20. Februar 2017

Lehrmittel ungenügend

Jeder fünfte Schulabgänger hat Mühe, einen Text zu verstehen. Wenig erstaunlich, findet eine Expertin.

·         Beim Leseverständnis schneiden Schweizer Schüler seit der ersten Pisa-Studie von 2000 mittelmässig ab.

·         Die Reformen im Bildungswesen, die nach dem Pisa-Schock eingeführt wurden, haben bisher wenig Wirkung, wie der letzte Pisa-Test zeigt.

·         Didaktik-Professorin Claudia Schmellentin sieht vor allem Verbesserungspotenzial bei den Lehrmitteln und im Fachunterricht.

Bessere Schulbücher braucht das Land, SRF, 20.2. 


«Mit Deutschunterricht allein lernen Schüler das Verstehen von Texten nicht wirklich», sagt Claudia Schmellentin. Die Professorin für Deutschdidaktik 
ist überzeugt, dass es dazu auch den Fachunterricht braucht. Nur wenn auch Biologie, Mathematik oder Geschichte verständlich vermittelt würden, erlangten die Schüler die gewünschte Sicherheit beim Lesen.

Pisa-Reformen wirkungslos
Nach dem ersten Pisa-Schock im Jahr 2000 lancierte die Konferenz der Erziehungsdirektoren einen Aktionsplan, der laut Schmellentin aber wenig Wirkung gezeigt hat.

«Man wollte zu schnelle Lösungen. Es war zu wenig untermauert. Man kann nicht einfach sagen: ‹Jetzt ist jeder Fachunterricht auch Sprachunterricht›. So passiert nicht viel.»

Lehrmittel greifen zu hoch
Ein weiteres Problem ortet Schmellentin bei den Schulbüchern, von denen viele schlecht seien. Die Deutsch-Didaktikerin hat kürzlich eine Studie fertiggestellt, die untersucht, wie verständlich Biologie-Lehrbücher für Sekundarschüler sind. Dabei habe sie festgestellt, dass «die Lehrmitteltexte weit höhere Kompetenzen erfordern, als sie bei Schülerinnen und Schülern vorhanden sind.»

Und dabei wären es nur kleine Kniffe, mit denen man die Lehrmitteltexte verbessern könnte, wie Schmellentin betont. So seien Fachbegriffe nicht erklärt, es gebe viele Fremdwörter und anderes Unverdauliches. Oft fehlten einfachste Verständnishilfen, wie etwa Verweise auf Abbildungen, die in den meisten Schulbüchern fehlten. «Es sind kleine Dinge, die dem Schüler helfen würden.»

Es bräuchte nicht viel
Deshalb hat Schmellentins Team die untersuchten Texte im zweiten Teil der Studie umgeschrieben. Bildbezüge wurden eingefügt, Begriffe erklärt oder besser erklärt und mit Fragen ergänzt, die das Verstehen anregen sollen. Die Test-Schüler schlossen dann im Leseverständnis besser ab.

Aus den Erkenntnissen der Studie entwickelten Schmellentin und ihr Team Tipps für Lehrmittelautoren, wie sie ihre Texte an die «Verstehensmöglichkeit der Lernenden» anpassen könnten.

Lehrplan 21 als Chance
Jetzt sei ein sehr guter Moment, um Lehrmittel genauer anzuschauen, sagt Schmellentin. Mit dem neuen Lehrplan 21 wird sich bei den Schulbüchern ohnehin viel verändern und Verlage wie auch Autoren hätten dafür offene Ohren.

Mit guten Schulbüchern allein sei es allerdings nicht getan, schränkt Schmellentin ein. Um das Leseverständnis der Schüler zu verbessern, seien die Fachlehrer selbst ebenso stark gefordert. «Das geht nicht von einem Tag auf den andern. Es ist schon viel gemacht worden, aber wir haben noch viele Schritte zu tun.»

Schwächen im Schulsystem sind also noch immer stark mitverantwortlich dafür, dass es für viele Schüler beim Lesen oft einfach nicht weiter geht im Text.


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