Drogenkonsum in den Pausen, Gewalt im Schulzimmer oder die Verweigerung
des Handschlags: «Die Grenzen des Tolerierbaren in der Schule werden zu oft
überschritten», stellt die pensionierte Lehrerin Ulrike Pittner fest. In den
meisten Fällen handle es sich um Jugendliche, die sich bewusst nicht an die
Regeln hielten.
Wer ständig stört, soll von der Schule fliegen, 20 Minuten, 21.7.
«Die Schüler wissen, dass sie am längeren Hebel sitzen», sagt Pittner.
Dies liege daran, dass aufgrund der geltenden Schulpflicht die Hemmschwelle
eines Schulausschlusses bei den Verantwortlichen gross sei. Die Folge: «Die Problemfälle
stören oder verunmöglichen gar den Unterricht, während Lehrpersonen stundenlang
in Sitzungen über Massnahmen diskutieren, die den Schülern null Eindruck
machen.»
Ein Schulausschluss ist zwar bereits heute in vielen Kantonen möglich –
aber erst im letzten obligatorischen Schuljahr. Laut dem Volksschulamt Zürich
ist die Entlassung aus der Schulpflicht zudem nur als «ultima ratio» in
«schwerwiegenden Fällen» anzuwenden. Weitere Strafen sind etwa der
vorübergehende Ausschluss für vier Wochen oder die Versetzung an eine andere
Schule.
Wer gegen Regeln verstösst, soll von der Schule fliegen
In der Basellandschaftlichen Zeitung skizzierte Pittner eine Lösung für
die aus ihrer Sicht «zu laschen» Disziplinarstrafen: Die Schulpflicht ab dem
ersten Sekundarschuljahr soll durch ein Schulrecht ersetzt werden. Demnach wäre
die Schule nicht mehr verpflichtet, jeden Schüler durchzubringen, sondern das
Recht auf Schulbesuch wäre an die Einhaltung der Regeln geknüpft, wie es etwa
an Gymnasien üblich ist.
«Wer wiederholt die Regeln bricht und nicht mehr tragbar ist, soll von
der Schule verwiesen werden», sagt Pittner. Damit werde der Weg frei für die
Teilnahme an einem Integrationsprojekt für den Arbeitsmarkt, wo Schüler für
Hilfsarbeiten jeglicher Art herangezogen werden sollten. «Bei vielen fällt der
Groschen, wenn sie es mit der Arbeitswelt zu tun bekommen, und sie können die
Schule später noch fertig machen.»
SVP-Nationalrätin zeigt Verständnis
Für die Forderung zeigt SVP-Nationalrätin Verena Herzog Verständnis. Als
ehemaliges Mitglied der Frauenfelder Schulbehörde hat sie selbst erlebt, wie
einzelne «Problem-Schüler» den Unterricht lahmlegten und die Lehrer an den Rand
der Verzweiflung brachten. Die Aufweichung der Schulpflicht findet sie zwar
«heikel». «Wenn aber auch die Time-out-Angebote nichts nützen, soll ein Schüler
dispensiert werden können, damit die restliche Klasse normal arbeiten kann.»
Dani Kachel, Präsident des Zürcher Sekundarlehrerverbands, kann es zwar
nachvollziehen, dass man als Lehrer bei schwierigen Schülern versucht ist, sie
aus der Schule auszuschliessen, «um ihnen das Privileg des Schulbesuchs wieder
klarzumachen». Trotzdem findet er, dass es an der Schulpflicht nichts zu
rütteln gibt.
Sekundarlehrer warnen vor voreiligen Ausschlüssen
«Es besteht die Gefahr von unüberlegten Schnellschüssen, wenn bereits
schwierige Erstklässler in der Sekundarstufe ausgeschlossen werden können»,
kritisiert Kachel. Und diese Überreaktionen könnten gravierende Folgen für die
Jugendlichen haben: «Wenn ein 13-Jähriger von der Schule fliegt und keinen
Abschluss hat, wie soll er jemals den Anschluss im Berufsleben finden?», fragt
Kachel.
Brigitte Mühlemann, Stellvertretende Amtschefin des Zürcher
Volksschulamts, ergänzt: «Ihre Zukunftsperspektiven und allenfalls ihre soziale
Entwicklung wären stark beeinträchtigt, eine Anschlusslösung, insbesondere eine
Berufsausbildung, wäre kaum mehr möglich.»
Zudem müsse man die Schüler vor sich selber schützen, sagt Kachel: «Wenn
die Schüler wissen, dass sie nicht mehr in den Unterricht müssen, wenn sie nur
genug Randale veranstalten, dann haben Eltern und Lehrer ein Druckmittel
weniger», sagt Kachel. Deshalb seien die heutigen abgestuften Massnahmen mit
Verweis, Versetzung oder Entlassung aus der Schulpflicht ab dem dritten
obligatorischen Schuljahr ausreichend.
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