3. Juni 2016

Berner Zeugnisse ohne Arbeits- und Lernverhalten

Bernische Schüler sollen künftig erst am Ende des zweiten Schuljahrs das erste Zeugnis respektive den «Beurteilungsbericht» erhalten, wie das Zeugnis heute heisst. Das gab der bernische Erziehungsdirektor Bernhard Pulver am Freitag an einer Medienkonferenz in Bern bekannt. Heute wird das erste Zeugnis schon nach dem zweiten Kindergartenjahr verteilt.
Der nächste Beurteilungsbericht soll erst am Ende des 4. Schuljahrs folgen. Und gemäss den Vorschlägen Pulvers wird es künftig auf der Sekundarstufe I (7. bis 9. Schuljahr) nur noch jährliche statt halbjährliche Beurteilungsberichte geben.
Lehrplan 21: Weniger und einfachere Zeugnisse, Berner Zeitung, 3.6.

Im neuen, kompetenzorientierten Lehrplan 21 stehe vermehrt die Förderung und Unterstützung der Schüler durch die Lehrpersonen im Zentrum, schreibt dazu die Erziehungsdirektion in einer Medienmitteilung zur Begründung. Zu häufige Beurteilungsberichte behinderten diesen Prozess.

Die neuen Beurteilungsberichte sollen auch nur noch auf einer Seite Platz finden statt wie heute auf zwei bis drei. Dafür ist vorgesehen, darin das Arbeits- undLernverhalten der Schüler nicht mehr zu erwähnen. Solche sogenannten «überfachlichen Kompetenzen» sollen ein zentrales Thema der weiterhin stattfindenden Elterngespräche sein. Diese werden um ein verbindliches Protokoll ergänzt.

Die bernische Erziehungsdirektion schlägt auch vor, im 8. und 9. Schuljahr ein «Portfolio zu überfachlichen Kompetenzen» einzuführen. Es soll den Lehrbetrieben die nötigen Informationen geben, um die Schüler nicht nur aufgrund der Noten einschätzen zu können.
An den Übertrittsverfahren beabsichtigt die Erziehungsdirektion - ausser bei gewissen Begriffen - nichts zu ändern. Und ab dem 3. Schuljahr sollen weiterhin Noten erteilt werden.

Ende Jahr will Pulver entscheiden
Die Mitwirkung zur neuen Schülerbeurteilung dauert bis Mitte September. Stellung nehmen können verschiedene schulinterne oder schulnahe Organisationen wie der bernische Schulleiterverband oder die Elternvereinigung. Aber auch der Verband bernischer Gemeinden, der Lehrerverband «Bildung Bern» und die Berner KMU erhalten die Unterlagen, nicht aber die bernischen Parteien.

Diese würden nicht angehört, weil es in der Kompetenz der Erziehungsdirektion liege, wie die Schülerbeurteilung geregelt werde: Das sagte Erwin Sommer, Vorsteher des kantonalen Amts für Kindergarten, Volksschule und Beratung, am Rand der Medienkonferenz. Seine Direktion führe die Konsultation freiwillig durch. Dies mit dem Ziel einer möglichst guten Abstützung der neuen Regeln.

Ende dieses Jahres will Regierungsrat Pulver entschieden haben, wie die künftige Schülerbeurteilung aussieht. Er will damit den bernischen Schulen genügend Zeit geben, um sich auf die Einführung des Lehrplans 21 vorzubereiten. Die Erziehungsdirektion hat die Vorschläge verabschiedet, nachdem sie rund 2000 Lehrpersonen anhörte.
«Bildung Bern», der frühere Verband der Lehrerinnen und Lehrer Bern (LEBE), teilte am Freitag in einer Medienmitteilung mit, er begrüsse die Reduktion und Verschlankung der Zeugnisse.

Initiative gegen Lehrplan hängig
Der Lehrplan 21 ist im November 2015 von der Erziehungsdirektorenkonferenz der Deutschschweiz den Mitgliederkantonen zur Einführung freigegeben worden. Er geht auf eine eidgenössische Abstimmung von 2006 zur Harmonisierung der Schulen zurück.
Der Lehrplan umfasst 470 Seiten und beschreibt 363 Kompetenzen, welche sich die Schüler aneignen sollen.

Noch ist allerdings im Kanton Bern nicht sicher, ob der Lehrplan 21 zumindest langfristig Bestand hält: Ein Komitee aus Eltern und Lehrpersonen hat dagegen eine Volksinitiative lanciert. Es kritisiert den Lehrplan 21 als zu konstruktivistisch. Darunter versteht man, dass die Schüler ihre Lernprozesse weitgehend selber steuern können.

Bis Mitte Juli hat das Komitee Zeit, die fürs Zustandekommen der Initiative nötigen 15'000 Unterschriften zu sammeln. Komiteemitglied Rahel Gafner sagte am Freitag auf Anfrage, das Komitee rechne damit, die Initiative einreichen zu können.


3 Kommentare:

  1. Was hat diese Zeugnisreform mit dem Lehrplan 21 zu tun? Alle Vorschläge wären auch mit dem bestehenden Lehrplan umsetzbar.

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  2. Offenbar zeigt die Kritik an Pulvers Beurteilungsplänen Wirkung. Nun soll also Arbeits- und Sozialverhalten komplett aus dem Zeugnis verschwinden.

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  3. Tut sie nicht! Mir liegen die neuen, überarbeiteten Formulare vor....

    Im BZ Bericht vom 23.2, nach meiner Kritik an der geplanten Beurteilung, sagte Pulver, er werde das Formular mit den Schlüsselkompetenzen überarbeiten. Und ein anderer ERZ Mitarbeiter meinte, sie werden über Bord geworfen.

    Nun, die zwei haben uns scheinbar einmal mehr Honig ums Maul gestrichen, ebenso kommt der Bericht in der BZ vom 3.6 daher. Mit gekonnter Rhetorik und gut gewählten Worten wird die neue Beurteilung als einfacher und besser verkauft.

    Im "Bericht Konsultation Beurteilung LP21" wird gesagt, dass die Schlüsselkompetenzen "auf Wunsch der Hearing- Teilnehmenden" in die Beurteilung aufgenommen worden seien. Das mag ja sein, aber die Art und Weise, wie es dann am Präsentations- Hearing vorgestellt wurde (ich erinnere: 12min für drei Formulare!) und wie per Hand erheben eine eher positive Haltung zum Vorschlag erhoben wurde, verschlägt mir immer noch den Atem. Da wird manipuliert, und es werden Pseudo- Meinungen eingeholt, damit gesagt werden kann "wir haben die Lehrer nach ihrer Meinung gefragt". Aber eine Meinung vertritt man nicht mit Hand erheben!

    Zum Formular der Schlüsselkompetenzen:

    Schön, dass NIRGENDS steht, dass dieses Formular, neu in Fremd- (Lehrer) und Selbstbeurteilung (Schüler) und nur noch im 8. und 9. Schuljahr, dem Zeugnis beigelegt werden soll, wenn sich jemand bewirbt. Es wird, wie von uns schon kritisiert, so kommen, dass, wer das Formular nicht beilegt, etwas zu verstecken hat.

    Schön, wie das Formular nun neu "Portfolio" heissen soll. Eine lächerlichere Bezeichnung für eine "Sammlung von Bewertungen" zu Teamfähigkeit, Einsatzfreude, Lernbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungssinn, Umgangsformen und Ausdauer gibts ja wohl nicht!

    Schön, wie unsere Kritik am Vorschlag umgangen wurde: die Kompetenzen "Konfliktfähigkeit", "Umgang mit Vielfalt" und "Höflichkeit" hat man kurzerhand zu "Umgangsformen" zusammengefasst. Und aus der "Kooperationsfähigkeit" wurde kurzerhand "Teamfähigkeit", was in der Schübe noch unter dem Punkt "kann mit anderen zusammenarbeiten" beurteilt worden ist.

    Geblieben ist die Skala 1-10. Beurteilbar in einer "Dreipunktegruppe" (z.B. 5-7), von "wenig ausgeprägt und entwickelt" und "sehr ausgeprägt und entwickelt".
    Nie und nimmer werde ich sowas beurteilen. Ich behaupte mal, Lehrbetriebe mit viel Bewerbungen werden sich in Zukunft auf eine solche Beurteilung stützen, und sich kein eigenes Bild mehr von den Jugendlichen machen. Ich finde das beängstigend und gefährlich.


    Die von Pulver angekündigte Überarbeitung bringt keine grundlegende Veränderung.
    Dass wir dazu Stellung nehmen können ist doch wiederum eine reine Alibiübung.

    "Die Mitwirkung zur neuen Schülerbeurteilung dauert bis Mitte September. Stellung nehmen können verschiedene schulinterne oder schulnahe Organisationen wie der bernische Schulleiterverband oder die Elternvereinigung. Aber auch der Verband bernischer Gemeinden, der Lehrerverband «Bildung Bern» und die Berner KMU erhalten die Unterlagen, nicht aber die bernischen Parteien.
    Diese würden nicht angehört, weil es in der Kompetenz der Erziehungsdirektion liege, wie die Schülerbeurteilung geregelt werde: Das sagte Erwin Sommer, Vorsteher des kantonalen Amts für Kindergarten, Volksschule und Beratung, am Rand der Medienkonferenz". (BZ, 3.6)

    Lars Burgunder

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