Die Sekundarschule Frenkendorf ist ein nüchterner Betonbau. Während
unten die Schüler in die Pause strömen, sitzt ganz oben in Zimmer 43 Roger von
Wartburg an seinem Pult im leeren Klassenzimmer. Er ist nicht nur Lehrer,
sondern auch Präsident des kantonalen Lehrervereins und als solcher kann er die
Stimmung gut einschätzen.
Viele Lehrer hadern mit der Reformflut, SRF, 23.6. von Christian von Burg
Es sei besorgniserregend, dass ihn gestandene Lehrer teils unter Tränen
anriefen, sagt er. Der Tenor sei: «Wir können so nicht weitermachen, uns fehlt
die Zeit für den Unterricht und die Kinder, die uns anvertraut sind.». Zu
schnell seien zu viele Reformen umgesetzt worden, sagt von Wartburg.
lm Berufsstolz verletzte Lehrer
Mit der Harmonisierung gibt es neu nur noch drei statt der bisher vier
Sekundarschuljahre. Damit braucht es ein Viertel weniger Seklehrerinnen und
-lehrer. Dann kamen das Frühfranzösisch hinzu, die Integration behinderter
Kinder sowie der Lehrplan 21, mit dem die Kinder vermehrt selber lernen sollen.
Bei all dem würden die Lehrer meist vor vollendete Tatsachen gestellt,
so von Wartburg. Zwar gebe es Informationsveranstaltungen oder Fortbildungen.
«Dort stellen die Lehrer fest, dass man an ihren jahrelangen Erfahrungen aus
den Schulzimmern fast gar nicht oder überhaupt nicht interessiert ist.»
Entsprechend fühlten sich die Lehrpersonen nicht ernst genommen, sie seien
verletzt in ihrem Berufsstolz.
Reformen vorerst gestoppt
Kein Wunder, dass die Schulreformen auch in der Baselbieter Politik hohe
Wellen werfen. Lange galt dabei das Schema: Links ist für die Reformen, rechts
ist dagegen. Auch hier fühlten sich die Lehrer falsch verstanden, wenn sie
Kritik wagten, so von Wartburg. Früher sei Kritik automatisch dem
rechtsbürgerlichen Lager zugeordnet gewesen, obwohl dies so nie gestimmt habe.
Gerade in Baselland ist es ein ehemaliger Grüner, der seit Jahren den
heftigsten Kampf gegen die Schulreformen führt. Den Reform-Marschhalt verordnet
hat aber vor einem knappen Jahr die neue bürgerliche Regierungsrätin. Von
Wartburg sagt, die Lehrerinnen und Lehrer seien froh darum, dass nun erst
einmal genau analysiert werde, was funktioniert und was nicht.
Es gibt auch andere Stimmen
Zehn Kilometer entfernt, in Aesch, ebenfalls Baselland, tönt es ziemlich
anders. Die 30-jährige Primarlehrerin Eva Hungerbühler steht im Schulhausgang
und zeigt auf den zu kleinen Gruppenraum: Das sei ihr grösstes
Problem mit der Schulreform: Zu wenig Platz, um die Klasse wie vorgesehen in
kleineren Gruppen arbeiten zu lassen.
Die Begeisterung für die neuen Unterrichtsformen und für mehr
Zusammenarbeit zwischen den Lehrerinnen sei bei Ihr durchaus vorhanden. «Ich
habe mich intensiv mit der Thematik beschäftigt und bin eine Befürworterin
geworden», sagt sie. Hungerbühler bildet selber auch Lehrer aus und lehrt sie,
mit spielerischen Formen Frühfranzösisch zu unterrichten, ohne das Vocabulaire
zu pauken.
Verunsicherte Lehrerinnen und Lehrer
«Die Stimmung ist grundsätzlich besser geworden», sagt sie. Lehrer,
Eltern und Kinder hätten jetzt einige Jahre Erfahrungen mit dem neuen System.
Deshalb sei bei den Primarlehrern im Unterschied zu den Seklehrern wenig Kritik
zu hören. Denn bei letzteren ändert sich erst jetzt vieles.
Zudem sei der Lehrerverband von Seklehrern dominiert, betont
Hungerbühler. Auch sei es nicht so, dass immer diejenigen Recht hätten, die am
lautesten schrien. Sie finde es gefährlich zu sagen, man höre mit der
Harmonisierung auf, nur weil die letzte Zeit für die Sekundarlehrer schwierig
gewesen sei. Denn der verordnete Marschhalt verunsichere nicht nur die Lehrer,
sondern auch die Eltern.
Wie und ob es mit den Schulreformen in Baselland weitergeht, ist derzeit
unklar. Die Lehrer auf jeden Fall sind ziemlich verunsichert – egal ob sie für
oder gegen die Reformen einstehen.
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