Die Reaktionen auf den Thurgauer Entscheid von Bundesparlamentariern in Bern sind breitgefächert. Besonders fällt ein Statement des Waadtländer FDP-Nationalrats Fathi Derder auf. Er sagt: "Während der obligatorischen Schulzeit müssten sowohl Englisch als auch zwei weitere Landessprachen gelehrt werden, wann dies geschehe, spiele indes keine Rolle". Das ist ein bemerkenswertes Signal der Vernunft in einem sonst desorientierten ideologischen Schaulaufen. (uk)
Von "Minderheitskomplex" bis hin zur "fehlender Solidarität", NZZ, 3.5. von Valerie Zaslawski
«Es ist kein Problem, kein Psychodrama, und auch kein Sprachenkrieg»,
findet beispielsweise FDP-Nationalrat Fathi Derder aus dem Kanton Waadt. Und es
solle auch kein Problem daraus gemacht werden. Es sei eine «demokratische
Debatte». Dem Westschweizer liegt viel daran, dass die Kinder hierzulande
multilingual aufwachsen, dies sei für den Föderalismus wichtig und eine Stärke
der Schweiz. Während der obligatorischen Schulzeit müssten sowohl Englisch als
auch zwei weitere Landessprachen gelehrt werden, wann dies geschehe, spiele
indes keine Rolle. Dass die Debatte so emotional verlaufe, habe mit dem
Welschen «Minderheitskomplex» zu tun. Und mit den Medien. Derder, selbst
Chefredaktor des Wirtschaftsblatts «L'Agefi», verweist auf die Zeitung «24
heures»: Diese titelte, Französisch werde an den Rand gedrängt. Dies sei
einfach nicht wahr, sagt er. Dränge man der Bevölkerung hingegen eine Sprache
auf, habe man den herbeigeredeten Krieg, wie das Beispiel Belgien zeige.
Auch der Luzerner SVP-Nationalrat Felix Müri spricht sich «für eine
Flexibilität der Kantone» aus. So sei es durchaus sinnvoll, dass im Kanton Zug
beispielsweise, wo viele internationale Firmen beheimatet sind, der
Englischunterricht forciert würde. Müri ist «gegen nationale Vorschriften»,
aber «für einen gemeinsamen Nenner». Eine Einmischung des Bundes fände er
«schwierig». Sollte nun ein Kanton nach dem anderen ausscheren, so würde aber
auch Müri ein Eingreifen des Bundesrates nachvollziehen können. Alain Berset
(sp.) hat sich zum Entscheid des Thurgauer Parlaments nicht geäussert.
«Wahnsinnig enttäuscht», zeigt sich hingegen der Berner SP-Nationalrat
Matthias Aebischer. Der Entscheid sei ein «klarer Schritt weg von einer
Harmonisierung des Schulsystems». Überdies gehe es um den «kulturellen
Zusammenhalt». Wenn auch die Schweiz nun freilich nicht gleich zusammenbrechen
werde, sei der Entscheid doch «ein Zeichen fehlender Solidarität». Dies passe
nicht zu einer Willensnation wie der Schweiz, in der man sich für Minderheiten
und Randregionen einsetze und sich gegenseitig respektiere. Dies entspreche
nicht den Tugenden, welche das Land ausmachten.
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