Gegner und Befürworter des Lehrplans 21 wollen eine
möglichst gute Aargauer Schule.Die Podiumsdiskussion mit 190 Besuchern in
Wohlen zeigte aber, wie unterschiedlich die Vorstellungen darüber sind, was
eine gute Schule ausmacht.
Warum der Gewerbeverband gegen die Initiative ist, Aargauer Zeitung, 11.1. von Jörg Meier
Grossandrang herrschte im Wohler Chappelehofsaal.
Rund 190 Interessierte waren auf Einladung der Freiämter Gewerbevereine
gekommen, um die Debatte über die Initiative «Ja zu einer guten Bildung – Nein
zum Lehrplan 21» mitzuerleben.
Nicht
weniger als acht Protagonisten diskutierten und stritten unter der Leitung von
Fabian Hägler, Ressortleiter Aargau der Aargauer Zeitung, über Sinn und Unsinn
der Initiative, über den Lehrplan 21 und letztlich darüber, woran die heutige
Schule krankt, was Schulbildung soll, was sie kann und wo ihre Grenzen liegen.
Gegen selbstgesteuertes Lernen
Den
Anfang machte Franco Corsiglia als Präsident der aargauischen Schulpflegen. Die
Initiative sei irreführend, sagte Corsiglia, da sie suggeriere, am 12. Februar
werde über den Lehrplan 21 abgestimmt. Das sei aber nicht der Fall. Abgestimmt
werde über eine Änderung von Paragraf 13 des aargauischen Schulgesetzes. Die
Initiative schaffe mehr Unsicherheit, als sie Fragen kläre, sie verhindere
einen zeitgemässen Lehrplan im Aargau, verursache höhere Kosten für Kanton und
Gemeinden und missachte letztlich auch den Volkswillen.
Die
absolute Gegenposition vertrat Mitinitiantin Elfy Roca. Sie hält den von den 21
Deutschschweizer Kantonen ausgearbeiteten Lehrplan 21 für ein missglücktes
Konstrukt. Er bringe weder die angestrebte Harmonisierung noch eine bessere
Schulbildung. Im Gegenteil: Der neue Lehrplan 21 führe zu einer Senkung des
Niveaus. Dabei blieben vor allem schwächere Schüler auf der Strecke. Roca
kritisierte weiter, dass der Lehrplan 21 auf dem Prinzip des selbstgesteuerten
Lernens basiere. Damit seien Kinder in der Unter- und Mittelstufe überfordert.
Die Initianten wollten erreichen, dass der neue Aargauer Lehrplan nicht auf der
Basis der Prinzipien des Lehrplans 21 entwickelt werden kann.
In
der sehr lebhaft geführten Diskussion erklärte Kurt Schmid als Präsident des
Aargauischen Gewerbeverbands, weshalb sein Verband gegen die Initiative ist:
«Anfänglich hatten wir eine gewisse Sympathie für die Initiative», sagte
Schmid. Aber der Wind habe inzwischen gedreht. Bildungsdirektor Alex Hürzeler
habe den Gewerbeverband eingeladen, bei der Ausgestaltung des neuen Aargauer
Lehrplans mitzuarbeiten. Das seien neue und gern gehörte Töne. «Der neue
aargauische Lehrplan soll nicht in einem Gesetz verankert werden, sondern muss
in der Verantwortung der Exekutive bleiben», sagte Schmid. Auch darum sei der
Verband gegen die Initiative, die eine Festschreibung gewisser Vorgaben im
Gesetz fordere.
Aus
Elternsicht argumentierte die Mittelschullehrerin Ariane Roth für die
Initiative: Sie beklagte den unstrukturierten Unterricht, dass vielfach nur
noch Sammelwissen vermittelt werde, dass es kaum Übungsmaterial gebe, die
Eltern oft mit dem Frust von Kindern konfrontiert würden, die vom
selbstgesteuerten Lernen überfordert seien. Das Raunen im Saal zeigte, dass
andere Eltern wohl ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Applaus
erntete Hermann Bütler, Lehrmeister in einem Elektrogeschäft in Muri, als er
erklärte, wo er Handlungsbedarf sieht: «An den heutigen Lehrlingen vermisse ich
Tugenden wie Anstand, Motivation oder Durchhaltewillen.» In manchen Punkten
könne er die Kritik der Initianten an der aktuellen Schule verstehen, ja er
teile sie gar, sagte Sekundarlehrer Thomas Leitch, Präsident der
Bildungskommission des Grossen Rates. «Aber ich komme zu einem ganz anderen
Schluss: Die notwendigen Veränderungen lassen sich mit der Initiative nicht
erreichen».
Keine Volksabstimmung
Harald
Ronge, Bezirkslehrer in Bremgarten und Mitglied im Initiativkomitee, war
überzeugt, dass bei einer Ablehnung der Initiative der neue Lehrplan das
angestrebte Hauptziel «Harmonisierung» verfehlen werde, dass aufgrund der
seiner Meinung nach ungenügenden Lehrmittel das Unterrichten schwieriger werde
und das Niveau kaum besser.
Thomas
Leitch hielt fest, dass die Bevölkerung nicht über den neuen Aargauer Lehrplan
wird abstimmen können. Vielmehr werde der Regierungsrat diesen verabschieden
und in Kraft setzen.
Die
folgende Publikumsdiskussion entfernte sich zunehmend von der Thematik; so
wurde eine Verschwörungstheorie vermutet, die integrative Schulung angezweifelt
und gefragt, ob es gut sei, dass im Sprachunterricht an der Unterstufe Fehler
nicht mehr korrigiert werden.
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