Thomas von Felten gilt im
Kanton als Reform-Turbo – seine Ideale sind durch zahlreiche Initiativen und
durch den Marschhalt blockiert
Thomas von Felten ist Schulleiter in Pratteln, Bild: Jérôme Depierre
"Ich nehme die Vergänge gelassen hin", Basler Zeitung, 2.5. von Daniel Wahl
BaZ: Thomas von Felten, im September 2010 war die Abstimmung – der
Beitritt zum Harmos-Konkordat – gewonnen. Mit der Einführung des Lehrplans
21 wurde freudig gerechnet. Im Zuge dieser Aufbruchstimmung wurden letztlich
Lernlandschaften in Pratteln eingeführt. Wie viel von der damaligen Euphorie
ist noch übrig geblieben, jetzt, wo nahezu alle Reformen blockiert sind?
Thomas von Felten: Anlass für die Veränderung an der Sekundarschule Pratteln war
nicht primär die Abstimmung zur Bildungsharmonisierung. Vielmehr war es Wunsch
der Schulleitung und der Lehrer, eine Perspektive und einen Plan für die
Sekundarschule Pratteln zu haben. Wir starteten mit einer Standortbestimmung.
Wir wollten wissen, wie wir uns entwickeln können, um die politischen
Veränderungen von aussen umsetzen zu können.
Was
letztlich zur Installation von Lernlandschaften führte.
Ja,
der Weg führte dorthin. Aber zunächst gelangten wir zur Erkenntnis, dass wir
die Zusammenarbeit unter den Lehrern verbessern wollen. Die Umsetzung der Idee
Lehrplan 21 war nie die primäre Triebfeder. Dank vielen kleinen Schritten
näherten wir uns schliesslich dem Modell Lernlandschaften. Es begünstigt die
Kooperation unter den Lehrern, was wir fördern wollten.
Diese
Umwandlung des bisherigen Schulbetriebs zu Lernlandschaften geschah ohne
öffentliche Diskussion – ohne Beteiligung der Politik. Das führte zu
Aussagen wie: Stopp den pädagogischen Spielereien in Pratteln. Haben Sie in der
Euphorie der Reformen das Fuder mit der Einführung von Lernlandschaften
überladen?
Das
glaube ich nicht. Das Projekt basierte auf der Initiative der Lehrpersonen und
dem Wunsch des Kollegiums, sich verändern und entwickeln zu wollen. Ich gehe
sogar davon aus, dass es für unsere Schule von Vorteil war, sich mit einem
solchen Projekt zu beschäftigen, statt sich mit den politischen Reformen
auseinandersetzen zu müssen. Natürlich aber setzen wir auch alle Vorgaben der
Politik für unser Bildungswesen um.
Nochmals
zurück zum Thema der Eingangsfrage: Die Reformen in der Schule sind gestoppt,
die Einführung von Sammelfächern durch Initiativen blockiert. Es herrscht
Marschhalt, während Sie als Reform-Turbo bezeichnet werden. Wie nahe geht Ihnen
das?
Regierungsrätin
Monica Gschwind hat die Sache mit dem Entscheid, einen Marschhalt einzulegen,
meines Erachtens richtig angepackt. Sie muss sich zunächst einen Überblick
verschaffen können und alle Beteiligten unterschiedlichster Kräfte des Kantons
im Boot halten. In meiner Funktion als Sekundarschulleiter von Pratteln nehme
ich die Vorgänge gelassen hin: Ein neuer Lehrplan ist nicht matchentscheidend.
Was wir aber brauchen, ist Planungssicherheit. Das fehlt zugegebenermassen im
Baselbiet zum Teil. Nun aber haben wissen wir, wie viele Ressourcen zur
Verfügung stehen. Den Schulbetrieb können wir aufrechterhalten.
Das
klingt nach Minimalprogramm.
Klar,
die Stimmung unter den Lehrpersonen an unserer Schule ist aufgrund der
Unklarheiten und Sparmassnahmen nicht immer gut. Darum ist jetzt Gelassenheit
angesagt. Die Lehrer haben täglich im Hier und Jetzt ihren Job zu erledigen.
Und das machen sie hervorragend.
Ihre
Lehrer werden zu Ausbildungen aufgeboten – zum Beispiel in Sachen
Sammelfächer –, die vielleicht gar nie gebraucht werden.
So
ist es. Aber als Schulleiter habe ich den Auftrag, die Anweisungen des Amtes
für Volksschulen umzusetzen. Es steht mir nicht zu, ein eigenes Reglement zu
schaffen. Gibt es in zwei Jahren einen Austritt aus dem Projekt Passepartout,
dann wäre dies ungünstig für uns. Allerdings liegt es nicht in meiner
Kompetenz, unsere Ausbildungen zu stornieren.
Sie
begeben sich etwas sehr in die Rolle eines Vollzugsbeamten. Sie haben doch
einige Jahre an den Verordnungen mitgewirkt, die der Kanton einführen will.
Ich
präzisiere: Es war ausschliesslich die Verordnung der Sekundarschule, an der
ich mitgewirkt habe. Die Schulleiter der Sekundarschulen haben mich als ihren
Präsident gewählt – so trage ich verschiedene Hüte und trenne das
Berufliche von meiner privaten Meinung.
Sind
Sie jetzt Politik-ergeben? Sie waren doch Gestalter. Nun sagen Sie, der
Lehrplan 21 ist nicht matchentscheidend. Was ist Ihnen noch wichtig an
Ideen, die angestossen wurden?
Als
Schulleiter der Sekundarschule kann ich nur nochmals betonen: Es ist nicht
entscheidend, ob es den Lehrplan 21 gibt oder ob Sammelfächer eingeführt
werden oder nicht. Allerdings bin ich persönlich der Meinung, dass der
Lehrplan 21 eine gute Sache ist. Das Sprachenkonzept Passepartout mit
Frühfranzösisch und den Lehrmitteln «Mille feuilles» und «Clin d’Œil» könnte
ein sinnvoller Weg sein, der allerdings von Geburtswehen begleitet ist. Für
unsere Schule ist das aber genauso wenig matchentscheidend. Wichtiger für die
Schule sind die Checks, die Projektarbeit und das Abschlusszertifikat. Sie sind
aus meiner Sicht eine Chance, weil sie uns gute Rückmeldungen zum Lernstand der
Schülerinnen und Schüler geben. Begleitend helfen uns die Checks,
festzustellen, welche Schüler welche Schwächen haben, damit wir sie gezielt
angehen und die Jugendlichen stärken können. Ausserdem ist mir als Schulleiter
die Kooperation unter den Lehrpersonen wichtig. Eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit ist viel wichtiger als der neue Lehrplan 21.
Für
viele ist er ein ideologisiertes Programm, das in eine falsche Richtung zielt.
In diesem Zusammenhang ist die Stossrichtung «Einspruch» zu erwähnen, an der
auch die SP-Ständerätin Anita Fetz partizipierte.
Diese
Kritik ist politisch. Es ist korrekt, wenn man sich äussert. Wenn die
Kompetenzen vom Bildungsrat an den Landrat verschoben werden, nehme ich dies
als Schulleiter zur Kenntnis und richte mich entsprechend ein.
Werden
die Kinder mit den teuren Reformen klüger und besser aus der Schule kommen?
Ob
es mit den Neuerungen besser oder schlechter sein wird, kann ich derzeit nicht
sagen. Ich bin kein Prophet. Was wir wissen: Es findet eine Veränderung statt.
Ich höre aus der Wirtschaft immer wieder, dass es Bereiche gibt, die sich
verbessert haben. In anderen sieht man Defizite.
Wo
orten Sie diese?
Das
Erlernen von Fremdsprachen war offenbar problematisch. Mit dem Projekt
Passepartout soll es eine Verbesserung geben. Genauere Resultate erhalten wir
erst nach der Evaluation des Projekts. Die ersten Rückmeldungen aus den
Gymnasien im Wallis stimmen mich aber zuversichtlich: In der Grammatik und
Textproduktion sind die Schüler zwar weniger gut, dafür sind sie viel stärker
im Leseverstehen und im Reden. Letztlich kommt Sprache von Sprechen. In unserem
viersprachigen Land ist das meines Erachtens ein gutes Zeichen.
Zurück
zu Ihren Lernlandschaften. Wie evaluieren Sie den Bildungseffekt dieses
Modells?
Im
Schulbetrieb messen wir mit normalen Instrumenten: mit Tests und
Orientierungsarbeiten. Wir haben Vergleiche. In Lernlandschaften sind die
Leistungen an den kantonalen Orientierungsarbeiten in diesem Schuljahr leicht
überdurchschnittlich ausgefallen. Abschliessend können wir den Erfolg jedoch
beurteilen, wenn die ersten Jahrgänge unsere Schule verlassen und wir
Rückmeldungen von Lehrmeistern und weiterführenden Schulen haben.
Nirgends
werden beide Modelle so nahe beieinander geführt wie in Pratteln. Können Sie
schon sagen, ob jemand in Pratteln bevorzugt ist, wenn er in die Lernlandschaft
eingeteilt ist?
In
Bezug auf die Fachkompetenz allein wird es keinen Unterschied geben. Das wage
ich heute schon zu prognostizieren. Aber ich bin überzeugt, dass Schüler im
Bereich der Selbstorganisation und des selbstverantwortlichen Lernens in
Lernlandschaften im Vorteil sind. Sie können Aufgaben selbstständiger anpacken
und den Lernerfolg selber kontrollieren.
Wohin
wird sich die Schule Baselland nach dem Reformstopp bewegen?
Das
ist schwierig zu sagen. Es gibt viele Initiativen, das Verhältnis zwischen
Bildungsrat und Landrat ist offen. In dieser politischen Situation müssen sich
die Schulen auf sich, auf ihre Entwicklung und Arbeit konzentrieren. Die
politischen Entscheide werden sie zur Kenntnis nehmen müssen und entsprechend
umsetzen.
Einfach
den Job machen …
Ja.
Das ist mir ein Anliegen. Durch die schwierige Situation, verbunden mit der verständlicherweise
sehr kritischen Berichterstattung, steht die Bildung im Baselland in einem
ungünstigen Licht. Es herrscht eine grosse Diskrepanz zum Einsatz der
Lehrerinnen und Lehrer: Sie arbeiten gut.
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