Der Bundesrat weist der Schweiz den Weg an die
digitale Weltspitze – und hofft auf die zügige Transformation ihres
Bildungswesens.
Kreative Solisten ohne Orchester, Solothurner Zeitung, 29.3. Kommentar von Hans Zbinden
Vor einem halben Jahr hat Wirtschafts- und
Bildungsminister Johann Schneider-Ammann den versammelten Medien stolz die
wegweisende Strategie «Digitale Schweiz» samt Aktionsplan vorgestellt. Mit ihr
soll Wirtschaft und Bevölkerung unseres Landes ein erfolgreicher Einbau der
Informations- und Kommunikationstechnologien ICT in ihren Alltag gelingen.
Dieser gesellschaftlich-kulturelle Umbruch aller
Lebensbereiche bedingt allerdings als Voraussetzung die digitale Transformation
des Bildungswesens selbst: Ein babylonisches Unterfangen mit einem Netzwerk von
11 000 Schulen in 2400 Gemeinden, 26 kantonalen Kleinstaaten und 18
Pädagogischen Hochschulen. Dazu mit unterschiedlichen Zuständigkeiten in den
zentralen Handlungsfeldern der Bildungsdigitalisierung: Die Kantone als
Verantwortliche für das Setzen von Normen und Standards, die Zusatzbildungen
der Lehrkräfte und die digitalen Lehrprogramme und -inhalte. Die Gemeinden als
Zuständige für das Benützungskonzept der technischen Infrastrukturen und
Endgeräte (Abgabe- oder Mitbringlösung).
Unter dem derzeitigen Koordinations- und
Kooperationsmanko im Bildungsbereich wird das Ziel einer flächendeckenden
informatischen Bildung mit mündig-kritischem Anspruch für alle immer mehr zur
Risikopassage im Erklettern der digitalen Weltspitze. Zwar wurden nach dem
Top-down-Prinzip von EDK und Bund rasch strategische Vorgaben und Aktionspläne
proklamiert. An der schulischen Basis in Schulhäusern und Gemeinden hingegen
wird der digitale Fortschritt eher nach dem Zufallsprinzip praktiziert.
Vorangetrieben vorwiegend durch gut gemeinte Soloinitiativen einzelner innovativer
Lehrpersonen, Schulleitender, Schulen und Behörden mit digitalen Affinitäten.
Das hat zur Konsequenz, dass wir heute schweizweit
grosse digitale Entwicklungsunterschiede zwischen Kantonen, Gemeinden und
Stufen im Bildungsraum konstatieren müssen. Mit längerfristig fatalen
Chancengleichheiten für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Deshalb stellt
sich die Frage: Wer orchestriert eigentlich alle die laufenden
Digitalisierungsbemühungen: Die von oben geforderten (Strategien von Bund und
EDK) und die von unten realisierten (zahlreiche Basisprojekte in Schulen,
Stufen und Fachbereichen) und erzeugt damit einen harmonischen digitalen Klang
im landesweiten Bildungswesen?
Ein neugieriger Blick auf die in der Schweiz
bereits weiter vorangeschrittene Wissenschaft und Wirtschaft könnte da
weiterhelfen. Im Anschluss an die Bundesratsstrategie hat das Staatssekretariat
für Wirtschaft Seco eine ausführliche Auslegeordnung und zentrale
Rahmenbedingungen zum Gelingen einer digitalen Schweizer Wirtschaft erstellt.
Dazu entwickelte die Universität St. Gallen ein «digitales Reifegrad-Modell».
Mit ihm lässt sich der aktuelle Entwicklungsstand einzelner Unternehmen und
Branchen feststellen. Mit diesen Instrumenten ist die Wirtschaft in der Lage,
rasch eigene digitale Stark- und Schwachstellen zu eruieren und zu justieren.
Im gemeinsam von Bund und EDK verantworteten
Bildungsraum Schweiz hingegen dominieren heute digitale Soloaktionen. Und
demzufolge auch ein nationales Kommunikations- und Absprachemanko zwischen Bund,
Kantonen, Gemeinden und Bildungsstufen. Ein Umstand, der ein wechselseitiges
«Schwarmlernen» der ganzen Bildungsgemeinschaft verunmöglicht. So mangelt es an
einer schweizweiten Übersicht der nachahmenswerten digitalen Projekte. Ebenso
fehlt ein Masterplan zur flächendeckenden Entwicklung eines digitalen
Bildungsraumes Schweiz.
Der Masterplan hätte alle die bereits vorhandenen
Strategien, Aktionspläne und Ressourceneinsätze für den digitalen Wandel auf
allen Ebenen miteinander zu verknüpfen. Eine Aufgabe, welche dem von EDK und
Staatssekretariat SFBI geschaffenen Koordinationsausschuss Digitalisierung in
der Bildung (KoA Digi) wie auf den Leib geschrieben wäre. Verlangt doch sein
Mandat: «Schafft kontinuierlich Voraussetzungen für eine kohärente gesamtschweizerische
Politik beim digitalen Wandel des Bildungswesens.»
Doch genau diese Voraussetzungen fehlen bis heute
für eine erfolgreiche Umsetzung.
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