Vokabeln
büffeln und sich mit unregelmässigen Verben abmühen war einmal. Sechs
Deutschschweizer Kantone setzen auf ein Konzept, bei dem die Schüler die
Fremdsprache lernen sollen wie einst ihre Muttersprache.
Sechs
Kantone Basel-Stadt, Baselland, Solothurn, Bern, Freiburg und Wallis, in denen
Französisch die erste Fremdsprache ist, setzen «Mille Feuilles» seit 2011 als
Lehrmittel ein. Französisch-Lehrbücher sind selten sonderlich beliebt, doch bei
«Mille Feuilles» setzte die Kritik von Beginn an ein und ist seither nicht
abgerissen. Es ist Teil desFremdsprachenkonzeptes
«Passepartout», auf das sich die sechs Kantone entlang der
Sprachgrenze geeinigt haben.
Kritisch
äussern sich nicht nur Schüler und Eltern, sondern auch Lehrerpersonen. In verschiedenen Kantonen ist der Streit in Form von
politischen Vorstössen zu «Mille Feuilles» in
den Parlamentengelandet. Das Lehrmittel überfordere die Kinder und
sei für einen Französisch-Unterricht mit bloss drei Wochenstunden ungeeignet.
Als Folge seien die Französisch-Kenntnisse der Kinder ungenügend. Es fehlten
wichtige Grundlagen, beispielsweise in der Grammatik.
Lehrmittel
wie «Mille Feuilles», das darauf aufbauende «Clin d'Oeil» oder im
Englisch-Unterricht «New World» basieren auf neuen didaktischen Konzepten, die
sich stark von jenen unterscheiden, mit denen die heutige Lehrer- und
Elterngeneration vertraut ist. Schülerinnen und Schüler sollen die Sprache auf
natürliche Weise erlernen, so wie sie es mit ihrer Muttersprache getan haben.
Sie
sollen nicht in erster Linie Vokabeln und Grammatik pauken, sondern die neue
Sprache möglichst oft hören und so ein «Sprachbad nehmen», wie
es in einer Broschüre zu
«Mille Feuille» heisst. Irritierend wirkt für viele Eltern, dass eine
anfänglich fehlerhafte Anwendung der Sprache zum didaktischen Konzept gehört:
Fehler seien ein Hinweis, darauf, dass die neue Sprache mutig angewendet werde
und dürften deshalb nicht systematisch korrigiert werden.
Inzwischen
haben die sechs Kantone auf die Kritik reagiert. Zwar wird das umstrittene Lehrmittel
beibehalten, wie die Bildungsdirektoren der sechs Kantone vergangene Woche vor
den Medien erklärten. «Mille Feuilles» und «Clin d'oeil» sollen aber
nachgebessert werden. So soll dem Aufbau des Vokabulars und von systematischen
Grammatik-Kenntnissen mehr Gewicht beigemessen werden.
In
einer Evaluationsstudie soll das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität
Freiburg überprüfen, ob die Lernziele mit dem neuen Lehrmittel erreicht werden.
Die Diskussion über «Mille Feuilles» dürfte damit nicht abgeschlossen sein: Im
Kanton Baselland entscheidet möglicherweise gar das Volk, denn dort hat die
reformkritische Bewegung «Starke Schule» zwei Initiativen zum Ausstieg aus
Passepartout eingereicht.
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