28. Juni 2016

Politische Fairness gefordert

Einen Satz von Dr. Simone Pfenninger sollten sich alle Bildungspolitiker gut einprägen. Die Zürcher Sprachfor­scherin, die mit einer Studie belegte, dass Frühlerner gegenüber Spätlernern ­keinerlei Vorteile aufweisen, sagte: «Die Politik sollte endlich in einen ergebnis­offenen Dialog mit der Wissenschaft eintreten, der auf Fakten beruht!»
Politische Fairness, Basler Zeitung, 28.6. von Hanspeter Amstutz, Urs Kalberer, Philipp Loretz, Alain Pichard, Felix Schmutz, Roland Stark


Was dann folgte, ist bekannt: Der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann liess zunächst verlauten: «Ich vertraue mehr auf Gespräche als auf Studien.» Dann disqualifizierte er in seiner Antwort auf eine Interpellation der Grossrätin Katja Christ die ­Pfenninger-Studie kurzerhand als «unwissenschaftlich». Schliesslich musste er zurückkrebsen: «Dazu muss ich ganz klar sagen, dass meine Kritik nicht auf die Studie und schon gar nicht deren Verfasserin zielt.» (Basler ­Schulblatt, 11. 6. 2016)
Kurz darauf aber behauptete Eymann an einer Info-Veranstaltung des Basler Erziehungsdepartements erneut, dass die besagte Studie nichts über das Passepartout-Projekt aussage und deshalb nicht berücksichtigt ­werden könne (20. 6. 2016). Er bezeichnete den Beitrag eines Lehrers, der von den Anwesenden mit viel Applaus bedacht wurde, als unsach-­ lich und polemisch – was von einem anderen Teilnehmer der Veranstaltung umgehend als vollkommen unbegründet zurückgewiesen wurde. In einem Interview mit der BaZ vom 24. 6. 2016 wiederholte Eymann seinen Vorwurf gegen ein Geschäftsleitungsmitglied des Basellandschaftlichen Lehrer­vereins sogar.

Fazit: Unbequeme Befunde oder nur schon andere Meinungen werden mit aggressiver Polemik überzogen. Herr Eymann wirft allen kritischen Stimmen pauschal Unsachlichkeit und «Stammtischniveau» vor, schreckt ­selber aber regelmässig nicht vor unhaltbaren Aussagen zurück. Wenn dieser Stil zum Massstab in einer Sache wird, bei der es um einen dreistelligen Millionenbetrag geht, dann ist das ein Armutszeugnis für die politische Kultur im Land. Wer so viel Geld in einen gigantischen Schulversuch investiert, muss sich Kritik stellen, aber mit ­Argumenten, nicht mit reflexartigen Rundumschlägen. Die kommenden Auseinandersetzungen um schulische Neuerungen werden zeigen, ob die ­verantwortlichen Bildungspolitiker und die Bildungsbürokratie insgesamt ­willens sind, zu den Regeln politischer Fairness zurückzukehren. Reformen, die von oben herab dekretiert werden, sind zum Scheitern verurteilt.


Urs Kalberer, Malans, Sprachdidaktiker und Sekundarlehrer; Philipp Loretz, Seewen, Sekundarlehrer; Alain Pichard, Biel, ­Reallehrer; Felix Schmutz, Allschwil, Lehrer; Roland Stark (SP), Basel, Lehrer und ­Heilpädagoge; Hanspeter Amstutz, ­Fehraltorf, Sekundarlehrer.

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