Nach der
Harmos-Abstimmung steht im Kanton St.Gallen schon das nächste Grossprojekt an:
der Lehrplan 21. SVP-Bildungschef Stefan Kölliker spricht über die Umsetzung
und sagt, weshalb die Kirche Teil der Volksschule bleibt.
Nein, das ist nicht meine Art. Ich
mache mir bereits Gedanken, wie ich weiter vorgehen möchte – in Kenntnis des
Ergebnisses vom Sonntag.
Haben Sie schon
konkrete Ideen?
Ich werde in den nächsten Tagen
Kontakt mit Albert Rösti, dem Präsidenten der SVP Schweiz, aufnehmen. Ich will
der Partei unsere Schulpolitik der vergangenen Jahre näher bringen . . .
. . . um den
Widerstand zu brechen?
Vor allem um Verständnis zu schaffen.
Ich möchte der Parteileitung der SVP Schweiz erklären, wie unsere Situation
sowie auch jene innerhalb der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) ist. Die
Partei soll sehen, wie wir in den vergangenen Jahren mit den Herausforderungen
im Bildungswesen umgegangen sind und weshalb Harmos wichtig ist.
Kann das
Abstimmungsergebnis in St.Gallen Auswirkungen auf andere Kantone haben, die
über einen Harmos-Beitritt nachdenken oder allenfalls gar über einen Austritt?
Das Resultat kann durchaus seine
Wirkung haben – auch weil das St.Galler Schulwesen mit seinem hohen Niveau und
der Verlässlichkeit interkantonal einen sehr guten Ruf geniesst. Wir haben in
den vergangenen acht Jahren eine komplette Auslegeordnung der Harmonisierung
gemacht. Wir haben konkrete Themen wie Blockzeiten oder Mittagstisch vertieft.
Es wurde offen, sehr intensiv und umfassend diskutiert. Das deutliche
Abstimmungsergebnis kann für andere Kantone ein Zeichen sein, dass eine
Harmos-Mitgliedschaft nicht das Dümmste ist.
Wie geht es mit der
Harmonisierung der St.Galler Volksschule weiter?
Unser nächster grosser Schritt ist
die Einführung des neuen Lehrplans Volksschule auf das kommende Schuljahr
2017/18.
Wie ist hier der
Stand der Dinge?
Die Vorbereitungen laufen seit rund
zweieinhalb Jahren. Sie sind ziemlich intensiv. Es müssen unter anderem fast
7000 Lehrkräfte an Weiterbildungstagen auf den neuen Lehrplan vorbereitet
werden. Diese Vorbereitungen sollten allerdings nächsten Frühling abgeschlossen
sein.
Gibt es Änderungen
bei der Einführung des Lehrplans 21?
Nein. Wir lassen das Französisch auf
Primarschulstufe so, wie es ist. Der Lehrplan wird mit einem Umsetzungspaket
eingeführt. Dieses Massnahmenpaket ist aber nicht so zu verstehen, dass damit
Probleme angegangen werden müssen. Vielmehr unterstützt es die Umsetzung von
spezifischen Eigenheiten des neuen Lehrplans.
Können Sie eine
solche Eigenheit nennen?
Die Einführung des Fachs Ethik,
Religion und Gemeinschaft, kurz ERG, in der Volksschule ist ein solches
Beispiel. Es ist ein komplett neues Modell, das wir entwickelt haben und es
sonst nirgends in der Schweiz gibt.
Was ist das
Besondere daran?
Im Zusammenhang mit dem neuen
Lehrplan stellte sich die Frage, wie der Kanton St.Gallen den Bezug zur Kirche
gestaltet. Viele Kantone haben die Kirche aus der Schule verbannt. Wir jedoch
haben genau das Gegenteil gemacht und die Kirche noch gestärkt. Wir haben ein Modell
geschaffen, bei dem es «ERG Schule» und «ERG Kirche» gibt. «ERG Schule» wird
von Lehrpersonen unterrichtet, «ERG Kirche» ökumenisch von Katecheten oder
Religionslehrern. Die Kirche muss aber nach dem Lehrplan der Volksschule
unterrichten.
Weshalb wurde
dieses Modell geschaffen?
Damit jene Kinder, die nicht am
kirchlichen ERG-Unterricht teilnehmen wollen, das Fach «ERG Schule» besuchen
können. Alle Eltern sollen so selber entscheiden können, in welchen Unterricht
sie ihre Kinder schicken wollen. Daneben gibt es noch eine Lektion
Religionsunterricht, die zwar separat, aber auch Bestandteil des Lehrplans ist.
Warum ist es dem
Kanton St.Gallen wichtig, dass die Kirche Teil der Volksschule bleibt?
Uns sind die christlichen Werte
wichtig und die wollen wir auch in der Schule hochhalten.
Gibt es nebst dem
Lehrplan 21 weitere grössere Projekte, die nächstens im St.Galler Schulwesen
anstehen?
Der neue Lehrplan ist zurzeit noch
der grösste Brocken. Danach folgt eine Phase der Konsolidierung innerhalb des
Kantons, aber auch national. So sieht es auch die EDK. Die nächsten zwei bis
drei Jahre drängen sich sowohl kantonal als auch national keine grossen
Veränderungen auf.
Trotzdem arbeitet
Ihr Departement bereits an etwas Neuem: den progymnasialen Klassen an den Sekundarschulen.
Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?
Mit der «Oberstufe 2012» haben wir
die Weiterentwicklung der Oberstufe vor gut vier Jahren gestartet. In den
nächsten Monaten werden wir entscheiden, wohin die Reise in der
Weiterentwicklung der Oberstufe noch geht. Danach soll aber fertig sein. Damit
wir auch in Ruhe umsetzen können.
Das heisst, die
progymnasialen Klassen sind noch nicht beschlossene Sache?
Der Begriff «progymnasial» ist meines
Erachtens suboptimal, da er bei vielen schon einen Abwehrreflex hervorruft,
weil er auf die Gymnasien fokussiert. Mir jedoch geht es in erster Linie um die
Begabtenförderung. Deshalb spreche ich lieber von Klassen mit erhöhten
Anforderungen, welche die Begabtenförderung in den Vordergrund stellen – im
Hinblick auf die Aufnahme an ein Gymnasium oder in die Berufsmittelschule, die
dann zur Berufsmatura führt. Hier befinden wir uns in der Schlussphase. Der
Entscheid soll in den nächsten Monaten fallen.
Eine
Begabtenförderung auf der Oberstufe dürfte sich positiv auf die Maturaquote
auswirken, die im Kanton mit 14 Prozent sehr tief ist.
Einen solchen Effekt erhoffen wir uns
selbstverständlich, wenn wir Klassen mit erhöhten Anforderungen einführen
werden. Denn wir wollen sowohl die gymnasiale Matura als auch die Berufsmatura
fördern.
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