Wenn am
6. Juni der Ramadan beginnt, ist die Ʈhurgauer Erziehungsdirektorin Monika
Knill (SVP) gerüstet. Ihr Volksschulamt hat klare Direktiven für den
muslimischen Fastenmonat erlassen: An den Ʈhurgauer Schulen wird es keine
Islam-Sonderregelungen geben.
Monika Knill geht weiter als andere Kantone, Bild: Reto Martin
Koch- und Turnunterricht auch während des Ramadan, Sonntagszeitung, 8.5. von Nadja Pastega
Das
hält das «Merkblatt zu Schule und Ramadan» fest, das Knills Schulbehörde in
Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Ʈhurgau erarbeitet hat. Die
zweiseitigen behördlichen Anweisungen enthalten «Regeln» für den Umgang mit
muslimischen Schülern, die aus religiösen Gründen fasten. Wörtlich heisst es
darin: «Die Dispensation vom Unterricht in einzelnen Fächern ist während des
Monats Ramadan nicht möglich, auch nicht von den Fächern Hauswirtschaȑ (Kochen),
Turnen und Schwimmen.»
Bei Absenz «eventuellen Notenabzug in Kauf
nehmen»
Die
Logik des Ʈhurgauer Ramadan-Papiers ist einfach: Fasten während der Schulzeit
ist zu akzeptieren – aber kein Grund, den Stundenplan abzuspecken. Wer im
Turnunterricht an einer Sportprüfung nicht teilnimmt, muss «einen eventuellen
Notenabzug in Kauf nehmen», steht im neuen Regelblatt. Dagegen könne auf das
«Einfordern von Extremleistungen» während des Ramadan verzichtet werden.
Normalbetrieb soll auch im Fach Hauswirtschaft herrschen. Fastende Schülerinnen
und Schüler müssen nicht nur in den Ʈheorieunterricht, sondern sich auch «aktiv
am Kochen beteiligen». Nur während der Mahlzeiten gibt es Ausnahmen: Schulen
sollen die Möglichkeit bieten, sich «anderweitig zu beschäftigen». Diese Regeln
gelten gemäss Merkblatt «in angepasstem Sinn» auch für Klassenlager und andere
schulische Anlässe mit Essenszubereitung.
Damit
geht der Ʈhurgau weiter als andere Kantone, die Dispensationen von einzelnen
Fächern erlauben. Nicht zum ersten Mal stellt sich Erziehungsdirektorin Knill
gegen den schulpolitischen Mainstream. Der Ʈhurgau ist der Kanton, der das
Frühfranzösisch aus der Primarschule kippen will und damit für Aufregung bis
ins Büro von Bundesrat Alain Berset sorgt.
Während
des Ramadan dürfen gläubige Muslime von der Morgendämmerung bis zum
Sonnenuntergang weder essen noch trinken. Die Pflicht des Fastens beginnt mit
der Pubertät. Aber auch jüngere Kinder würden «in vielen Familien ermutigt,
einige Stunden am Tag zu fasten», heisst es im Ʈhurgauer Ramadan-Flyer. Er
ergänzt die bereits länger vorliegende Broschüre «Religion und Schule».
Das
neue Merkblatt zeige «die Rechtsgrundlagen und grundsätzlichen Überlegungen in
Zusammenhang mit dem Ramadan», sagt Knill. «Die Schulen erhalten so eine
Hilfestellung, wie sie mit solchen Fragestellungen umgehen können.» Für hohe
religiöse Feiertage seien Dispensationen «selbstverständlich möglich», so
Knill. Das seien aber «Einzeltage». Muslimische Eltern können ihre Kinder also
zum Beispiel für das Fasten- brechen, eine Feier zum Abschluss des Ramadan, vom
Schulbesuch dispensieren lassen – aber nicht für den ganzen Ramadan. Auch gibt
es laut Knill kein Recht auf eine Dispensation von einzelnen Unterrichtsfächern.
Kantone wie Zürich, Basel oder St. Gallen
erlauben Fernbleiben
Das
sieht man im Kanton Zürich anders. Schülerinnen und Schüler, die aus religiösen
Gründen fasten, können an Zürcher Schulen «während dieser Zeit dem
Sportunterricht fernbleiben» und «vom Kochen und Essen im Hauswirtschaftsunterricht
befreit werden», hält ein Grundlagenpapier des Volksschulamts fest.
Auch
St. Gallen, Schaffhausen und Freiburg gewähren einen Dispens vom
Kochunterricht. In Baselland, wo derzeit Juristen über einem Gutachten zum
Händedruck-Dispens an einer Schule in Ʈherwil brüten, steht im Handbuch für
Schulleiter: «Für Schülerinnen und Schüler, die fasten, können die
Unterrichtsinhalte angepasst werden.» Im Nachbarkanton Basel-Stadt können
muslimische Schüler während des Fastenmonats gemäss Leitfaden des
Erziehungsdepartements «vom Sportunterricht befreit und anderweitig beschäftigt
werden». Allerdings könne das Fasten auch nur vorgeschützt werden, um sich vor
dem Turnen und anderen ungeliebten Fächern zu drücken. Den Basler Lehrern wird
daher empfohlen, sich zu informieren, wann der Ramadan tatsächlich stattfindet.
Bei der
Föderation islamischer Dachorganisationen der Schweiz (Fids) gibt es keine
Kritik für das Ausscheren und die harte Linie des Kantons Ʈhurgau. Ob das
Fasten mit einem Koch- und Turnobligatorium erschwert werde, hänge unter
anderem von der Tageszeit der Lektionen ab. «Ein frühmorgendlicher
Turnunterricht mit einigen Dehnübungen ist anders zu beurteilen als ein
12-Minuten-Lauf an einem Sommernachmittag», sagt Fids-Sprecher Önder Güneş.
Ähnlich sei es beim Kochen. «Wir befürworten deshalb den Dialog mit allen
Beteiligten und den Konsens als Lösung.»
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