz leben wir in einem Bildungsparadies!
Dies wird nicht ewig so weitergehen. Dass weder staatliche
Ressourcen noch der Goodwill der Bevölkerung unbeschränkt sind, auch im
Bildungsbereich, sollte lieber früher als später erkannt werden. Es geht heute
nicht mehr nur darum, dass die Bildungskosten weniger wachsen, sondern dass sie
sogar gesenkt werden könnten. Der Bundesrat plant – unter dem Aufschrei von
Medien und Bildungspolitikern – eine eigentliche Kürzung bei den
Bildungsausgaben, was nicht allein die ETH, sondern ebenso kantonale
Hochschulen treffen wird.
Aber würde ein solcher Paradigmenwechsel wirklich das Ende der Schweiz
und ihres angeblich einzigen Rohstoffes bedeuten? Verlieren wir unseren
zentralen Standortvorteil, wenn der Staat seine Ausgaben im Bildungsbereich
ebenfalls kritisch hinterfragt? Ich persönlich denke: Nein. Allfällige
Kürzungen von Staatsausgaben führen nicht zwangsläufig zu einer
Bildungsdefensive. Sozusagen als Gegenmassnahmen sollten wir zwei liberale
Grundprinzipien zur Finanzierung im Bildungsbereich vermehrt zur Anwendung
bringen: das Verursacherprinzip sowie das Wettbewerbsprinzip.
Das Verursacherprinzip: Die Leistungsempfänger des
Bildungsangebots müssen verstärkt zur Leistungsfinanzierung herangezogen
werden, damit die Eigenverantwortlichkeit auch in diesem Bereich stärker betont
wird. Es bedarf dazu keiner amerikanischen Verhältnisse. Aber nur schon
angemessene Erhöhungen von Schul- und Studiengebühren in der Schweiz, die
heute noch weit unter dem internationalen Durchschnitt liegen, dürften die
meisten Finanzierungsprobleme lösen.
Dadurch werden weder die soziale Gerechtigkeit noch der Zugang zur
Bildung für alle infrage gestellt. Von der Unentgeltlichkeit oder
Fast-Unentgeltlichkeit unserer Bildung profitiert heute jedermann, unbesehen
davon, ob er finanziell bedürftig ist oder nicht. Dies erscheint widersinnig.
Ein ausgebautes Stipendienwesen kann hingegen soziale Ungerechtigkeiten
verhindern.
Das Wettbewerbsprinzip: Bildungsinstitutionen – gerade
Universitäten – müssen sich vermehrt um nichtstaatliche Finanzierungen,
sogenannte Drittmittel, bemühen, und zwar im Wettbewerb mit- und gegeneinander.
Dass dabei Privatpersonen sowie Unternehmen als Ansprechpartner im Vordergrund
stehen, darf – ausser aus ideologischen Gründen – nicht stören.
Sponsoring ist nicht per se schlecht oder abzulehnen. Es gibt
ausreichend Möglichkeiten, unangemessene Einflüsse auf die Universitäten
abzuwehren und die Käuflichkeit von Lehrstühlen zu verhindern. Respekt sowie
Anerkennung der privaten Sponsoren sollten jedoch ebenso selbstverständlich
sein wie eine umfassende Transparenz, die Verhinderung von privaten Mitsprachen
bei Professorenberufungen oder die Einflussnahme auf Forschungsfelder und
Forschungsergebnisse.
Dass der Leistungsabbau im Bildungsbereich angesichts der starken
Lobby politisch tatsächlich durchgesetzt wird, glaube ich nicht. Ein
Leistungsausbau – sozusagen für alles und jedes – erscheint mir wenig sinnvoll.
Mit dem Status quo können wir in der Schweiz ganz gut leben. Immerhin: Nicht
alle Investitionen in die Bildung, gerade jene in Glas und Stahl (Stichwort:
Bildungstempel), erscheinen wirklich bildungsbedingt. Dort gäbe es sicherlich
Sparpotenzial. Investieren wir mehr in Menschen als in Gebäude!
Solche liberalen Ansichten sind heutzutage vielleicht noch nicht
mehrheitsfähig. Und ich rechne durchaus mit Anfeindungen aus meinem beruflichen
Umfeld. Selbst in der Rechtsfakultät der Universität Bern dürfte ich eher eine
Minderheitsmeinung vertreten. Ich möchte zwar die heilige Kuh Bildung nicht
schlachten und sie nur teilweise auf Diät setzen. Aber es bedarf doch nicht
immer nur staatlicher Futtermittel! Dasgilt übrigens auch für die meisten
anderen heiligen Kühe.
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