Der gesamte Schul- und Studienbereich wird
seit einiger Zeit von einer zunehmenden Anzahl Experten bearbeitet. Eine sich
immer schneller drehende Reform-Maschine hat ihn erfasst und nicht mehr zur
Ruhe kommen lassen. Viele Dringlichkeiten traten an die Stelle klarer
Zielsetzungen.
Als mächtigstes Antriebsrad in diesem Mechanismus haben sich die
Pädagogischen Hochschulen etabliert. Sie verstehen sich als Steuerungsorgan des
gesamten Erziehungsbereichs. Sie liefern die Konzepte für Schulaktivitäten auf
allen Stufen. Lehrpersonen sind aus dieser Perspektive Ausführende von
vorgegebenen Techniken. Erziehungsdirektionen und ihre Verwaltungen übernehmen
die Konzepte gerne, weil sie ihnen den besten Zugriff auf die Angestellten im
Erziehungsbereich in die Hand geben. Als Relais werden dabei oft die
Schulleitungen genutzt.
Solche Lehrer braucht das Land, Basler Zeitung, 26.11. von André Vanoncini und Daniel Goepfert
Besonders beliebt bei den Bildungsmanagern ist zurzeit das
sogenannte «Classroom walkthrough». Hinter dem verharmlosenden Begriff
versteckt sich ein neues Führungsinstrument zur nachhaltigen
Unterrichtsentwicklung, das jährlich zehn bis 15 Unterrichtsbesuche durch
den Schulleiter à sieben bis zehn Minuten vorsieht.
Weder die Schulen noch die Hochschulen sollten aber einem
Wirtschaftsbetrieb gleichgestellt werden. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung
wünscht sich nach wie vor, dass am Ende einer Schulkarriere demokratie- und
gesellschaftsfähige Menschen in die Arbeitswelt treten. Um diesem Ziel
nahezukommen, braucht es Lehrpersonen, die ihre Fächer beherrschen und ihre
Rolle als Kulturvermittler und Demokratievorbilder wahrnehmen.
Souverän
will Mitspracherecht
In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen, dass ein wachsender
Teil der Bevölkerung nicht mehr bereit ist, den Wahrheitsanspruch von Experten
zur Legitimierung von Reformen vorbehaltlos zu akzeptieren. Immer stärker wird
das Recht auf Information, Konsultation und Mitsprache eingefordert. Im Kanton
Baselland hat der Souverän die Einführung sogenannter Sammelfächer verworfen.
Er wünscht sich Lehrpersonen mit solidem Einzelfachwissen und nicht polyvalent
einsetzbare Schultechniker. Auch beabsichtigen Landrat und Regierung, den neuen
Lehrplan mit verbindlichen Inhaltszielen für jede Stufe und jeden Jahrgang zu
versehen. Initiativen mit ähnlichen Forderungen werden bald in anderen Kantonen
zur Abstimmung kommen.
In eine vergleichbare Richtung zielen die Bemühungen der «Gruppe
für eine bessere Sekundarlehramtsausbildung» (GBS). Sie fordert seit Jahren,
den fachwissenschaftlichen Anteil am Sek-I-Studium auszubauen und aufzuwerten.
Sie hat für dieses Anliegen die Unterstützung von Lehrerverbänden und Gewerkschaften
der Kantone Basel-Stadt, Baselland, Aargau und Solothurn erhalten.
Grundsätzlich verlangt sie, dass zukünftige Sekundarlehrpersonen
ein Studium mit mindestens 50 Prozent Fachwissenschaft in maximal drei
Fächern ablegen sollen (statt wie bisher 20 Prozent Fachwissenschaft in
drei oder mehr Fächern). Der fachwissenschaftliche Teil soll durch die Universität
unterrichtet werden; Erziehungswissenschaft, Didaktik und Berufspraxis sollen
von der Pädagogischen Hochschule verantwortet werden.
Die Universität besitzt die notwendigen Kapazitäten, um diese
Aufgabe zu übernehmen. Den künftigen Sek-I- Studierenden böte sie die
Möglichkeit, mit einem Fachbachelor abzuschliessen, um dann bei Bedarf auf
Masterstufe weitermachen zu können.
Praxistaugliche
Lehrer gefragt
Obschon auch bei der Universität mit dem Bologna-System ein
ökonomisches Zweckdenken Einzug gehalten hat, hat sie den Reformweg mit
Vorsicht beschritten und ist – gerade in Basel – ihrem
Selbstverständnis als Volluniversität weitgehend treu geblieben.
Die Pädagogische Hochschule hingegen versucht, den
fachwissenschaftlichen Bereich möglichst klein zu halten. Sie betrachtet ihn
als sekundär gegenüber ihren anderen Unterrichtsgebieten. Das ist ihr
grundsätzlich nicht zu verübeln, besteht ihre Hauptaufgabe doch darin,
zukünftige Lehrpersonen praxistauglich zu machen.
Die Region Basel hat hervorragende Voraussetzungen, um die
Aufgabenteilung zu realisieren. Das Zusammenspannen von Universität und
Pädagogischer Hochschule mit dem Einbringen der jeweiligen Stärken ist an
diesem Standort ein Gebot der Stunde. Es bietet die Chance, die
kostentreibenden Doppelspurigkeiten zu beseitigen.
Mit einer solchen Lösung würde das Zusammenspiel von Ausbildung
und Bildung als identitätsstiftende Grundlage für Lehrpersonen und
Schülerschaft gewährleistet. Es darf nicht sein, dass unsere Jugend als
messbares Humankapital für gewinnbringende Investitionen in die Zukunft
behandelt wird. Unser Land ist mit Recht stolz darauf, eine der ältesten
Demokratien zu sein. Damit dies so bleibt, sind alle aufgerufen, sich als
verantwortungsvolle Bürger den laufenden Entmündigungsversuchen
entgegenzustellen.
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