Verfehlt der Lehrplan 21 sein Ziel? Verdrängt
kompetenzorientiertes Lernen die Wissensvermittlung? Und was geschieht bei
Annahme der Initiative «Ja zu einer guten Volksschule ohne Lehrplan 21»? Diese und weitere Fragen wurden am Samstag auf dem
Podium am Behördenseminar der Oberstufe Wasseramt Ost diskutiert.
Bildungssystem: Stärkung oder Zerstörung, Solothurner Zeitung, 16.1. von Beatrice Kaufmann
Vorher referierten Regierungsrat Remo Ankli,
Kantonsrat René Steiner sowie Lehrer und Autor Daniel Hunziker, wobei Erstere
ihre Argumente für und gegen den Lehrplan 21 ins Feld führten. Hunziker nahm
als ausserkantonaler Gast keine Position zur Abstimmung ein, sondern
veranschaulichte den Begriff «kompetenzorientiert».
Harmonisierung teilweise erreicht
Als Gegner des Lehrplans 21 befand sich René
Steiner auf dem Podium in der Minderheit, seine Argumente regten die Diskussion
aber zünftig an. So musste Yolanda Klaus (Departement für Bildung und Kultur,
DBK) zugeben, dass die Harmonisierung im Bereich der ersten Fremdsprache
gescheitert ist.
Vieles sei aber harmonisiert worden und
deckungsgleiche Lehrpläne nie das Ziel gewesen. Adrian van der Floe (Verband
der Schulleitenden) stützte diese Position und betonte, der Kanton Solothurn
könne sich keinen Alleingang leisten.
Hunziker stimmte Steiner zu und warf dem DBK gar
vor, bei der Umsetzung des Lehrplans zu wenig Verantwortung zu übernehmen.
Konkret sprach er Verlage an, die auf Basis des Lehrplans 21 Lehrmittel
erstellen und verkaufen.
Eine ungenügende Absprache hätten Lehrmittel mit
unterschiedlichen Zielen und Schwerpunkten zur Folge, was die Harmonisierung
untergräbt.
Was heisst «kompetenzorientiert»?
Der Begriff «kompetenzorientiert» ist im Lehrplan
21 zentral, laut Hunziker aber zu ungenau erklärt. Folglich ist der Begriff in
aller Munde, wird aber von jedem anders verstanden, weshalb Hunziker den
Begriff ausführlich erklärte.
So verfolge «kompetenzorientierter Unterricht» das
Ziel, dass Schülerinnen und Schüler ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in neuen Situationen
anwenden können. Das soll sie auf die Berufswelt vorbereiten, was der Sinn der
Schule sei.
Anhand eines Beispiels veranschaulichte Hunziker
das Prinzip und zeigte, wie wenig reines Fachwissen im Alltag nützt. So müssten
Schüler, die im Lager für 24 Leute Älplermakkronen kochen, Wissen aus dem
Unterricht anwenden, etwa Hohlmasse verstehen und Dreisatz rechnen.
Weiter plädierte Hunziker dagegen, immer alles
messen und benoten zu wollen. «Teamfähigkeit ist nicht unterrichtbar», dennoch
soll die Schule diese Kompetenz gemäss Lehrplan 21 vermitteln, weil die
Arbeitswelt sie verlangt.
Die Lösung sei es, Schülerinnen und Schülern
Möglichkeiten zu geben, im Team zu arbeiten, Erfahrungen zu sammeln und daraus
zu lernen.
Steiner blieb dennoch kritisch. In seinem Referat
hatte er auf Baden Württemberg verwiesen, wo die Kompetenzorientierung
«kläglich gescheitert ist». Der Lehrplan 21 werde das erfolgreiche
Bildungssystem zerstören, so seine Befürchtung.
Hunziker widersprach: Der Unterricht in Baden
Württemberg habe nur wenig mit Kompetenzorientierung zu tun. Aber gerade die
Berufsschule, die unser Bildungssystem so erfolgreich mache, funktioniere
kompetenzorientiert.
Elternhaus ist mitentscheidend
Dass die Schule nicht alleine für die Erziehung der
Kinder zuständig ist, rückte durch eine Frage aus dem Publikum ins Zentrum:
«Was sollen die Eltern und die Gesellschaft leisten?» Eine konkrete Antwort
fanden die Diskussionspartner nicht, man war sich aber schnell einig: Wer vom
Elternhaus gefördert wird, hat grössere Chancen in der Schule.
Weniger Förderung durch die Eltern müsse die
Volksschule ausgleichen, so Adrian van der Floe. Steiner befürchtete allerdings
eine Verschärfung des Problems, weil der Lehrplan 21 weniger Anleitung durch
den Lehrer und mehr Selbstständigkeit der Kinder vorsehe.
Weitere Voten aus dem Publikum sprachen sich
dennoch für ein zwar nicht perfektes aber immerhin einheitlicheres System in
Form des Lehrplans 21 aus.
So oder so hohe Kosten?
Auf die abschliessende Frage von Moderator Heinz
Urben, was je nach Ausgang der Abstimmung passiere, kündigten alle Parteien
hohe Kosten an. Klaus und van der Floe erklärten, dass bei einem Ja der
Lehrplan 92 nachgebessert werden müsse, was Kosten in der Höhe von mindestens
600000 Franken generiere.
Steiner hingegen vertrat die Ansicht, dass der
Lehrplan 21 nachgebessert werden müsse, da er sein Ziel verfehle und die
Qualität des Unterrichts senke. «Diese Verbesserung wird teuer.»
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