2. Oktober 2016

SVP überdenkt Opposition in Schulfragen

SVP-Parteipräsident Albert Rösti erwartet demnächst Besuch aus St. Gallen. SVP-Bildungsdirektor Stefan Kölliker will mit Rösti und anderen Mitgliedern der Parteileitung die offizielle Position der SVP Schweiz in Schulfragen diskutieren, wie er sagt. Grund für den Besuch, den er diese Woche im «St. Galler Tagblatt» ankündigte, ist das deutliche Nein in der Abstimmung vom letzten Sonntag in seinem Kanton zum Austritt aus dem Harmos-Konkordat.
SVP: Opposition bei Schulfragen bröckelt, NZZaS, 2.10. von René Donzé


«Es würde Ruhe in die Schule bringen, wenn die Generalopposition gegen Harmos, gegen den Lehrplan 21 und gegen zwei Fremdsprachen an der Primarschule hinterfragt und allenfalls aufgegeben würde», sagt Kölliker. Er ist nicht der einzige SVP-Bildungsdirektor, der sich an der Obstruktionspolitik der Partei stört. Rösti will sich vor der Aussprache nicht inhaltlich zu Köllikers Forderung äussern, zeigt sich aber offen für eine Diskussion.
Das sind neue Töne aus jener Partei, die heftige Opposition in diesem Dossier betrieben hat. Angetrieben von Silvia Blocher, hatte die SVP Schulpolitik zur Priorität erklärt und mit Ulrich Schlüer einen Mann zum Bildungschef ernannt, der gerne mit dem Zweihänder argumentiert. 2014 hatte die Partei noch unter Toni Brunner den Übungsabbruch beim Lehrplan 21 verlangt. Und Anfang 2015 schrieben die Delegierten den Kampf gegen den Lehrplan 21 ins Parteiprogramm.

Doch seither kam nicht mehr viel Schulpolitisches von der SVP Schweiz. Der Kampf wird, wenn überhaupt, noch auf kantonaler Ebene ausgetragen. Das hat mehrere Gründe. Erstens haben sich die Prioritäten der nationalen Partei verändert. «Andere für das Land sehr drängende Probleme verlangen nun unseren vollen Einsatz», sagt Schlüer. Zuoberst auf der Liste stehen der Kampf gegen ein Rahmenabkommen mit der EU, die Einwanderungsfrage und die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter». «Mein bildungspolitisches Engagement muss zwangsläufig zurückstehen», sagt Schlüer.

Zweitens sind es personelle Gründe: Die SVP-Fraktion im Bundeshaus hat mit Ulrich Schlüer und Oskar Freysinger die beiden lautesten Schulkritiker verloren. Und seit Schlüer das Dossier abgegeben hat, sind die Zuständigkeiten nicht mehr klar. Die Parteileitung geht davon aus, die beiden Nationalräte Peter Keller (Nidwalden) und Felix Müri (Luzern) hätten den Lead. Andere wiederum sagen, es sei die Thurgauer Nationalrätin Verena Herzog zuständig, die dort gegen das Frühfranzösisch kämpft.

Drittens ist die Partei viel stärker in die massgebenden Gremien eingebunden. In der von der SVP früher oft kritisierten Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) sitzen sechs SVP-Bildungsdirektoren. «Die SVP fühlt sich nicht mehr so ausgeschlossen aus der Bildungspolitik, seit wir in der EDK gut vertreten sind», sagt der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss. «Die Partei muss dabei auch Verantwortung mittragen.» Das Verständnis der Partei für die Positionen der EDK sei gewachsen, sagen mehrere SVP-Bildungsdirektoren. Umgekehrt habe die Partei nun vermehrt direkten Einfluss auf die EDK.

Auch in der Bildungskommission des Nationalrats ist die SVP besser integriert. So sitzt dort der Parteipräsident selber, und mit Felix Müri stellt die Partei den Kommissionspräsidenten. Er ist ein gemässigter SVP-Mann, der auch Sätze sagt wie: «Eine gewisse Schul-Harmonisierung ist nötig.» Und: «Es dürfen auch durchaus zwei Fremdsprachen an der Primarschule sein.» Im Vordergrund stehe, dass die Kantone die Bildungshoheit behielten. Etwa wenn es darum geht, eine Bundesintervention in der Sprachenfrage abzuwenden. «Ich suche nicht Konfrontation, sondern Lösungen», sagt Müri. Damit liegt er auf derselben Linie wie der St. Galler Bildungsdirektor Kölliker. Die Ausgangslage für ein fruchtbares Gespräch scheint so gut wie schon lange nicht mehr zu sein.

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