28. September 2016

Kölliker will SVP umpolen

Nach der Harmos-Abstimmung steht im Kanton St.Gallen schon das nächste Grossprojekt an: der Lehrplan 21. SVP-Bildungschef Stefan Kölliker spricht über die Umsetzung und sagt, weshalb die Kirche Teil der Volksschule bleibt.
Kölliker fühlt sich durch das Abstimmungsergebnis zu Harmos bestätigt, Bild: Samuel Schalch
"Uns sind christliche Werte wichtig", St. Galler Tagblatt, 27.8. von Marion Loher

Die Harmos-Abstimmung haben Sie erfolgreich über die Bühne gebracht. Können Sie sich jetzt zurücklehnen?
Nein, das ist nicht meine Art. Ich mache mir bereits Gedanken, wie ich weiter vorgehen möchte – in Kenntnis des Ergebnisses vom Sonntag.

Haben Sie schon konkrete Ideen?
Ich werde in den nächsten Tagen Kontakt mit Albert Rösti, dem Präsidenten der SVP Schweiz, aufnehmen. Ich will der Partei unsere Schulpolitik der vergangenen Jahre näher bringen . . .

. . . um den Widerstand zu brechen?
Vor allem um Verständnis zu schaffen. Ich möchte der Parteileitung der SVP Schweiz erklären, wie unsere Situation sowie auch jene innerhalb der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) ist. Die Partei soll sehen, wie wir in den vergangenen Jahren mit den Herausforderungen im Bildungswesen umgegangen sind und weshalb Harmos wichtig ist.

Kann das Abstimmungsergebnis in St.Gallen Auswirkungen auf andere Kantone haben, die über einen Harmos-Beitritt nachdenken oder allenfalls gar über einen Austritt?
Das Resultat kann durchaus seine Wirkung haben – auch weil das St.Galler Schulwesen mit seinem hohen Niveau und der Verlässlichkeit interkantonal einen sehr guten Ruf geniesst. Wir haben in den vergangenen acht Jahren eine komplette Auslegeordnung der Harmonisierung gemacht. Wir haben konkrete Themen wie Blockzeiten oder Mittagstisch vertieft. Es wurde offen, sehr intensiv und umfassend diskutiert. Das deutliche Abstimmungsergebnis kann für andere Kantone ein Zeichen sein, dass eine Harmos-Mitgliedschaft nicht das Dümmste ist.

Wie geht es mit der Harmonisierung der St.Galler Volksschule weiter?
Unser nächster grosser Schritt ist die Einführung des neuen Lehrplans Volksschule auf das kommende Schuljahr 2017/18.

Wie ist hier der Stand der Dinge?
Die Vorbereitungen laufen seit rund zweieinhalb Jahren. Sie sind ziemlich intensiv. Es müssen unter anderem fast 7000 Lehrkräfte an Weiterbildungstagen auf den neuen Lehrplan vorbereitet werden. Diese Vorbereitungen sollten allerdings nächsten Frühling abgeschlossen sein.

Gibt es Änderungen bei der Einführung des Lehrplans 21?
Nein. Wir lassen das Französisch auf Primarschulstufe so, wie es ist. Der Lehrplan wird mit einem Umsetzungspaket eingeführt. Dieses Massnahmenpaket ist aber nicht so zu verstehen, dass damit Probleme angegangen werden müssen. Vielmehr unterstützt es die Umsetzung von spezifischen Eigenheiten des neuen Lehrplans.

Können Sie eine solche Eigenheit nennen?
Die Einführung des Fachs Ethik, Religion und Gemeinschaft, kurz ERG, in der Volksschule ist ein solches Beispiel. Es ist ein komplett neues Modell, das wir entwickelt haben und es sonst nirgends in der Schweiz gibt.

Was ist das Besondere daran?
Im Zusammenhang mit dem neuen Lehrplan stellte sich die Frage, wie der Kanton St.Gallen den Bezug zur Kirche gestaltet. Viele Kantone haben die Kirche aus der Schule verbannt. Wir jedoch haben genau das Gegenteil gemacht und die Kirche noch gestärkt. Wir haben ein Modell geschaffen, bei dem es «ERG Schule» und «ERG Kirche» gibt. «ERG Schule» wird von Lehrpersonen unterrichtet, «ERG Kirche» ökumenisch von Katecheten oder Religionslehrern. Die Kirche muss aber nach dem Lehrplan der Volksschule unterrichten.

Weshalb wurde dieses Modell geschaffen?
Damit jene Kinder, die nicht am kirchlichen ERG-Unterricht teilnehmen wollen, das Fach «ERG Schule» besuchen können. Alle Eltern sollen so selber entscheiden können, in welchen Unterricht sie ihre Kinder schicken wollen. Daneben gibt es noch eine Lektion Religionsunterricht, die zwar separat, aber auch Bestandteil des Lehrplans ist.

Warum ist es dem Kanton St.Gallen wichtig, dass die Kirche Teil der Volksschule bleibt?
Uns sind die christlichen Werte wichtig und die wollen wir auch in der Schule hochhalten.

Gibt es nebst dem Lehrplan 21 weitere grössere Projekte, die nächstens im St.Galler Schulwesen anstehen?
Der neue Lehrplan ist zurzeit noch der grösste Brocken. Danach folgt eine Phase der Konsolidierung innerhalb des Kantons, aber auch national. So sieht es auch die EDK. Die nächsten zwei bis drei Jahre drängen sich sowohl kantonal als auch national keine grossen Veränderungen auf.

Trotzdem arbeitet Ihr Departement bereits an etwas Neuem: den progymnasialen Klassen an den Sekundarschulen. Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?
Mit der «Oberstufe 2012» haben wir die Weiterentwicklung der Oberstufe vor gut vier Jahren gestartet. In den nächsten Monaten werden wir entscheiden, wohin die Reise in der Weiterentwicklung der Oberstufe noch geht. Danach soll aber fertig sein. Damit wir auch in Ruhe umsetzen können.

Das heisst, die progymnasialen Klassen sind noch nicht beschlossene Sache?
Der Begriff «progymnasial» ist meines Erachtens suboptimal, da er bei vielen schon einen Abwehrreflex hervorruft, weil er auf die Gymnasien fokussiert. Mir jedoch geht es in erster Linie um die Begabtenförderung. Deshalb spreche ich lieber von Klassen mit erhöhten Anforderungen, welche die Begabtenförderung in den Vordergrund stellen – im Hinblick auf die Aufnahme an ein Gymnasium oder in die Berufsmittelschule, die dann zur Berufsmatura führt. Hier befinden wir uns in der Schlussphase. Der Entscheid soll in den nächsten Monaten fallen.

Eine Begabtenförderung auf der Oberstufe dürfte sich positiv auf die Maturaquote auswirken, die im Kanton mit 14 Prozent sehr tief ist.
Einen solchen Effekt erhoffen wir uns selbstverständlich, wenn wir Klassen mit erhöhten Anforderungen einführen werden. Denn wir wollen sowohl die gymnasiale Matura als auch die Berufsmatura fördern.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen