20. Juli 2016

Wunder am Wege

Es ist schon erstaunlich, wie meine Kolumnen manchmal entstehen. Vor kurzem traf ich den pensionierten Gymnasiallehrer Hans Matter in der Bahnhofstrasse und tags darauf las ich im Bieler Tagblatt den wunderbaren Text von Lotti Teuscher „Suche nach unscheinbaren Kostbarkeiten“, in welchem sich derselbige mit der Journalistin auf eine biologische Entdeckungsreise am Jurahang begab.
Wunder am Wege, Bieler Tagblatt, 19.7. von Alain Pichard


Wenn man Lotti Teuschers Text gelesen hat, wünscht man sich, einen Hans Matter auf allen Spaziergängen durch Wald und Feld dabeizuhaben.

Als junger Lehrer in den frühen 80er Jahren lernte ich den Biologen erstmals kennen. Das Gelände des ehemaligen „Stadtmists“, das Mettmoos, sollte in einen Park verwandelt werden, mit Rasen, Sitzbänken und Blumenarrangements. Allerdings hatte sich in all den Jahren über der Müllhalde eine Ruderalfläche gebildet, welche viele seltene Pflanzen- und Tierarten beherbergte. Ich musste das wissen, unternahm ich doch mit meinen Schülern aus dem Sahligut zahlreiche Exkursionen ins nahegelegene Mettmoos.

Besorgt um meine naturnahen Biologielektionen wandte ich mich an meinen Freund Peter Fasnacht. Dieser trommelte den Schmetterlingsexperten Rudolf Bryner, den Amphibienkenner Hervé Treu und eben besagten Hans Matter zusammen. In aller Eile inventarisierten wir das Gebiet des damaligen Mettmoos und erwirkten mit einer Dokumentation den Stopp der Parkpläne. Die Bemerkung sei hier eingeflochten, dass dies ohne den damaligen Baudirektor Otto Arnold kaum möglich gewesen wäre.

Hans Matter, Rudolf Bryner und Hervé Treu waren allesamt Lehrer. Exkursionen, mit denen sie Generationen von Bieler Schülern beglückten, waren ob ihrer Lebhaftigkeit und Anschaulichkeit stets eine poetische Angelegenheit. Ihr umfassendes Wissen, ihre Artenkenntnis, ihr immenses Reservoir an Anekdoten und ihre Vertrautheit mit unserer Region machten jeden Spaziergang zu einem nachhaltigen Erlebnis.

Sie setzten – anders als der Schreiber dieser Zeilen – mit leiser Stimme Woche für Woche, ein Leben lang den Gesang der Gartengrasmücke gegen Heckenrodungen, das Knabenkraut gegen eine Wiesenauffüllung mit Bauschutt, das Wollgras gegen die landwirtschaftliche Drainage ein.


Das heutige Mettmoos ist ein lebendes Denkmal für diese alten Herren, von denen Hervé Treu leider nicht mehr lebt. Aber er lebt in seinem Selbstverständnis auf meinen Exkursionen weiter, die ich ganz in seiner Tradition immer noch durchführe. Meine Schüler müssen 15 Vogelstimmen auswendig lernen, Baum- und Blumenarten bestimmen und in Gummistiefeln um vier Uhr morgens durch das Häftli waten. Denn man kann nur lieben, was man kennt, und man kann nur schützen, was man liebt.  

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