Einige
Müllsäcke und Kartonschachteln hat Hans Ambühl am Mittwochmorgen der
vergangenen Woche noch zu füllen, bevor er sein Büro heute Montag seiner
Nachfolgerin übergeben kann. In 18 Jahren als Generalsekretär der kantonalen
Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) sammle sich halt so manches Dokument an,
sagt er mit Blick auf das Chaos.
Bildungsrevolutionär tritt ab, Aargauer Zeitung, 3.4. von Dennis Bühler
In seinem umfangreichen Archiv gefunden hat
Ambühl bei den Aufräumarbeiten unter anderem die Abschiedsrede seines
Vorgängers Moritz Arnet, der wie er Luzerner ist und der EDK ebenfalls weit
mehr als ein Jahrzehnt gedient hatte. «Arnet forderte 1999 bei seinem
Rücktritt, das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen im Bildungsbereich sei
produktiv zu klären», sagt Ambühl. Was seinem Vorgänger noch misslang, ist
Ambühls «grösstes Verdienst», wie der damalige EDK-Präsident Hans Ulrich
Stöckling sagt. «Er hat die Harmonisierung der Schweizer Bildungslandschaft
vorwärtsgetrieben, ohne sie zu überstürzen.» Bis vor rund zehn Jahren habe die
Oberstufe je nach Kanton irgendwann zwischen der 4. und 6. Klasse begonnen,
erinnert sich der inzwischen 76-jährige ehemalige St. Galler FDP-Regierungsrat.
«Dies ändern zu wollen, galt als revolutionär. Heute ist diese Eigenbrötlerei
zum Glück überwunden.» Im Mai 2006 nämlich sagten 86 Prozent der Stimmbürger
und alle Stände Ja zur Revision der Bildungsartikel in der Bundesverfassung.
Die entsprechende «Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der
obligatorischen Schule» – besser bekannt als Harmos-Konkordat – trat drei Jahre
später in Kraft. Auch wenn nach wie vor nicht alle Kantone mittun. Das
Konkordat enthält Bestimmungen zur Dauer und zu den Zielen der Bildungsstufen,
zum Sprachenunterricht sowie zu Blockzeiten und Tagesstrukturen.
Die Sprachenfrage hat Ambühl bis zuletzt beschäftigt. Erst
unmittelbar vor Weihnachten gab Bundesrat Alain Berset bekannt, auf eine
Intervention bei den Kantonen zu verzichten, und nahm so etwas Dampf aus der
seit Jahren tobenden Auseinandersetzung um Zeitpunkt und Reihenfolge des Fremdsprachenunterrichts
in der Primarschule. «Ob ich gezittert habe?», fragt Ambühl zurück und
schmunzelt. «Nein. Ich bin nicht so der ‹Zitteri›.» Besonders genoss Ambühl
während der vergangenen zwei Jahrzehnte den Austausch mit ausländischen
Bildungsexperten. «Die Diskussionen, die wir hierzulande führen, sind oft zu
helvetisch zentriert», kritisiert er. «Fast könnte man beispielsweise meinen,
die Schweiz sei das einzige Land, das Kindern Fremdsprachen lehrt.»
Die
Vehemenz, mit welcher der frühe Sprachunterricht bekämpft wird, überrascht
Ambühl. Mit Blick auf andere Länder könne man sich fragen, ob man ausgerechnet
in der mehrsprachigen Schweiz ewig über diese Frage debattieren wolle. «Ich
würde mir oft eine Entideologisierung der Debatte und mehr Vertrauen in
Experten wünschen.»
Wichtiger als Ideologie war
Ambühl Humor. «Oft lachten wir zusammen, verschmitzt wie Schulbuben», erinnert
sich Christoph Eymann, der die EDK von 2013 bis Ende 2016 präsidierte. Gut
erinnere er sich an eine Konferenz im Wallis im vergangenen Jahr, so der Basler
Alt-Regierungsrat (LDP) und Nationalrat. «Bildungsdirektor Oskar Freysinger,
der unser Gastgeber war, verkündete, sein Kanton müsse sparen und habe deshalb
auf ein kulturelles Rahmenprogramm verzichtet – und stattdessen ihm
aufgetragen, uns mit Liedern zu unterhalten. Ambühl und ich schauten uns, starr
vor Schreck, an – und lachten dann lauthals los. Zum Glück hatte auch
Freysinger seine Drohung nicht ernst gemeint.» Als Präsident der
Schweizerischen Maturitätskommission sowie der Auslandschweizerschulen bleibt
Ambühl vorderhand mit der Bildungspolitik verbunden. «Ich rücke bloss noch
etwas mehr in den Hintergrund», sagt der ausgebildete Jurist und dreifache
Vater. «Das freut mich.» Von seinem Schreibtisch im Attikageschoss des Hauses
der Kantone in Bern blickte Ambühl die letzten Jahre auf ein Ölgemälde des
Innerschweizer Malers Charles Wyrsch, auf dem Schädel in unterschiedlichem
Verwesungszustand zu sehen sind. «Alles ist vergänglich», sagt Ambühl. Sorgen
bereitet ihm das nicht. Zumal: Maler Wyrsch wird demnächst 97-jährig
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