27. April 2017

Kippt der Thurgau doch noch?

Urs Schrepfer gehört zu den sechs Thurgauer Kantonsräten, die 2013 eine Motion zur Abschaffung des Französischunterrichts an der Primarschule eingereicht hatten. Nächste Woche befasst sich der Grosse Rat nochmals mit dem Geschäft. Dem SVP-Kantonsrat aus Busswil kommt dabei als Kommissionspräsident eine entscheidende Rolle zu.
Eine Chance für das Frühfranzösisch, Thurgauer Zeitung, 26.4. von Thomas Wunderlin


Die Kommission hat sich mit neun zu fünf Stimmen gegen Frühfranzösisch ausgesprochen. Schrepfer kann sich aber vorstellen, dass der Grosse Rat anders entscheidet. Er persönlich würde jedenfalls unter bestimmten Bedingungen auf eine Abschaffung verzichten: «Der Regierungsrat muss verbindliche Zusagen für eine Verbesserung des Französischunterrichts an der Primarschule machen.»

SVP-Erziehungsdirektorin Monika Knill hatte bereits an einer Kommissions­sitzung aufgezeigt, in welche Richtung es gehen könnte. Die von ihr präsentierten Massnahmen sind auf ihren Wunsch mit dem Kommissionsbericht veröffentlicht worden. Der wichtigste Punkt ist für Schrepfer: «Der Halbklassenunterricht muss möglich und verbindlich sein. Dafür muss eine zusätzliche Lektion gesprochen werden.» Fünft- und Sechstklässler sollen von ihren zwei Wochenlektionen mindestens eine in der Halbklasse erhalten. Die Schulen sollen diese zusätzliche Lektion nicht für etwas anderes als Französisch einsetzen dürfen. Weitere erwünschte Massnahmen sind für Schrepfer Sprachtage, Sprachinseln und immersiver Unterricht. Die Kommission habe über die Massnahmen nicht vertieft diskutieren wollen. Die richtigen Ansprechpartner seien die Fachleute; dazu zählt er vor allem Bildung Thurgau.

Grundsätzlicher Befürworter des Sprachenlernens

Schrepfer, Jahrgang 1971, sitzt seit 2012 im Kantonsparlament. Hauptberuflich arbeitet er als Schulleiter in Wängi; ausserdem ist er Schulpräsident von Sirnach. Er betont, dass er «immer ein Befürworter des Sprachenlernens» war. An der Schweizerschule im mexikanischen Guernavaca erteilte er selber immersiven Unterricht in Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Sport: Die Schüler hatten Spanisch als Muttersprache, der Unterricht fand auf Deutsch statt. Am Anfang der jetzigen Diskussion stand laut Schrepfer die «Unzufriedenheit mit dem jetzigen Zustand» des Französischunterrichts an der Primarschule. Eher überraschend sei gewesen, dass die Motion im Grossen Rat eine Mehrheit gefunden habe.

Die vorgeschlagene Umsetzung ist für Schrepfer auch ein Grund, weshalb er inzwischen seine Haltung überdenkt. «Die Stundentafeln ohne Frühfranzösisch sind so entworfen worden, dass auch ich mir überlegen muss, nein, dann lieber Frühfranzösisch.» Das Erziehungsdepartement wollte den Französischunterricht an der Sekundarschule ausbauen und den Sekundarschülern die Abwahl des Fachs Französisch erst am Ende der zweiten Klasse gestatten. Bisher dürfen sie am Ende der ersten Klasse Adieu sagen. Tatsächlich nutzt ein Drittel der Thurgauer Sekundarschüler diese Möglichkeit. «Das ist gut so», sagt Schrepfer, «sie wollen diese Zeit lieber für andere Fächer verwenden.» Doch man müsse sich vor Augen halten, was das bedeute: «Auch mit Frühfranzösisch erreicht heute schon ein Drittel der Schüler die Grundkompetenz in Französisch nicht.»

Das Drittel der Schüler, die bisher Ende der ersten Sekundarschulklasse Französisch abwählten, würde laut Schrepfer «massiv leiden». Sie würden gezwungen, Französisch ein Jahr länger zu besuchen. Dabei müssten nur 400 von 1900 Thurgauer Berufsschülern das Fach Französisch zwingend belegen.


Was in der Diskussion bisher auch kaum beachtet worden sei: Der Englischunterricht an der Sekundarschule wird so oder so um eine Lektion abgebaut. «Das ist ein anderer Ärger.»

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