27. März 2017

Noten nach Geschlecht

Eine neue Studie zeigt, wie das Geschlecht die Benotung beeinflusst. Zürich Schülerinnen, die eine Physikaufgabe gleich beantworten wie ihre männlichen Klassenkameraden, erhalten regelmässig eine schlechtere Note. Das zeigt eine Studie der ETH-Forscherin Sarah Hofer. Hofer bat Physiklehrer, in einem Online-Test eine Prüfungsantwort zu benoten. Sie legte den 780 Teilnehmern aus der Schweiz, Deutschland und Österreich eine Mechanik-Frage und die jeweils gleich formulierte - nur teilweise korrekte - fiktive Schülerantwort vor. Die eine Hälfte ging davon aus, dass sie die Antwort einer Schülerin zu benoten hätten, die andere Hälfte die eines Schülers.
Mädchen erhalten schlechte Physiknoten, Buben werdem beim Aufsatz benachteiligt, Sonntagszeitung, 26.3. von Simon Widmer


Schweizer Lehrerinnen und Lehrer - der Effekt gilt für Frauen und Männer -, die seit weniger als zehn Jahren unterrichteten, benoteten die Mädchen signifikant schlechter. Bei Lehrern mit fünf und weniger Jahren Berufserfahrung machte die Benachteiligung von Mädchen im Schnitt 0,7 Noten aus.

In einer anderen Studie kam Hofer zum Schluss, dass Gymnasiastinnen mit guten Noten in der Physik schlechter abschneiden als Gymnasiasten. In der Mathematik ist dieser Effekt nicht beobachtbar. Eine mögliche Erklärung ist neben dem geringeren Interesse der Mädchen für Physik die unfaire Benotung der Leistungen.

Lehrer mit wenig Berufserfahrung würden Schülerinnen nicht absichtlich schlechter benoten. Aber die Stereotype, dass Mädchen in der Physik schlecht sind, seien implizit präsent. «Es geht nicht an, dass Schülerinnen für dieselbe Leistung schlechter benotet werden. Die Lehrerausbildung muss die Problematik vermehrt aufnehmen», sagt Hofer.
Der Effekt gilt auch umgekehrt. So zeigen Studien, dass Schüler für die gleiche Leistung bei Deutschaufsätzen schlechter benotet werden als Schülerinnen. In der Lehrerausbildung sei gerechte Benotung bereits jetzt ein Thema, sagt Jürg Brühlmann, Leiter Pädagogik beim Lehrerverband LCH. «Aber wir müssen in der Weiterbildung und an den Schulen noch aktiver werden.»

Auch der Schweizerische Verband der Akademikerinnen (SVA) hat das Thema auf dem Radar. Am 8. April wird er einen Workshop durchführen, in dem Hofers Studie besprochen wird.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen