18. Oktober 2016

Freche Kinder

Ein Waldmorgen in einem Kindergarten bei Luzern, Thema Schnecken. Plötzlich steht ein Bub auf und zertritt mit Getöse eine grosse Weinbergschnecke. Entsetzen, die anderen Kinder weinen. Als die Kindergärtnerin später den Vater des Knaben auf den Vorfall anspricht, entgegnet dieser bloss: «Mein Sohn ist halt kein verzärteltes Weichei.»
Kinder, die schubsen, anderen immer wieder ein Bein stellen, lärmend durch den Kindergarten rennen oder sich total verweigern – und Eltern, die das entschuldigen: Brigitte Fleuti kennt das Phänomen bestens. Die Präsidentin des Verbands Kindergarten Zürich ist seit 30 Jahren Kindergärtnerin und sagt: «So schlimm wie heute war es noch nie.» Natürlich habe es schon immer schwierige und freche Kinder gegeben, aber «jetzt ist ein Mass erreicht, das so nicht mehr geht, der Unterricht wird teilweise massiv gestört». Ihr tun besonders die anständigen Kinder leid, die oft viel zu kurz kommen, wenn sich immer alles um die Störenfriede dreht.
Grenzen setzen ist schwierig geworden für Eltern, Bild: Hanna Jaray und Vanessa Bachmann
Generation Nervensäge, Beobachter, 14.10. von Birthe Homann und Tanja Polli
 
Das Volksschulamt des Kantons Zürich hat letztes Jahr auf die Klagen der Kindergärtnerinnen rea­giert und eine Arbeitsgruppe eingesetzt zum Thema «Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten im Kindergarten». Als häufigste Ursache für das Fehlverhalten der Kinder nannten die Lehrpersonen deren Eltern. Dabei ging es um Verwahrlosung, Überbehütung, Reiz­armut oder Reizüberflutung und übermässigen Medienkonsum.
Einen Auslöser für die massiven ­Störungen vieler Kinder ortet der ­deutsche Psychiater Michael Winterhoff in der digitalen Revolution. Eine Folge: «Mehr als die Hälfte der heutigen Jugendlichen hat Mühe, den Übertritt ins Arbeitsleben zu schaffen», warnt der umstrittene Bestsellerautor im Interview.

Es droht uns eine Generation entwicklungsgestörter Kinder, die nur noch nach dem Lustprinzip funktionieren, warnt der umstrittene Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff.

Wie weit die Störungen gehen können, zeigen Müsterchen aus der Klasse von Primarlehrerin Monika Saland*. «Hoi, du blöde Kuh», wird sie von einer Erstklässlerin begrüsst. Eine Strafaufgabe ändert nichts am Verhalten, und die Mutter des Mädchens findet, die Lehrerin provoziere die Kleine. Wenn ­Saland die Kinder auffordert, zu ihr ans Pult zu kommen, hört sie nicht selten Sprüche wie: «Du kannst ja selber kommen, wenn du etwas willst.»

Diese Respektlosigkeit sei ein ­neues Phänomen, sagt Saland. Sie ­unterrichtet seit 35 Jahren im Raum Zürich. «Ich muss heute oft den Schulleiter holen, weil ich allein nicht mehr zurechtkomme.» Dazu kämen Eltern, die mit Aufsichtsbeschwerden drohten, wenn sie auf die Provokationen der Kinder so reagiere, wie sie es für angemessen halte.
Saland fällt auf, dass sich manche Eltern an Elternabenden ähnlich re­spektlos verhalten. Und dass viele nur das eigene Kind im Fokus haben. «Das Argument, dass die Schule für alle passen muss, zählt kaum noch.»

«Immer mehr Kinder können sich nicht in eine Gruppe einordnen», sagt Kindergärtnerin Sarah Winkler* aus Frauenfeld. «Wenn ich die Klasse bitte, in den Kreis zu kommen, höre ich oft ‹kei Luscht›.» Falls sie dann eins der Kinder am Arm in den Kreis führe, heisse es nicht selten: «Du darfst mich nicht anfassen.» Solche Szenen seien früher die Ausnahme gewesen, heute Alltag, sagt die 36-Jährige, die seit zehn Jahren unterrichtet.
Trotz den alarmierenden Feststellungen der Kindergärtnerinnen kam das Volksschulamt des Kantons Zürich zum Schluss, dass eine Broschüre mit dem Titel «Stärkung der Regelschule im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten» sowie spezifische Weiterbildungen als Massnahmen reichten.

Dagegen fordert Kindergarten-Verbandspräsidentin Fleuti eine Reduk­tion der Klassengrössen, mehr Halbklassenunterricht und einen Topf mit zusätzlichen Stellenprozenten für Not­situationen. Dazu die Möglichkeit von Time-outs bei gravierenden Fällen.

Fleuti stellt fest, dass Eltern heute oft einfach nur von ihren Kindern geliebt werden wollen, statt sie zu erziehen. «Erziehen ist Knochenarbeit. Grenzen setzen ist schwierig», sagt sie. Doch viele Eltern ertrügen es nicht, den Kindern etwas abzuverlangen. Wenn sich aber alles nur noch um Bedürfnisse, Absichten und Vorlieben des Kindes drehe, komme die soziale Entwicklung zu kurz. Wer ständig im Mittelpunkt stehe, sei auch später auf die Aufmerksamkeit anderer angewiesen und habe Mühe, Rücksicht zu nehmen.


1 Kommentar:

  1. Guten Tag! Absolut richtig! Ich bin 42 alt und habe selber zwei wunderbare, tolle, respektvolle Kinder.
    Eine gute und gerechte Frage, die ich mir selber immer stelle: "WARUM die heutige Kinder so abnormal sind?!"
    Wir wohnen gerade vor dem Schulhaus und Kindergarten. Das ist sehr schlimm für uns, denn wir selber sind sehr anständig und mögen kein Lärm.
    Und meine Kinder habe ich problemlos mit Respekt gegenüber anderen erziehen können! Das war auch überhaupt nicht schwierig für mich! Sie waren noch klein, aber haben es schon dann verstanden, dass schreien, brüllen (vor allem in der Öffentlichkeit und ÖV) einfach nicht erlaubt ist, aus einfachen Grund, weil sie eben nicht alleine auf der Welt sind! Es leben auch andere Meschen da! Vielleicht ist jemand traurig, vielleicht müde, vielleicht sogar krank. Was auch immer! Benimm dich einfach anständig und Punkt.
    Ich habe für meine zwei Kinder immer nur Lob bekommen, seit sie klein sind und viele wunderten sich, wie anständig und respektvoll sie sind. Für mich war diese Art Erziehung jedoch vollkommen normal!
    Jetzt sind sie schon beide Teenager und ertragen selber solche unanständige, mit Wut und Hass gefüllte Kinder, die es eben leider in den Massen gibt, absolut nicht!
    Sie wollen respektvolle und anständige Ebene haben und nicht irgendwelche agressive, ständig schreiende, sich wegen Kleinigkeiten einschnappende, r e s p e k t l o s e Kinder um sich, denn sowas erschöpft einfach. Ist auch logisch. Leider ist es sehr selten zu finden. Die meisten Kinder sind heutzutage einfach respektlos und frech, störend und schreiend, agressiv, launisch, wollen keine echte Freundschaft und Werte etc. Traurig...
    Die Schule und KG ist wie gesagt bei uns grad vis-a-vis. Jeden Tag sehe ich das selbe Bild. Schreklich! Wirklich nur schreklich! Und wenn ich meine Tochter was bringe, muss ich dort noch durch... durch diese Masse "dieser" Kinder! Durch den Schulhof...
    Das sind keine Kinder sorry! Das sind Gewalttäter! Anders kann ich sie nicht bezeichnen!
    Die Kinder in der Schule sind vor allem so agressiv! Aufsicht schaut gar nicht! KG ist auch ganz schlimm draussen!!! Kindergärtner höre ich den ganzen Morgen gar nicht! Kleine KG Kinder spielen draussen 4 Stunden schreiend und brüllend AlLEINE! Niemand sagt was!!! Hab nie einen Erwachsenen gehört!
    Schulkinder spielen nicht zusammen in den Pausen, wie wir früher....NEIN!!!! Sie schreien einander an!!! Brüllen einander an! Ununterbrochen!!! 30 Min. Pause und es wird genau so lange aus dem Hals gebrüllt! Es wird so aus lautem Hals geschrien, dass die Stimmbänder rau sind! Was man sieht ist: Hass, Wut und Angeben. «Geil und cool» sein ist das aller wichtigste! Sich durch das schreien bei anderen behaupten! Sie manipulieren!
    Sorry, wir alle waren in diesem Alter, auch im KG... Meine Mutter ist auch selber KG/ Lehrerin. Nein...wir haben nie so schreien und brüllen dürfen! Überall und zur jede Zeit!
    Heutige Kinder können nicht einmal mit einander normal und respektvoll umgehen!!! Das ist das Problem!
    Als ich klein war, musste ich doch nicht meine Freunde anschreien um mit ihnen zu zusammen zuspielen!!! Was soll das nur?!
    Wir hatten es schön und ruhig!
    Und man redet noch ständig über den psyhische Gewalt, welchem "arme" Kinder von heute so sehr überall ausgesetzt sind?!
    Welchem Gewalt?!
    Sie selber sind dieser Gewalt!
    Sie können nicht normal und ruhig spielen! RESPEKTVOLL!
    Ich denke, in Europa ist es es sowieso überall viel zu liberalle Erziehung! Dazu kommt noch diese neue Mode von Psyhologen, man solle keinesfalls dem Kind was verbieten oder es einschränken, sonst entwickeln sich welche "Störungen". Was für Unsinn! Uns wurde einiges nicht erlaubt, niemand hat Schaden davon abbekommen! Im Gegenteil! Wir kennen Anstand! Und ganz ehrlich, ich bin sehr froh darüber, damals aufwachsen zu dürfen, als jetzt, denn meine liebevolle, anständige Kinder tun mir als Mutter vom Herzen Leid!

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