Mit dem Lehrplan 21 findet eine kleine Revolution statt: Medien und
Informatik werden offizieller Teil des Volksschulunterrichts. Doch es wird noch Jahre dauern, bis man die Vorgaben des Lehrplans auch wirklich flächendeckend umsetzen kann.
Eile mit Weile für "Medien und Informatik", Infosperber, 1.1. von Heinz Moser
Seit den 80er Jahren tut sich die öffentliche Schule mit den Medien
schwer. Immer wieder wurden zum Beispiel im Kanton Zürich Anläufe zur
Weiterbildung der Lehrpersonen in Medienbildung genommen, und es wurde
reichlich Geld in die Ausstattung mit Computern investiert. Trotz aller
Anstrengungen blieb die Nutzung der Computer im Unterricht auf einem
bescheidenen Niveau. Verbessert hat sich dagegen, dass Lehrerinnen und Lehrer
den PC häufiger zur Vor- und Nachbereitung einsetzen, weniger dagegen in der
direkten Arbeit mit den Lernenden. Mit dem Lehrplan 21 wird nun «Medien und
Informatik» offiziell und verpflichtend als Thema im Unterricht eingeführt.
In einer Gesellschaft, wo fast jeder im Alltag und am Arbeitsplatz eine
Vielzahl von Medien nutzt, ist dies auch notwendig. Wenn die Volksschule auf
das heutige Leben vorbereiten will, kann sie kein medienfreier Raum sein. Das
Fach «Medien und Informatik» soll dafür neuen Rückenwind geben. Dass dies rund
40 Jahre nach der Erfindung des PC noch keine Selbstverständlichkeit ist,
stellt an sich schon ein bedenkliches Zeichen dar. Der Autor dieses Artikels
schrieb schon 1986 ein Buch mit dem Titel «Der Computer vor der Schultür». Und
da steht er in manchen Schulen heute noch. Immerhin geht jetzt der Kanton
Zürich mit dem guten Beispiel voran: Dank dem Lehrplan 21 soll in der 5.–7. und
9. Klasse voraussichtlich neu eine Wochenlektion «Medien und Informatik»
unterrichtet werden.
Und nun noch die Informatik…
Eine ganz besondere Knacknuss wird die Vermittlung erster
Informatikkenntnisse in der Volksschule sein. Denn neben einer eher anwendungsorientierten
Thematisierung der Medien kommt die Informatik im Lehrplan 21 ebenfalls auf die
Schule zu. Gerade im Berufsbereich sind Informatikkenntnisse immer stärker
gefragt. So wurde in wirtschaftsnahen Kreisen in den letzten Jahren die
Förderung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) immer wieder
mit Nachdruck gefordert. Die «Hasler-Stiftung» sieht zum Beispiel darin einen
wichtigen Beitrag zum Wohl und Nutzen des Denk- und Werkplatzes Schweiz.
Allerdings fehlt es noch an fast allem, wenn man die Informatik auf der
Volkschulebene realisieren will. Eine Ausbildung von Dozenten der Informatik
fehlt ebenso wie Lehrmittel oder einführende Veranstaltungen an den
Pädagogischen Hochschulen. Die aktuellen Jahrgänge der Lehrpersonen, die ihre
Ausbildung abschliessen, sind noch in keiner Weise darauf vorbereitet, dass die
Informatik in Zukunft Teil des Unterrichts sein wird.
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Und es wird Jahre gehen, bis alle notwendigen Lehrkräfte ausgebildet
sind. So bedarf es mindestens weiterer 10-15 Jahre, bis ein solches Fach
flächendeckend in den schweizerischen Schulen greift. Es ist wohl eher die
Schneckenpost als ein Schnellzug, mit welcher das digitale Zeitalter für die
Schülerinnen und Schüler in den Schulen Einzug hält – und das ein halbes Jahrhundert
seit den ersten Diskussionen um Computer und Schule.
Der Autor war bis zu seiner Pensionierung (2013) an der PH Zürich im
Bereich der Medienpädagogik tätig.
Die radikale Lehrplan 21-Reform wird das Informatik-Problem verschärfen, weil mit der Umstellung vom bewährten Klassenunterricht auf das weniger effiziente «selbstgesteuerte Lernen» der «OECD-Kompetenzorientierung» (nach Weinert) mehr als die Hälfte des bisherigen Grundwissens nicht mehr gelernt wird. Das „selbstgesteuerte Lernen“ und die konstruktivistischen Lehrmittel drängen den «Lernbegleiter» förmlich aus dem Lernprozess hinaus, Lehrmittelzwang wird zum Methodenzwang. Auswendig Lernen ist beim Lehrplan 21 verpönt, Wissen anhäufen sei nicht mehr notwendig, weil man ja «googeln» könne und alles im Internet finde. Unsere Kinder werden mit dem Lehrplan 21 fundierte Information nicht von völligen Falschmeldungen unterscheiden können, wenn sie nicht über dieses verlässliche Grundwissen verfügen. Von 1200 Aargauer Primar- bis Mittelschullehrer lehnen rund 70% das «selbstgesteuerte Lernen», ab.
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