Angesichts
knapper Finanzen kommt auch das Bildungssystem unter Druck: Wieso etwa steigt
die Zahl der Beschäftigten in Erziehung und Unterricht immer weiter, obwohl die
Schülerzahlen gesunken sind?
Von Geld und Geist, NZZ, 17.2. von Marc Tribelhorn |
Bildung sei unser einziger Rohstoff, predigen Politiker von links bis
rechts. Und sie liegen damit sicher nicht falsch. So wurde im letzten
Vierteljahrhundert kräftig geklotzt: Laut dem Bundesamt für Statistik
verdoppelten sich die öffentlichen Bildungsausgaben in der Schweiz zwischen
1991 und 2014 von 18,6 auf 36 Milliarden Franken. Während das Kostenwachstum
lange parallel zu den öffentlichen Gesamtausgaben verlief, ist seit 2008 sogar
eine Beschleunigung zu beobachten. Diese Investitionen in die eigenen Köpfe und
damit in die Zukunft des Landes waren wenig umstritten, solange der Wirtschaftsmotor
brummte. Doch seit sich die Finanzlage von Gemeinden, Kantonen und Bund
verschlechtert hat, steht auch das teure Bildungssystem wieder zur Disposition.
Es droht allenthalben der Sparhammer. Die Gretchenfrage der kommenden Jahre
lautet: Kann die öffentliche Hand weniger Geld ausgeben, ohne Abstriche bei der
Qualität zu machen?
Teure Sonderpädagogik
Wer im statistischen Dickicht nach den Kostentreibern sucht, wird
schnell fündig: Die Anzahl der Beschäftigten im Bildungssektor ist markant
gestiegen. Gab es 1991 in Erziehung und Unterricht noch rund 139 000
Arbeitsplätze, waren es Ende 2016 bereits 214 000 (in 100-Prozent-Stellen
gerechnet). Damit und mit den in verschiedenen Kantonen leicht angehobenen
Lehrerlöhnen lässt sich zumindest ein Teil des Wachstums erklären, schliesslich
macht die Besoldung der Lehrkräfte rund 50 Prozent der gesamten
Bildungsausgaben aus. Das Problem ist indes komplex.
So hatte etwa der demografische Wandel, der ab den 1990er Jahren
gesamtschweizerisch zu tieferen Schülerzahlen geführt hat, nicht automatisch
weniger Stellen im Bildungswesen zur Folge. Laut dem Bildungsökonomen Stefan
Wolter seien vielerorts einfach die Klassen verkleinert worden, was keine
Einsparungen gebracht habe. Im Gegenteil: «In den Gemeinden, in denen es immer
weniger Schüler gibt, sorgt die Nichtschliessung von Schulen und Klassen für
viel höhere Pro-Kopf-Kosten.» Aus Sicht der Lehrer sei der Wunsch nach
kleineren Klassen zwar nachvollziehbar, doch gebe es keine Indizien, dass sich
leicht grössere Klassen negativ auf die Schülerleistungen auswirkten.
Im Zuge der Schulreformen seien zudem die Tagesstrukturen ausgebaut
sowie im Bereich der sonderpädagogischen Massnahmen viele neue Stellen
geschaffen worden. Wolter spricht in diesem Zusammenhang auch von einer
«angebotsinduzierten Nachfrage». Soll heissen: Je mehr Sonderpädagogen an
Schulen eingesetzt werden, desto häufiger werden auch Diagnosen gestellt und
Förderprogramme für Schüler bereitgestellt. Gemäss Statistik ist ausserdem der
Bereich der tertiären Bildung, welche die Hoch- und Fachhochschulen umfasst, in
den letzten Jahrzehnten massiv ausgebaut worden, was sich nicht zuletzt in den
Personaletats spiegelt. So ist allein zwischen 2004 und 2013 die Anzahl der
Vollzeitstellen auf der Tertiärstufe von 10 000 auf über 15 000 gestiegen.
Silvia Steiner, die neue Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz,
erwähnt als kostentreibende Faktoren ebenfalls die Universitäten, den Aufbau
der Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen sowie die Einführung der
Berufs- und der Fachmaturität. Das Resultat sei jedoch erfreulich: «Die Leute
sind heute besser ausgebildet.» 1995 habe die Anzahl der Abschlüsse auf der
Tertiärstufe noch 22 Prozent betragen, 2014 waren es bereits 50 Prozent.
Diffuse Bildungsbürokratie
Geht es um die steigenden Kosten, verweisen Kritiker gerne auch auf die
«Bildungsbürokratie», die sich überproportional ausgebreitet habe – mit
Monitorings und immer neuen Reformen. Empirisch belegen lässt sich dies aber
nicht, wie Stefan Wolter festhält. Ohnehin sei das Sparpotenzial in diesem
Bereich vernachlässigbar. Zum Vergleich: Die Pisa-Studie kostet pro Jahr eine
Million Franken, die obligatorische Schule im gleichen Zeitraum 20 Milliarden
Franken.
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