Manchmal
fühlt es sich an wie ein Bundesrat in der Endlosschleife: Wirtschaftsminister
Johann Schneider-Ammann lässt keine Gelegenheit aus, zu betonen, wie wichtig
die MINT-Fächer für die Zukunft der Schweiz sind. Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften und Technologie seien Motor von Innovation und Wirtschaft,
die Fächer solle man am besten schon im Kindergarten fördern, wiederholt
Schneider-Ammann seit Jahren. Jetzt zeigt sein Appell offenbar Wirkung. Die
Begeisterung für MINT-Fächer ist deutlich gestiegen, wie neuste Zahlen des
Bundes zeigen. Immer mehr Studierende nehmen ein MINT-Studium in Angriff.
Zwischen 2010 und 2015 stieg der Anteil um 14 Prozent, in allen anderen Fächern
lediglich um 5 Prozent. Fachhochschulen spüren den Zuwachs am stärksten (plus
17 Prozent), die Universitäten etwas weniger (plus 12 Prozent), aber noch immer
deutlich. Damit beginnt heute jeder dritte Studienanfänger ein Bachelorstudium
in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik.
Besonders in Mathematik tun sich Studenten schwer.
Die MINT-Fächer boomen - Mathe wird wieder beliebter, Schweiz am Wochenende, 15.4. von Yannick Nock
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Bundesrat
Schneider-Ammann ist nicht der Einzige, den die Zunahme freut. Martin Vetterli,
Präsident der ETH Lausanne (EPFL), hebt die Bedeutung der MINT-Fächer im
Zeitalter der Digitalisierung hervor. Diese Fähigkeiten würden in fast allen
Wirtschaftsbranchen künftig noch wichtiger, sagt er. Doch mehr Studierende
bedeutet nicht zwingend bessere. Noch immer haben viele gerade zu Beginn ihres
Studiums Mühe. Seit zehn Jahren sinkt an der EPFL die Erfolgsrate der
Erstsemestrigen. Früher fielen 50 Prozent der Studenten durch die
Zwischenprüfung nach einem Jahr. Heute sind es 54 Prozent. Besonders in der
Mathematik tun sich Studenten schwer. Dabei zählt die EPFL nicht nur zu den
besten Hochschulen des Landes, sondern zu den besten weltweit. Eine Garantie
für Spitzenleistung ist das gerade zu Beginn nicht. «Viele Erstsemestrige
müssen sich erst an das Tempo der EPFL gewöhnen», sagt Vetterli. Die Hochschule
gibt im ersten Jahr Hilfestellung mit Onlinekursen. Für den ehemaligen
SP-Nationalrat Rudolf Strahm ist es dennoch ein Irrweg zu glauben, die
Wissensgesellschaft erfordere immer mehr Leute an den Universitäten. Es gäbe
heute einige Länder, die deswegen in der Akademisierungsfalle steckten. Zwar
begrüsst Strahm die Entwicklung, denn die Hochschulen müssten sich stärker nach
den Bedürfnissen des Markts richten, was bei MINT-Fächern der Fall sei.
Trotzdem liege der Schlüssel zur Bewältigung der digitalen Revolution im
lebenslangen Lernen – über alle Bildungsstufen hinweg. «Die Wirtschaft
funktioniert bei uns nach wie vor besser, weil auch 30- oder 40-Jährige über
eine höhere Berufsbildung die neusten digitalen Kompetenzen erwerben», sagt
Strahm.
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