25. Juli 2017

Schulrecht statt Schulpflicht? Ausschluss von Problemschülern

Drogenkonsum in den Pausen, Gewalt im Schulzimmer oder die Verweigerung des Handschlags: «Die Grenzen des Tolerierbaren in der Schule werden zu oft überschritten», stellt die pensionierte Lehrerin Ulrike Pittner fest. In den meisten Fällen handle es sich um Jugendliche, die sich bewusst nicht an die Regeln hielten.
Wer ständig stört, soll von der Schule fliegen, 20 Minuten, 21.7.


«Die Schüler wissen, dass sie am längeren Hebel sitzen», sagt Pittner. Dies liege daran, dass aufgrund der geltenden Schulpflicht die Hemmschwelle eines Schulausschlusses bei den Verantwortlichen gross sei. Die Folge: «Die Problemfälle stören oder verunmöglichen gar den Unterricht, während Lehrpersonen stundenlang in Sitzungen über Massnahmen diskutieren, die den Schülern null Eindruck machen.»

Ein Schulausschluss ist zwar bereits heute in vielen Kantonen möglich – aber erst im letzten obligatorischen Schuljahr. Laut dem Volksschulamt Zürich ist die Entlassung aus der Schulpflicht zudem nur als «ultima ratio» in «schwerwiegenden Fällen» anzuwenden. Weitere Strafen sind etwa der vorübergehende Ausschluss für vier Wochen oder die Versetzung an eine andere Schule.

Wer gegen Regeln verstösst, soll von der Schule fliegen
In der Basellandschaftlichen Zeitung skizzierte Pittner eine Lösung für die aus ihrer Sicht «zu laschen» Disziplinarstrafen: Die Schulpflicht ab dem ersten Sekundarschuljahr soll durch ein Schulrecht ersetzt werden. Demnach wäre die Schule nicht mehr verpflichtet, jeden Schüler durchzubringen, sondern das Recht auf Schulbesuch wäre an die Einhaltung der Regeln geknüpft, wie es etwa an Gymnasien üblich ist.

«Wer wiederholt die Regeln bricht und nicht mehr tragbar ist, soll von der Schule verwiesen werden», sagt Pittner. Damit werde der Weg frei für die Teilnahme an einem Integrationsprojekt für den Arbeitsmarkt, wo Schüler für Hilfsarbeiten jeglicher Art herangezogen werden sollten. «Bei vielen fällt der Groschen, wenn sie es mit der Arbeitswelt zu tun bekommen, und sie können die Schule später noch fertig machen.»

SVP-Nationalrätin zeigt Verständnis
Für die Forderung zeigt SVP-Nationalrätin Verena Herzog Verständnis. Als ehemaliges Mitglied der Frauenfelder Schulbehörde hat sie selbst erlebt, wie einzelne «Problem-Schüler» den Unterricht lahmlegten und die Lehrer an den Rand der Verzweiflung brachten. Die Aufweichung der Schulpflicht findet sie zwar «heikel». «Wenn aber auch die Time-out-Angebote nichts nützen, soll ein Schüler dispensiert werden können, damit die restliche Klasse normal arbeiten kann.»

Dani Kachel, Präsident des Zürcher Sekundarlehrerverbands, kann es zwar nachvollziehen, dass man als Lehrer bei schwierigen Schülern versucht ist, sie aus der Schule auszuschliessen, «um ihnen das Privileg des Schulbesuchs wieder klarzumachen». Trotzdem findet er, dass es an der Schulpflicht nichts zu rütteln gibt.

Sekundarlehrer warnen vor voreiligen Ausschlüssen
«Es besteht die Gefahr von unüberlegten Schnellschüssen, wenn bereits schwierige Erstklässler in der Sekundarstufe ausgeschlossen werden können», kritisiert Kachel. Und diese Überreaktionen könnten gravierende Folgen für die Jugendlichen haben: «Wenn ein 13-Jähriger von der Schule fliegt und keinen Abschluss hat, wie soll er jemals den Anschluss im Berufsleben finden?», fragt Kachel.

Brigitte Mühlemann, Stellvertretende Amtschefin des Zürcher Volksschulamts, ergänzt: «Ihre Zukunftsperspektiven und allenfalls ihre soziale Entwicklung wären stark beeinträchtigt, eine Anschlusslösung, insbesondere eine Berufsausbildung, wäre kaum mehr möglich.»

Zudem müsse man die Schüler vor sich selber schützen, sagt Kachel: «Wenn die Schüler wissen, dass sie nicht mehr in den Unterricht müssen, wenn sie nur genug Randale veranstalten, dann haben Eltern und Lehrer ein Druckmittel weniger», sagt Kachel. Deshalb seien die heutigen abgestuften Massnahmen mit Verweis, Versetzung oder Entlassung aus der Schulpflicht ab dem dritten obligatorischen Schuljahr ausreichend.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen