Schulsport ist das einzige Schulfach, das der Bund den Kantonen vorschreibt. Eine föderalistische Fehlkonstruktion? Mitnichten! 1874 wurde die Bundesverfassung zum ersten Mal totalrevidiert, und im Nachgang zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 übernahm der Bund die Aufgabe, mit der Wehrertüchtigung der männlichen Jugend das Turnobligatorium, den Vorunterricht, in der Militärordnung zu verankern. Modern ausgedrückt ging es um die Fitness der jungen Männer zugunsten der Landesverteidigung.
Schulsport ist die beste
Präventionsmassnahme, NZZaS, 13.8. Leserbrief von Peter Engel
Hierfür wurde die Eidgenössische Turnkommission (ETK) geschaffen, welche den Bundesrat in diesen Fragen beraten sollte. Die kriegerische erste Hälfte des 20.Jahrhunderts führte zur Implementierung des Turnens in den Wehrdiskurs der geistigen Landesverteidigung, und das Schulturnen bewahrte seine Berechtigung.
Die
«Entmilitarisierung» begann in den 1970er Jahren auch mit der Überführung des
Vorunterrichts ins zivile Programm Jugend und Sport. In der Konsumgesellschaft
veränderte sich auch die Legitimation des Schulsports (wobei der Begriff Turnen
allmählich durch den Universalbegriff Sport abgelöst wurde). 1984 sollte der
Sport auch gesellschaftspolitisch vom EMD zum EDI zivilisiert werden. Nun trat
anstelle des Wehrdiskurses der konsumgesellschaftlich relevante
Gesundheitsdiskurs. Bundespolitisch wurde mit der Schaffung des Bundesamtes für
Sport 1999 die politische Bedeutung des Sports in der Gesellschaft
hervorgehoben und durch den Bundesrat ein sportpolitisches Konzept erlassen.
Bemerkenswert ist, dass die Landesverteidigung dort eher am Rande Erwähnung
fand.
Dass
die Kantone nun diesen Zivilisierungsprozess mit der Überführung des Schulsports
in ihre Hoheit abschliessen wollen, erscheint in diesem Sinn logisch. Der
Spardruck, der allerdings wegen der Bildungsreformen auf den Kantonen lastet,
verheisst für den Schulsport nichts Gutes. Auch seitens der Wirtschaft wurden
beispielsweise in der Berufsbildung immer wieder Versuche unternommen, den
Schulsport zugunsten anderer Inhalte abzuschaffen. Nur das Bundesobligatorium
hat den Sportunterricht davor bewahrt.
Angesichts
zunehmender Individualisierung und sozialer Vereinsamung bleibt der Schulsport
nach wie vor die beste Präventionsmassnahme.
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