26. November 2016

Praxistaugliche Lehrer gefragt

Der gesamte Schul- und Studienbereich wird seit einiger Zeit von einer zunehmenden Anzahl Experten bearbeitet. Eine sich immer schneller drehende Reform-Maschine hat ihn erfasst und nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Viele Dringlichkeiten traten an die Stelle klarer Zielsetzungen.
Als mächtigstes Antriebsrad in diesem Mechanismus haben sich die Pädagogischen Hochschulen etabliert. Sie verstehen sich als Steuerungsorgan des gesamten Erziehungsbereichs. Sie liefern die Konzepte für Schulaktivitäten auf allen Stufen. Lehrpersonen sind aus dieser Perspektive Ausführende von vorgegebenen Techniken. Erziehungsdirektionen und ihre Verwaltungen übernehmen die Konzepte gerne, weil sie ihnen den besten Zugriff auf die Angestellten im Erziehungsbereich in die Hand geben. Als Relais werden dabei oft die Schulleitungen genutzt.
Solche Lehrer braucht das Land, Basler Zeitung, 26.11. von André Vanoncini und Daniel Goepfert


Besonders beliebt bei den Bildungsmanagern ist zurzeit das sogenannte «Classroom walkthrough». Hinter dem verharmlosenden Begriff versteckt sich ein neues Führungsinstrument zur nachhaltigen Unterrichtsentwicklung, das jährlich zehn bis 15 Unterrichts­besuche durch den Schulleiter à sieben bis zehn Minuten vorsieht.
Weder die Schulen noch die Hochschulen sollten aber einem Wirtschaftsbetrieb gleichgestellt werden. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich nach wie vor, dass am Ende einer Schulkarriere demokratie- und gesellschaftsfähige Menschen in die Arbeitswelt treten. Um diesem Ziel nahezukommen, braucht es Lehrpersonen, die ihre Fächer beherrschen und ihre Rolle als Kulturvermittler und Demokratievorbilder wahrnehmen.
Souverän will Mitspracherecht
In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr bereit ist, den Wahrheitsanspruch von Experten zur Legitimierung von Reformen vor­behaltlos zu akzeptieren. Immer stärker wird das Recht auf Information, Konsultation und Mitsprache eingefordert. Im Kanton Baselland hat der Souverän die Einführung sogenannter Sammelfächer verworfen. Er wünscht sich Lehrpersonen mit solidem Einzelfachwissen und nicht polyvalent einsetzbare Schultechniker. Auch beabsichtigen Landrat und Regierung, den neuen Lehrplan mit verbindlichen Inhaltszielen für jede Stufe und jeden Jahrgang zu versehen. Initiativen mit ähnlichen Forderungen werden bald in anderen Kantonen zur Abstimmung kommen.

In eine vergleichbare Richtung zielen die Bemühungen der «Gruppe für eine bessere Sekundarlehramtsausbildung» (GBS). Sie fordert seit Jahren, den fachwissenschaftlichen Anteil am Sek-I-Studium auszubauen und aufzuwerten. Sie hat für dieses Anliegen die Unterstützung von Lehrerverbänden und Gewerkschaften der Kantone Basel-Stadt, Baselland, Aargau und Solothurn erhalten.

Grundsätzlich verlangt sie, dass zukünftige Sekundarlehrpersonen ein Studium mit mindestens 50 Prozent Fachwissenschaft in maximal drei Fächern ablegen sollen (statt wie bisher 20 Prozent Fachwissenschaft in drei oder mehr Fächern). Der fachwissenschaftliche Teil soll durch die Univer­sität unterrichtet werden; Erziehungswissenschaft, Didaktik und Berufspraxis sollen von der Pädagogischen Hochschule verantwortet werden.
Die Universität besitzt die notwendigen Kapazitäten, um diese Aufgabe zu übernehmen. Den künftigen Sek-I- Studierenden böte sie die Möglichkeit, mit einem Fachbachelor abzuschlies­sen, um dann bei Bedarf auf Masterstufe weitermachen zu können.
Praxistaugliche Lehrer gefragt
Obschon auch bei der Universität mit dem Bologna-System ein ökonomisches Zweckdenken Einzug gehalten hat, hat sie den Reformweg mit Vorsicht beschritten und ist – gerade in Basel – ihrem Selbstverständnis als Volluniversität weitgehend treu geblieben.
Die Pädagogische Hochschule hingegen versucht, den fachwissenschaft­lichen Bereich möglichst klein zu halten. Sie betrachtet ihn als sekundär gegenüber ihren anderen Unterrichtsgebieten. Das ist ihr grundsätzlich nicht zu verübeln, besteht ihre Hauptaufgabe doch darin, zukünftige Lehrpersonen praxistauglich zu machen.

Die Region Basel hat hervorragende Voraussetzungen, um die Aufgabenteilung zu realisieren. Das Zusammen­spannen von Universität und Pädagogischer Hochschule mit dem Einbringen der jeweiligen Stärken ist an diesem Standort ein Gebot der Stunde. Es bietet die Chance, die kostentreibenden Doppelspurigkeiten zu beseitigen.
Mit einer solchen Lösung würde das Zusammenspiel von Ausbildung und Bildung als identitätsstiftende Grundlage für Lehrpersonen und Schülerschaft gewährleistet. Es darf nicht sein, dass unsere Jugend als messbares Humankapital für gewinnbringende Investitionen in die Zukunft behandelt wird. Unser Land ist mit Recht stolz darauf, eine der ältesten Demokratien zu sein. Damit dies so bleibt, sind alle aufgerufen, sich als verantwortungsvolle Bürger den laufenden Entmün­digungsversuchen entgegenzustellen.


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