Eine Kindergärtnerin erhält monatlich
über 1000 Franken weniger Lohn als eine Primarlehrerin. Diese Praxis wird nun
vom Bundesgericht gestützt.
Gleiche Ausbildung, weniger Lohn, Tages Anzeiger, 19.9. von Corsin Zander
Zürcher Kindergärtnerinnen fühlen sich diskriminiert. Obwohl zu 100
Prozent angestellt, erhielten sie bis anhin bloss 87 Prozent des Lohns. Zudem
sind sie der Lohnklasse 18 zugeteilt – eine Stufe tiefer als Primarlehrerinnen,
welche die gleiche Ausbildung absolviert haben. Damit verdient eine 25-jährige
Kindergärtnerin über 1000 Franken weniger als eine Primarlehrerin, die mit ihr
studiert hat. Das Bundesgericht sieht darin keine Lohndiskriminierung. In einem
umstrittenen Entscheid mit 3 zu 2 Stimmen hat es gestern eine entsprechende
Beschwerde abgewiesen.
Der Verband Kindergarten Zürich (VKZ), der Schweizerische Verband des
Personals öffentlicher Dienste (VPOD), der Zürcher Lehrerinnen- und
Lehrerverband sowie drei Kindergärtnerinnen hatten das Bundesgericht angerufen,
nachdem der Zürcher Regierungsrat und das Verwaltungsgericht ihre Beschwerden
ebenfalls schon abgewiesen hatten.
Kämpferische Verbände
Die Bundesrichter sehen es als gerechtfertigt an, dass die
Kindergärtnerinnen bloss einen Lohn erhalten, der einem Pensum von 87 Prozent
entspricht. Im Kindergarten sind bloss 24 statt wie in der Primarschule 28
Wochenlektionen vorgesehen. Die Einteilung in die Lohnklasse 18 sieht das
Bundesgericht ebenfalls nicht als eine geschlechtsbedingte Diskriminierung, wie
es die Beschwerdeführer moniert hatten. Sie hätten in ihrer Beschwerde keine
männlich oder geschlechtsneutral definierte Berufsgruppe aufgeführt, bei dem
der Lohn trotz der gleichen Ausbildung höher eingestuft sei.
Die Beschwerdeführer sprechen in einer Stellungnahme von einer «riesigen
Enttäuschung» und weisen darauf hin, dass zwei von fünf Bundesrichtern das
Zürcher Verwaltungsgericht für seine «unsorgfältige Überprüfung der Klage»
gerügt hätten. Die Verbände zeigen sich kämpferisch: «Wir werden das Thema
nicht ad acta legen, sondern andere Wege prüfen, um eine faire Lösung zu
erwirken.» Brigitte Fleuti, Präsidentin des Kindergartenverbandes, präzisiert
auf Nachfrage, man wolle mit Informationskampagnen dafür sorgen, dass dem Beruf
mehr Wertschätzung entgegengebracht werde. «Dem Kindergarten kommt eine
Schlüsselrolle in der Entwicklung der Kinder zu», sagt Fleuti. Deshalb müsse
man den Beruf auch so honorieren.
Erfreut über das Urteil zeigte sich die Zürcher Regierungsrätin Silvia
Steiner (CVP): «Das Bundesgericht hat festgestellt, dass wir keine
diskriminierenden Löhne bezahlen. Darüber bin ich froh.» Dennoch wäre es ihr
lieber gewesen, es wäre nicht zu dem Prozess gekommen: «Das kann sich sehr
demotivierend auf die Kindergärtnerinnen auswirken.» Unabhängig von dem
Gerichtsverfahren hat der Kanton dieses Jahr den Anstellungsgrad der
Kindergärtnerinnen auf 88 Prozent festgesetzt. Dafür erhalten sie nun 100
Prozent des Lohns in der Lohnklasse 18. Neu haben die Kindergärtnerinnen die
Möglichkeit, ihr Pensum mit zusätzlichen Aufgaben auf 100 Prozent zu erhöhen.
Dieses Szenario bezeichnet VKZ-Präsidentin Fleuti als unrealistisch. Ihr
sei praktisch niemand bekannt, der oder die noch zusätzliche Stunden in einem
anderen Kindergarten arbeiten könne. «Es gibt kaum Kindergärten, in denen man
nur 12 Prozent arbeiten kann. Und falls doch, sind die Stunden nicht dann, wenn
die Lehrpersonen den unterrichtsfreien Nachmittag haben.» Ausserdem, warnt
Fleuti, werde es in Zukunft noch schwieriger, Kindergartenlehrpersonen zu
finden. «Wir haben es in diesem Jahr mit Ach und Krach geschafft, alle Stellen
zu besetzen. Die Prognosen verheissen aber nichts Gutes.» Viele Absolventinnen
der Pädagogischen Hochschule würden eher Primarlehrerinnen werden. «Weshalb
soll jemand mit der gleichen Ausbildung Kindergärtnerin werden wollen, wenn sie
als Primarlehrerin viel mehr verdient?», fragt Fleuti.
Beruf attraktiver machen
Regierungsrätin Steiner wehrt sich dagegen, dies bloss auf der monetären
Ebene zu diskutieren: «Der Betreuung und Ausbildung von kleinen Kindern wird in
der gesamten Gesellschaft zu wenig Wertschätzung entgegengebracht.» Deshalb
müsse man dafür sorgen, den Beruf insgesamt wieder attraktiver zu gestalten.
Dafür wolle sie sich einsetzen.
Anders ist diesbezüglich der Kanton Aargau vorgegangen. Dort hatte das
Verwaltungsgericht entschieden, die Löhne der Kindergärtnerinnen an jene der Primarlehrerinnen
anzupassen. Im Mai 2014 veranlasste der Regierungsrat eine Angleichung der
Löhne bis 2018 – und für das nächste Jahr rechnet man gemäss der «Aargauer
Zeitung» wieder mit mehr Kindergärtnerinnen.
Ohne gleiche Arbeitszeit wie die Primarehrpersonen wird es nie gleichen Lohn geben. Das ist unrealistisch. In BL haben Kindergärtnerinnen die gleiche Anzahl Pflichtlektionen (28) und eine gleichwertige Ausbildung wie Primarlehrpersonen. Und dafür gibt es seit August 2016 nun auch den gleichen Lohn. Dies dank hartnäckigem Einsatz des LVB in den entscheidenden Gremien.
AntwortenLöschenDAS EI DES KOLUMBUS
AntwortenLöschen2012 hat das Zürcher Stimmvolk mit rund 71 Prozent Nein-Stimmen die Grundstufe verworfen, weil es will, dass Kinder am Anfang der Schulkarriere den Kindergarten besuchen und nicht die Grundstufe. Obwohl der Grundstufen-Versuch abgebrochen werden musste, bildet die Pädagogische Hochschule weiterhin Grundstufenlehrerinnen aus, obwohl es im Kanton Zürich gar keine Grundstufe gibt. Die Präsidentin des Verbandes Kindergarten Zürich warnt, dass es deshalb immer schwieriger wird, überhaupt noch Kindergärtnerinnen zu finden: «Weshalb soll jemand mit der gleichen Ausbildung Kindergärtnerin werden wollen, wenn sie als Primarlehrerin viel mehr verdient?» Im Kanton Aargau veranlasste der Regierungsrat eine Angleichung der Löhne der Kindergärtnerinnen an diejenigen der Primarlehrerinnen. Die zuständige Regierungsrätin des Kantons Zürich glaubt dagegen, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben: Sie will den Beruf der Kindergärtnerin attraktiver machen, ohne die monetäre Ebene zu diskutieren.
Wenn der Kanton Zürich keine Kindergärtnerinnen mehr findet, wird er unweigerlich den Lohn anheben müssen, dann gilt Angebot und Nachfrage.