Als im Baselbiet das englischsprachige Lehrmittel «New World» dem Bildungsrat
vorgestellt wurde, musste er es durchwinken. Eine Alternative lag nicht vor.
Ähnliches berichtete ein Mitglied der Lehrmittelkommission, als unter dem
früheren Bildungsdirektor Urs Wüthrich das umstrittene «Mille feuilles» und das
Folgelehrmittel an der Sekundarschule, «Clin d’œil», vorgelegt wurden: «Man
konnte es weder evaluieren noch besprechen.» Die sechs Partnerkantone, die dem
Gebilde Passepartout angeschlossen sind, führten das Lehrmittel mit DVD, sieben
Begleitheften, Faltkarten und dergleichen pro Schuljahr (!) auf Empfehlung
ihrer Entwickler eigenmächtig ein.
Das Millionengeschäft mit den Bildungsreformen, Basler Zeitung, 9.8. von Daniel Wahl
So
ergatterte der Schulverlag Plus einen lukrativen Auftrag, der wiederum
millionenteure Weiterbildungsaufträge bei jenen Instituten auslöste, die die
Einführung dieser unökologischen Einweglehrmittel befeuerten. Wie
Bildungspolitiker Jürg Wiedemann (GU) an der gestrigen Pressekonferenz der
Starken Schule beider Basel in Liestal ausführte, bescherten die neuen
Englisch- und Französisch-Lehrmittel gegenüber ihren Vorgängern elfmal mehr
Umsatz.
Schulverlag
Plus und Klett und Balmer-Verlag sind beileibe nicht die einzigen Player, die
an den zahlreichen Bildungsreformen Geld verdienen: Laut Wiedemann ist es ein
«lukratives Dreigespann» von Reformbefürwortern, Bildungsinstituten und
Privatindustrie, die sich «Aufträge zuschanzen und sich gegenseitig
legitimieren». «Die Bildungsreformen sind zu einem millionenschweren Geschäft
geworden, in dem Gewinnmaximierung, Deutungshoheit und Macht wichtiger geworden
sind als möglichst gute Lernvoraussetzungen für die Schüler», sagt Wiedemann.
Zu
den grossen Profiteuren gehöre insbesondere auch die Pädagogische Hochschule
der FHNW, welche sich teure Forschungsaufträge aus öffentlichen Mitteln sichere
und damit ihren Stellenetat rechtfertige. Dies gehe zulasten der Schule, der
das Geld für andere Notwendigkeiten fehle.
Teuer
und nicht praxistauglich
Seine
Erkenntnisse kann Wiedemann locker mit weiteren Zahlen untermauern: am Beispiel
von vier der Leistungschecks, die an den Volksschulen im Kanton Solothurn,
Baselland, Basel-Stadt und Aargau durchgeführt werden. Inklusive Bereitstellen
der Software und einer Aufgabensammlung kostete die Entwicklung der Checks 3,44
Millionen Franken. An den wiederkehrenden Kosten verdient das Institut für
Bildungsevaluation der Universität Zürich alleine am Kanton Baselland jährlich
über eine halbe Million Franken. Die überwiegende Mehrheit der Lehrer im Kanton
Basel-Stadt hält die Checks für pädagogisch unsinnig: Mit 1818 zu 127 Stimmen
verlangt sie die Abschaffung dieser Checks.
Zum
Papiertiger wird auch der Lehrplan 21 im Kanton Baselland mutieren, wenn
«Jahresziele» statt Kompetenzen als verbindlich eingeführt werden. Derweil
haben rund 200 Personen sechs Millionen Franken Entwicklungskosten verursacht –
die Weiter- und Umbildungskosten in den Kantonen sind darin nicht
eingeschlossen.
Um
Lehrer auf den Unterricht mit «New World» vorzubereiten, wurden sie im
Baselland für 24 Halbtage aufgeboten. Die Einführung des Vorgängerlehrmittels
«Ready for English» dauerte lediglich acht Stunden. Dass die jeweils von zwei
Kursleitern erteilte Passepartout-Weiterbildung im Kanton Baselland durch
Bildungsdirektorin Monica Gschwind auf 53 Stunden reduziert worden ist, freut
Wiedemann, er bezeichnet es aber als immer noch überrissen.
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