20. April 2017

Graubünden lässt Einführungsklassen wieder zu

Beim ersten Teil der gestrigen Bildungsdebatte im Grossen Rat waren die meisten Votantinnen und Votanten noch einer Meinung: Die Einführungsklasse, in der "entwicklungsverzögerte" Kinder den Lernstoff des ersten Schuljahres während zweier Jahre bewältigen, bevor sie in die zweite Primarschulklasse kommen, soll im Kanton Graubünden wieder eingeführt werden. Ein entsprechender Auftrag von Bruno W. Claus (FDP) wurde vom Rat mit 113:1 Stimmen an die Regierung überwiesen. 
Neues Streitfeld zur Schule eröffnet, Bündner Tagblatt, 20.4. von Luzi Bürkli

Die seit dem Schuljahr 2012/13 praktizierte integrative Regelung mit der zeitweisen Unterstützung durch Heilpädagogen in der Regelklasse würde Probleme verursachen, die verhindert werden könnten. "Es werden Kinder zu Problemfällen, nur weil sie die Zeit nicht hatten, die sie gebraucht hätten", sagte Claus. So seien bei den betroffenen Kindern nach dem ersten Jahr die Lernlücken oft schon derart gross, dass die Kinder für den Rest ihrer schulischen Laufbahn auf Zusatzunterstützung angewiesen seien. Auch seien die von der Regierung im Vorfeld der Ratsdebatte ins Feld geführten Alternativlösungen mit einem dritten Kindergartenjahr oder der Bildung von 1./2. Kombiklassen keine Lösung.

Der Streichung der Einführungsklasse bei der Totalrevision der Schulgesetzgebung im Jahr 2012 sei ein Fehlentscheid gewesen, pflichtete Grossrätin Elita Florin-Caluori (CVP) bei. Zum selben Schluss kamen in der Debatte etwa auch Elisabeth Mani-Heldstab (BDP) und Cornelia Märchy-Caduff(CVP). "Manchmal ist ein mutiger Schritt zurück nötig", sagte Letztere.

Regierungsrat Martin Jäger versicherte, dass für Kinder mit besonderen Bedürfnissen "geeignete Gefässe" zur Verfügung gestellt werden müssten. Beim Eintritt in die Schule gebe es bei den Kindern eine "riesige Spanne", sagte Jäger, der damit auch die Bedürfnisse von Begabten und Hochbegabten hervorhob. Das Modell von Kombiklassen aber verteidigte er. Dieses beinhalte aus pädagogischer Sicht viele Vorteile - "die Kleinen lernen mit den Grossen" - von denen auch lernschwächere Schüler profitierten. Jäger verwies aktuell auf einen Entscheid der Gemeinde Maienfeld, die ab August die 1. und 2. Klasse neu als Kombiklasse führen will. Dabei handle es sich nicht - wie von Mani-Heldstab kritisiert - um ein Schulprojekt mit ungewissem Ausgang. 

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