In einem Schreiben wendet sich die baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport an Ihre Schulleitungen und Lehrerkollegien. Grund dafür sind die Rechtschreibdefizite gegenüber anderen Bundesländern. Frau Ministerin Eisenmann fordert die zentrale Verankerung der Rechtschreibung von Anfang bis zum Ende der Grundschulzeit. Ebenfalls soll wieder vermehrt auf eine leserliche Handschrift geachtet werden.
Orthografie, Schriftspracherwerb und Schrift in der Grundschule, Baden-Württemberg, 7. 12.
Sehr
geehrte Schulleiterinnen und Schulleiter, sehr geehrte Lehrkräfte,
das
lnstitut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (lOB) Berlin hat Ende
Oktober 2016 den Ländervergleich für die Sekundarstufe I in den Sprachen
(Deutsch- Lesen, Zuhören, Orthografie und Englisch und Französisch- Lese- und
Hörverstehen) veröffentlicht. Für Baden-Württemberg wurden Defizite aufgezeigt,
aus denen sich Handlungsbedarf ergibt. lnsbesondere die Ergebnisse in der
Rechtschreibung sollten uns alle beschäftigen und zum Nachdenken und Handeln
anregen.
ln
unserer Gesellschaft hat die Richtigschreibung von Wörtern nicht mehr den
Stellenwert, der ihr als Kulturtechnik zukommen sollte - man denke nur an die
,,schreib-und tipp-wie-du-sprichst" - Methode, die über das Mobiltelefon
und den Computer Einzug gehalten hat. Auch eine Unterrichtsmethodik und
-didaktik, die der Rechtschreibung nicht den zentralen Stellenwert gibt oder
diese zu spät berücksichtigt, ist wenig hilfreich, um korrektes Schreiben zu
verankern. Hier müssen wir gegensteuern und Rechtschreibung von Anfang an
gezielt üben.
Richtiges
Schreiben ist ebenso wie Lesen und Rechnen eine Schlüsselkompetenz, die in der
Schule erworben wird und die wieder gestärkt werden muss. Der Erwerb dieser
Kompetenz darf weder vernachlässigt werden noch nebenbei erfolgen.
Systematisches (Ein-)Üben ist ebenso wichtig wie Kontinuität. Deshalb ist es
mir wichtig, dass richtiges Schreiben nicht erst zum Ende der zweiten oder in
der dritten Klasse, sondern von Beginn der Grundschulzeit an konsequent
angeleitet wird. Darüber hinaus darf dies auch nicht mit Ende der
Grundschulzeit als erledigt betrachtet.
Entscheidend
dafür ist lhr Unterricht: ein Unterricht, der Rechtschreibung in jedem
Fachunterricht verankert und ab Beginn der Grundschulzeit berücksichtigt. ln
den letzten Jahren setzten sich Unterrichtskonzepte durch, die von Anlauten
ausgehen. Die Kinder sollen dabei Anlaute aus einzelnen Bildwörtern
heraushören, isolieren und zu eigenen Wörtern neu zusammensetzen. Dies führt
häufig zu einem unangemessen langen Verharren der Schülerinnen und Schüler in
der Phase der alphabetischen Stufe und wirkt einem frühen systematischen
Rechtschreibunterricht eher entgegen.
Schreibaktivitäten
von Kindern, die primär von sprachlichen Lautelementen bestimmt sind und die
Rechtschreibstrategien und die notwendige Fehlersensibilität vernachlässigen,
führen zwar eher zum kreativen Schreiben, ziehen häufig aber Fehler bei der
Rechtschreibung nach sich. Beobachtbar ist eine Vielzahl an ,,individuellen
Schreibungen" eines Wortes, wodurch das Einüben der korrekten Schreibweise
erschwert wird. Deshalb ist es aus meiner Sicht zwingend erforderlich, dass
orthografische Fehler von Anfang an konsequent korrigiert werden.
Auch
dem Erlernen einer leserlichen Handschrift, wie sie über den Bildungsplan und
die KMK bis zum Ende der Grundschulzeit eingefordert wird, messe ich große
Bedeutung bei. lch sehe hier auch einen starken Zusammenhang zur
Rechtschreibung. Wenn ein Kind seine Schreibschrift nicht lesen kann, wird es
auch Fehler nicht wahrnehmen können. ln der Grundschule gibt es Noten für
,,Schrift und Gestaltung". Daraus resultierend ist es wichtig, leserliches
Schreiben bewusst zu üben. Nur wenn Kinder fließend und unverkrampft schreiben
können, können sie leserlich schreiben und das Augenmerk auf die
Rechtschreibung und Fehlersensibilität lenken.
Das
Erlernen des Schreibens hat in der Grundschule einen hohen Stellenwert für die
Kinder, die Eltern und die Schulen. Eine lebhafte Auseinandersetzung darüber
wurde in Fachdiskussionen sowie in öffentlichen Diskussionen geführt.
lm
Bildungsplan 2004 sind als Schreibschriften die Lateinische Ausgangsschrift
(LA) und die Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) verankert. Mit dem Schuljahr
201612017 trat ein neuer Bildungsplan, zunächst für die Klassen 1 und 2 der
Grundschule, in Kraft. Darin sind keine Vorgaben zur Art der Schreibschrift
verankert. Es wird ausgeführt, dass, ausgehend von der Druckschrift und einer
verbundenen Schrift, eine gut lesbare Handschrift entwickelt werden soll.
Die
Entwicklung einer individuellen, lesbaren und flüssig geschriebenen Handschrift
ist eine Kompetenz, über die Schülerinnen und Schüler am Ende der
Grundschulzeit verfügen sollen. Das Erlernen einer verbundenen Schrift stellt
dabei einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer individuellen Handschrift dar.
Nach
Abwägung unterschiedlicher Argumente habe ich nun entschieden, den Grundschulen
weiterhin ausschließlich die Wahl zwischen Lateinischer Ausgangsschrift (LA)
und Vereinfachter Ausgangsschrift (VA) zu überlassen und gleichzeitig die
Wahlmöglichkeit auf diese zu beschränken.
Abschließend möchte ich Sie nochmals bitten,
die Rechtschreibung vom Anfang bis zum Ende der Grundschulzeit zentral in jedem
Unterricht zu verankern und systematisch zu üben. Methoden, bei denen Kinder
monate- beziehungsweise jahrelang nicht auf die richtige Rechtschreibung achten
müssen, sind hingegen nicht mehr zu praktizieren. Messen Sie bitte auch der
leserlichen Handschrift wieder mehr Bedeutung bei! Dabei vertraue ich auf lhre
pädagogische Verantwortung und die Erfüllung lhres Bildungsauftrags und hoffe,
dass unsere Kinder damit von Anfang an mehr Rechtschreibsicherheit erlangen.
Wir
werden Sie bei der Weiterentwicklung des Rechtschreibunterrichts durch
verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise Handreichungen, verstärkte
Fortbildungsangebote und Fachtage unterstützen. Bitte nehmen Sie diese Angebote
an, damit wir gemeinsam die Qualität des Unterrichts durch die verstärkte
Vermittlung von Rechtschreibetechniken verbessern.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr.
Susanne Eisenmann
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