Jeder fünfte Schulabgänger hat Mühe, einen Text zu verstehen. Wenig
erstaunlich, findet eine Expertin.
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Beim Leseverständnis schneiden Schweizer Schüler seit
der ersten Pisa-Studie von 2000 mittelmässig ab.
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Die Reformen im Bildungswesen, die nach dem Pisa-Schock
eingeführt wurden, haben bisher wenig Wirkung, wie der letzte
Pisa-Test zeigt.
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Didaktik-Professorin Claudia Schmellentin sieht vor allem Verbesserungspotenzial
bei den Lehrmitteln und im Fachunterricht.
Bessere Schulbücher braucht das Land, SRF, 20.2.
"Mit Deutschunterricht allein ist es nicht getan", Echo der Zeit, 20.2.
«Mit Deutschunterricht allein lernen Schüler das Verstehen von Texten
nicht wirklich», sagt Claudia Schmellentin. Die Professorin für Deutschdidaktik
ist überzeugt, dass es dazu auch den Fachunterricht braucht. Nur wenn auch
Biologie, Mathematik oder Geschichte verständlich vermittelt würden, erlangten
die Schüler die gewünschte Sicherheit beim Lesen.
Pisa-Reformen wirkungslos
Nach dem ersten Pisa-Schock im Jahr 2000 lancierte die Konferenz der
Erziehungsdirektoren einen Aktionsplan, der laut Schmellentin aber wenig
Wirkung gezeigt hat.
«Man wollte zu schnelle Lösungen. Es war zu wenig untermauert. Man kann
nicht einfach sagen: ‹Jetzt ist jeder Fachunterricht auch Sprachunterricht›. So
passiert nicht viel.»
Lehrmittel greifen zu hoch
Ein weiteres Problem ortet Schmellentin bei den Schulbüchern, von denen
viele schlecht seien. Die Deutsch-Didaktikerin hat kürzlich eine Studie
fertiggestellt, die untersucht, wie verständlich Biologie-Lehrbücher für
Sekundarschüler sind. Dabei habe sie festgestellt, dass «die Lehrmitteltexte
weit höhere Kompetenzen erfordern, als sie bei Schülerinnen und Schülern
vorhanden sind.»
Und dabei wären es nur kleine Kniffe, mit denen man die Lehrmitteltexte
verbessern könnte, wie Schmellentin betont. So seien Fachbegriffe nicht
erklärt, es gebe viele Fremdwörter und anderes Unverdauliches. Oft fehlten
einfachste Verständnishilfen, wie etwa Verweise auf Abbildungen, die in den
meisten Schulbüchern fehlten. «Es sind kleine Dinge, die dem Schüler helfen
würden.»
Es bräuchte nicht viel
Deshalb hat Schmellentins Team die untersuchten Texte im zweiten Teil
der Studie umgeschrieben. Bildbezüge wurden eingefügt, Begriffe erklärt oder
besser erklärt und mit Fragen ergänzt, die das Verstehen anregen sollen. Die
Test-Schüler schlossen dann im Leseverständnis besser ab.
Aus den Erkenntnissen der Studie entwickelten Schmellentin und ihr Team
Tipps für Lehrmittelautoren, wie sie ihre Texte an die «Verstehensmöglichkeit
der Lernenden» anpassen könnten.
Lehrplan 21 als Chance
Jetzt sei ein sehr guter Moment, um Lehrmittel genauer anzuschauen, sagt
Schmellentin. Mit dem neuen Lehrplan 21 wird sich bei den Schulbüchern ohnehin
viel verändern und Verlage wie auch Autoren hätten dafür offene Ohren.
Mit guten Schulbüchern allein sei es allerdings nicht getan, schränkt
Schmellentin ein. Um das Leseverständnis der Schüler zu verbessern, seien die
Fachlehrer selbst ebenso stark gefordert. «Das geht nicht von einem Tag auf den
andern. Es ist schon viel gemacht worden, aber wir haben noch viele Schritte zu
tun.»
Schwächen im Schulsystem sind also noch immer stark mitverantwortlich
dafür, dass es für viele Schüler beim Lesen oft einfach nicht weiter geht im
Text.
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