Belastbarer, zufriedener und mit realistischeren Vorstellungen vom Berufsalltag: Gemäss einer Studie der Pädagogischen Hochschule Bern sind Quereinsteiger die besseren Lehrer.
Quereinsteiger sind belastungsresistenter, Bild: Keystone
Lehrer: Quereinsteiger sind zufriedener, Berner Zeitung, 2.7. von Marius Aschwanden
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Immer häufiger werden an
der Pädagogischen Hochschule (PH) Bern deshalb auch Quereinsteiger, die bereits
einen Beruf erlernt haben, für die Arbeit im Klassenzimmer fit gemacht. Zahlen
für die gesamte PH existieren zwar nicht. Aber am Institut für Vorschulstufe
und Primarstufe beispielsweise haben rund ein Fünftel der Studierenden
vorgängig bereits einen Beruf erlernt.
Besser gewappnet
Wie eine Studie der PH
nun zeigt, sind solche Lehrer sogar besser gewappnet für ihre künftige Arbeit
an den Schulen als ihre Kollegen, die direkt nach dem Gymnasium oder einer
anderen Hochschule an der PH studieren.
Zwar sind 70 Prozent der
Lehrkräfte sowohl mit als auch ohne vorherige Berufserfahrung nach sieben bis
zehn Jahren noch an der Volksschule tätig. Personen, die auf dem zweiten
Bildungsweg Lehrer werden, sind aber nicht nur zufriedener, sie fühlen sich
gemäss der Studie durch Elterngespräche oder das Unterrichten auch weniger
belastet als ihre Kollegen.
Verschiedene
Gründe
Gemäss Studienleiterin
Catherine Bauer vom Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation der PH
hat dies verschiedene Gründe: «Einerseits hängt das mit dem höheren Alter sowie
der Berufs- und Lebenserfahrung zusammen», sagt sie. So würden viele
Quereinsteiger von Fach- und Methodenwissen sowie Kommunikationsfähigkeiten aus
ihren früheren Tätigkeiten profitieren.
Andererseits
investierten Quereinsteiger auch mehr Zeit und Aufwand in die Lehrerausbildung,
da sie häufig auch noch einen Vorkurs vor der Aufnahmeprüfung machen. «Das
führt zu einer zusätzlichen Selektion, die beim normalen Ausbildungsweg nicht
stattfindet», sagt Bauer.
Mehr
Männer als Frauen
Keine abschliessende
Erklärung hat Bauer hingegen für die Tatsache, dass bei den Quereinsteigern –
anders als im normalen PH-Studium – mit 60 Prozent die Männer dominieren.
«Möglicherweise trauen sich Männer eher einen Berufswechsel zu als Frauen»,
spekuliert Bauer.
Nicht zuletzt deshalb
seien die Quereinsteiger eine attraktive Zielgruppe für die PH. So könne das
Geschlechterverhältnis an den Berner Volksschulen wenigstens ein bisschen
verbessert werden. Seit Jahren dominieren dort die Frauen, nicht zuletzt
aufgrund der vielen Kleinstpensen.
Unterschiede zeigt die
Studie schliesslich auch bei jenen 30 Prozent, die nach sieben bis zehn Jahren
nicht mehr als Lehrer tätig sind. «Erstberufler gaben als Ausstiegsgrund häufig
die Komplexität des Berufs an», sagt Bauer. Sie seien etwa davon überrascht
worden, was neben dem Unterricht alles gemacht werden müsse. Quereinsteiger
hingegen hätten dies nie als Grund für den Berufsausstieg angegeben, sondern
beispielsweise die ungeregelten Arbeitszeiten.
Redimensionierung
gefordert
Belastbarer, zufriedener
und mit realistischeren Vorstellungen vom Berufsalltag: Die Befunde zu den
Quereinsteigern könnten die alte Debatte um die Akademisierung des Lehrerberufs
neu befeuern.
Seit die Ausbildung vor
über zehn Jahren an die Hochschule verlegt wurde, wird grundsätzlich als
Zulassung die Maturität verlangt. Deshalb steht bis heute der Vorwurf im Raum,
dass die PH-Abgänger zwar theoretisch sehr viel wüssten, ihnen aber die
Praxiserfahrung fehle. «Die Resultate zeigen, dass diese Kritik noch immer
zutrifft», sagt FDP-Bildungspolitikerin und -Grossrätin Corinne Schmidhauser
(Interlaken).
Dass Quereinsteiger belastungsresistenter
und zufriedener sind, überrascht die Vizepräsidentin der Bildungskommission des
Grossen Rates nicht. «Solche Lehrer waren sich wohl in ihrer vorherigen
Tätigkeit höhere Belastungen gewohnt, zudem sind sie schlicht lebenserfahrener»,
sagt sie. Dies wirke sich positiv auf den Unterricht aus.
«PH
sollte Handwerk vermitteln»
Fairerweise müsse man
aber auch sagen, dass solche Kompetenzen an der PH schlicht nicht vermittelt
werden könnten. Deshalb stellt sich für Schmidhauser aber die Frage, was die
Hochschule überhaupt anbieten müsse. «Die PH sollte sich auf die Vermittlung
des Handwerks und des fachdidaktischen Könnens konzentrieren. Dafür braucht es
nicht unzählige Kurse etwa für Sozial- und Selbstkompetenz.» Vielmehr müssten
möglichst vielfältige Angebote für Quereinsteiger geschaffen werden.
Von einer
Redimensionierung der Ausbildung will Studienleiterin Bauer nichts wissen. «Die
Tatsache, dass 70 Prozent aller Absolventen nach sieben bis zehn Jahren noch
immer als Lehrer tätig sind, zeigt in erster Linie, dass die Ausbildung gut ist
und die Abgänger gut auf ihre Tätigkeit vorbereitet sind.»
Zwar sagt auch Bauer,
dass «die Lehrer mit Vorberufserfahrung im Vergleich zu denjenigen im Erstberuf
gewisse Vorteile mitbringen». Die Ausbildung sei dabei aber nur ein
Puzzleteil. Deshalb soll in einer weiteren Studie geklärt werden, welche
Komponenten die «berufliche Widerstandsfähigkeit» von Quereinsteigern
tatsächlich erhöhen.
Meiner Meinung nach sind wir in als Lehrer in erster Linie Pädagogen, und diese Fähigkeiten bringen Quereinsteiger nicht zwingend mit. Ich sehe in meinem Berufsfeld immer noch viele pädagogisch Unreife, egal woher sie kommen. Langjährige Lehrer, wie auch Quereinstiger. Da hilft ihnen weder Lebenserfahrung, noch Fach- und Methodenwissen oder Kommunikationsfähigkeit.
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