Bildungspolitik ist
Verantwortung, Verpflichtung und grosse Chance zugleich. Gute Bildung ist für
unsere Kinder Ausgangspunkt eines Lebens vielfältigster Möglichkeiten, und es
geht um die Chancen junger Menschen, nicht um Strukturen, Ideologien oder
scheinbar fortschrittliche Konzepte.
Nützliche Veränderung? Basler Zeitung, 2.5. von Nadine Gautschi
Der
Kanton Basel-Stadt ist daran, sein Bildungssystem – insbesondere die
Volksschule – umfassend zu modernisieren. Die Orientierungsstufe wurde abgeschafft,
Harmos eingeführt, Sonderschulen gibt es fast nicht mehr, dafür wird integrativ
geschult, wir haben Frühfranzösisch ab der dritten und Englisch ab der fünften
Klasse, der Lehrplan 21 wurde eingeführt, auch ohne vorhandene hinreichende
Lehrmittel.
Nun
erleben wir zwar Dynamik in Strukturen und Konzepten und sehen wie deren
Umsetzung schon nur bei der Anpassung der Infrastruktur gegen 800 Millionen
Franken verschlingt.
Währenddessen
ist die zentrale Frage nach dem Nutzen aber beinahe ausgeblendet. Kritisches
Hinterfragen oder gar eine konkrete Kosten-Nutzen-Analyse der Reformvorgänge
scheint unerwünscht. Jedes scheinbare oder tatsächliche Problem wird mit mehr
Geld sowie mehr Verordnungen und Weisungen zugepflastert. Die ebenso
sichtbaren wie teuren neuen Infrastrukturen dürfen jedoch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die nützlichen und vernünftigen Bildungsziele der
Volksschule offenbar inmitten all der aufregenden neuen Ideen und Konzepte aus
den Augen verloren wurden.
Klassischer
Managementfehler
Der
Leitung der Basler Volksschulen scheint ein klassischer Managementfehler
unterlaufen zu sein: Die Ideen und Konzepte sind als Zugpferde dem Wagen davon
galoppiert – und der Wagen, unsere Volksschule, steckt nun im Morast.
Es
bleibt zu hoffen, dass einige zentrale Fragen in der Politik gestellt und von
unserer Regierung beantwortet werden. Diese wären meines Erachtens nach:
1.
Eine Analyse der Anzahl Lehrpersonen, Pädagogen, Therapeuten und so weiter,
welche pro Klasse in der Primarschule eingesetzt werden, und des konkreten
Nutzens des Personaleinsatzes – einschliesslich einer kritischen Würdigung der
Tatsache, dass Primarschulkinder schon in der ersten Klasse mit fünf und mehr
Bezugspersonen konfrontiert werden.
2.
Eine Analyse zum Stand der Förderung der einzelnen Schüler an der Volksschule,
Anteile speziell geförderter Schüler (Legasthenie, Ergotherapie,
Psychomotorik, Rhythmik etc. und auch Begabtenförderung). Sind diese Anteile
nützlich, welche Ziele werden erreicht?
3.
Eine Evaluation des Frühfranzösischs an und für sich (erreichen die Schüler die
Sprachkompetenz, die nach dem Übertritt in die Sekundarschule vorausgesetzt
wird?) und der Tauglichkeit der verwendeten Lehrmittel im Speziellen.
4.
Eine Erhebung des Anteils der Kinder, die neben der Schule private
Nachhilfeangebote in Anspruch nehmen und – aus welchen Gründen – sowie eine
Stellungnahme dazu, wie man gedenkt, diesen Anteil zu minimieren, weil die
öffentliche Volksschule Chancengleichheit herstellen sollte.
Nadine Gautschi, Basel, ist Ökonomin und Vizepräsidentin der FDP
Basel-Stadt.
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