Mit
knapper Mehrheit spricht sich der Thurgauer Grosse Rat gegen Frühfranzösisch
aus. Der Unterricht auf Primarstufe habe zu wenig gebracht. Den Zusammenhalt
der Schweiz sieht der Thurgau nicht gefährdet.
Thurgauer Parlament kippt Frühfranzösisch, NZZ, 3.5. von Jörg Krummenacher
Das Thurgauer Parlament
ist standhaft geblieben. Nachdem es 2014 in einer Motion die Verschiebung des
Französischunterrichts auf die Sekundarstufe gefordert hatte, hat es am Mittwoch
mit 64 gegen 53 Stimmen die entsprechende Gesetzesvorlage gutgeheissen. Die
Fronten verliefen teils quer durch die Parteien: SVP, CVP, Grüne, EVP und EDU
sprachen sich mehrheitlich für, FDP, SP, GLP und BDP gegen die Abschaffung des
Frühfranzösischen aus.
Bisheriger
Unterricht gescheitert
Die Debatte war geprägt
von der Einsicht, dass die bisherige Ausgestaltung des Französischunterrichts
in der Primarschule wenig gebracht habe. Das Frühfranzösische lahme, kranke an
mangelnder Intensität und Effizienz, sei gar gescheitert. Uneinigkeit herrschte
über den Weg, dies zu korrigieren. Regierungsrätin Monika Knill setzte sich
vehement für den Verbleib des Frühfranzösischen ein und präsentierte mehrere
Massnahmen, den Unterricht zu verbessern und unbürokratisch Abwahlmöglichkeiten
zu schaffen. Die Mehrheit war indes der Meinung, dass es nun eine wirkliche
Reform brauche und der Französischunterricht nach Vorbild des erfolgreichen
Modells in Appenzell Innerrhoden auf die Sekundarstufe zu verschieben sei.
Chancenlos blieb ein
Kompromissvorschlag von links-grüner Ratsseite, das Geschäft zur Ausschaffung
neuer Vorschläge an die Regierung zurückzuweisen.
Die
Schweiz nicht spalten
Mehrfach wurde betont,
das Frühfranzösische sei nicht relevant für den Zusammenhalt der Schweiz. Es
gehe nicht darum, den Stellenwert des Französischen zu mindern, sondern darum,
zum Schluss der Volksschule möglichst gute Kompetenzen «in dieser schönen und
identitätstiftenden Sprache» zu haben, wie seitens der vorbereitenden
Kommission erklärt wurde. Die Bildungshoheit liege bei den Kantonen. Die
Abschaffung des Frühfranzösischen werde die Schweiz nicht spalten.
Der Thurgauer Entscheid,
auch wenn er erst in 1. Lesung erfolgt und noch nicht definitiv ist, befeuert
den Sprachenstreit. Zudem könnte er Signalwirkung für die anstehende Abstimmung
im Kanton Zürich haben: Am 21. Mai entscheidet hier das Stimmvolk über die
Initiative «Mehr Qualität - eine Fremdsprache an der Primarschule».
Gefährdeter
Sprachenkompromiss
2004 hatten die
Erziehungsdirektoren den Sprachenkompromiss beschlossen, der eine erste
Fremdsprache ab der 3. Primarklasse und eine zweite ab der 5. Klasse vorsieht.
Eine der beiden Fremdsprachen muss dabei eine Landessprache sein. Derzeit wird
in 22 von 26 Kantonen nach diesem Modell unterrichtet. Einzelne Kantone wie Uri
und Appenzell Innerrhoden haben Frühfranzösisch aber gar nicht erst eingeführt.
Mit einer Revision des
Sprachengesetzes will Bildungsminister Alain Berset den Sprachenkompromiss
notfalls durchsetzen. Die Vernehmlassung hat dabei gegensätzliche Standpunkte
der Westschweizer und der Deutschschweizer Kantone gezeigt. Viele
Deutschschweizer Kantone pochen auf der kantonalen Schulhoheit. Auch die
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zeigte sich skeptisch
gegenüber einer Bundesregelung.
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