4. Mai 2017

Frühfranzösisch überzeugt Thurgauer nicht

Mit knapper Mehrheit spricht sich der Thurgauer Grosse Rat gegen Frühfranzösisch aus. Der Unterricht auf Primarstufe habe zu wenig gebracht. Den Zusammenhalt der Schweiz sieht der Thurgau nicht gefährdet.
Thurgauer Parlament kippt Frühfranzösisch, NZZ, 3.5. von Jörg Krummenacher


Das Thurgauer Parlament ist standhaft geblieben. Nachdem es 2014 in einer Motion die Verschiebung des Französischunterrichts auf die Sekundarstufe gefordert hatte, hat es am Mittwoch mit 64 gegen 53 Stimmen die entsprechende Gesetzesvorlage gutgeheissen. Die Fronten verliefen teils quer durch die Parteien: SVP, CVP, Grüne, EVP und EDU sprachen sich mehrheitlich für, FDP, SP, GLP und BDP gegen die Abschaffung des Frühfranzösischen aus.

Bisheriger Unterricht gescheitert
Die Debatte war geprägt von der Einsicht, dass die bisherige Ausgestaltung des Französischunterrichts in der Primarschule wenig gebracht habe. Das Frühfranzösische lahme, kranke an mangelnder Intensität und Effizienz, sei gar gescheitert. Uneinigkeit herrschte über den Weg, dies zu korrigieren. Regierungsrätin Monika Knill setzte sich vehement für den Verbleib des Frühfranzösischen ein und präsentierte mehrere Massnahmen, den Unterricht zu verbessern und unbürokratisch Abwahlmöglichkeiten zu schaffen. Die Mehrheit war indes der Meinung, dass es nun eine wirkliche Reform brauche und der Französischunterricht nach Vorbild des erfolgreichen Modells in Appenzell Innerrhoden auf die Sekundarstufe zu verschieben sei.

Chancenlos blieb ein Kompromissvorschlag von links-grüner Ratsseite, das Geschäft zur Ausschaffung neuer Vorschläge an die Regierung zurückzuweisen.

Die Schweiz nicht spalten
Mehrfach wurde betont, das Frühfranzösische sei nicht relevant für den Zusammenhalt der Schweiz. Es gehe nicht darum, den Stellenwert des Französischen zu mindern, sondern darum, zum Schluss der Volksschule möglichst gute Kompetenzen «in dieser schönen und identitätstiftenden Sprache» zu haben, wie seitens der vorbereitenden Kommission erklärt wurde. Die Bildungshoheit liege bei den Kantonen. Die Abschaffung des Frühfranzösischen werde die Schweiz nicht spalten.

Der Thurgauer Entscheid, auch wenn er erst in 1. Lesung erfolgt und noch nicht definitiv ist, befeuert den Sprachenstreit. Zudem könnte er Signalwirkung für die anstehende Abstimmung im Kanton Zürich haben: Am 21. Mai entscheidet hier das Stimmvolk über die Initiative «Mehr Qualität - eine Fremdsprache an der Primarschule».

Gefährdeter Sprachenkompromiss
2004 hatten die Erziehungsdirektoren den Sprachenkompromiss beschlossen, der eine erste Fremdsprache ab der 3. Primarklasse und eine zweite ab der 5. Klasse vorsieht. Eine der beiden Fremdsprachen muss dabei eine Landessprache sein. Derzeit wird in 22 von 26 Kantonen nach diesem Modell unterrichtet. Einzelne Kantone wie Uri und Appenzell Innerrhoden haben Frühfranzösisch aber gar nicht erst eingeführt.

Mit einer Revision des Sprachengesetzes will Bildungsminister Alain Berset den Sprachenkompromiss notfalls durchsetzen. Die Vernehmlassung hat dabei gegensätzliche Standpunkte der Westschweizer und der Deutschschweizer Kantone gezeigt. Viele Deutschschweizer Kantone pochen auf der kantonalen Schulhoheit. Auch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zeigte sich skeptisch gegenüber einer Bundesregelung.


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