Elisabeth Calcagnini stellt die Broschüre von Bruno Nüsperli ("Was will uns der Lehrplan 21 sagen?") vor.
Karikatur von B. Peyer
Was will uns der Lehrplan 21 sagen? Blog Südostschweiz, 2.3. von Elisabeth Calcagnini
Zugegeben, vordergründig mache ich es mir diesmal
ein wenig einfach: Ich schaue über die Kantonsgrenze und schreibe (wohlgemerkt
mit dem Einverständnis des Autors) ab. Doch meine Absicht ist, dass die
Leserinnen und Leser meines Blogs sich wenigstens einmal einen Bruchteil der
über 2300 Kompetenzstufen des Lehrplans 21 im Originalton zu Gemüte führen.
Bruno
Nüsperli, Gegner der ersten Stunde im Kanton Aargau, hat sich in dankenswerter
Weise durch das umfangreiche Elaborat gearbeitet, eine repräsentative Auswahl
getroffen und mit spitzer Feder und Sachverstand kommentiert. Hand aufs Herz,
wer von Ihnen hat sich diese Mühe gemacht? Wer hat sich die Zeit genommen, den
umstrittenen Wälzer sorgfältig zu studieren? Nüsperli präsentiert uns mit
seiner kürzlich erschienenen Broschüre «Was will uns der Lehrplan 21 sagen?»
eine handliche Lesehilfe, die vielen zu einem eigenen Urteil verhelfen wird.
Ich
beginne gleich vorne mit dem Fachbereich Deutsch, der aufgeteilt ist in die
Kompetenzbereiche Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben, Sprache im Fokus und
Literatur im Fokus. Nüsperli hat aus 473 den Deutschunterricht betreffenden
Kompetenzstufen bereits eine zehn bis 20 Beispiele umfassende Auswahl
getroffen. Ich entscheide mich davon für jeweils zwei. Die vorangestellte Zahl
bezieht sich auf den entsprechenden Zyklus (1: Kindergarten bis zweite Klasse,
2: dritte bis sechste Klasse, 3: siebte bis neunte Klasse).
Hören
«1
Schülerinnen und Schüler können unverbindliche Laute und Lautverbindungen
heraushören, im Wort verorten (Anlaut, Mittellaute, Endlaut) und mit
Erfahrungen aus der Erstsprache vergleichen. 2 ... können sich unter Anleitung
darüber austauschen, welche Wirkung ein Gesprächsbeitrag auf sie hat.
Lesen
1
Schülerinnen und Schüler können Piktogramme und einfache Wortbilder aus ihrem
Alltagsleben wieder erkennen (z.B. Migros, Coop, Volg, Coca Cola). 2 ... können
eine inhaltliche und grammatikalische Leseerwartung aufbauen.
Sprechen
1
Schülerinnen und Schüler können eine angenehme und wertschätzende
Gesprächsatmosphäre als Bereicherung erfahren und dies mit eigenen Worten
ausdrücken.
3 ... können Wörter, Wendungen und Satzmuster in für sie neuen
Situationen angemessen anwenden.
Schreiben
1
Schülerinnen und Schüler können beschreiben, woher sie Informationen erhalten
(z.B. Printmedien, Fernsehen, Internet). 2 ... können in einem dem Formulieren
dienlichen Tempo mit verschiedenen Schreibgeräten leserlich schreiben bzw.
beherrschen die dafür notwendige Feinmotorik.
Sprache im Fokus
1
Schülerinnen und Schüler können sprachliches Material nach vorgegebenen
Kriterien auswählen und ordnen (z.B. Wörter nach Anlaut sortieren, Reime
ordnen, Wörter zu Begriffsfeld sammeln, Grussformen sammeln.) 3 ... können die
Bedeutung von Rechtschreibregeln reflektieren.
Literatur im Fokus
2
Schülerinnen und Schüler können in einem Lesetagebuch beschreiben, wie sie
einen literarischen Text gelesen haben und wie er ihnen gefallen hat. 3 ...
können die Innensicht und die Gedanken von Figuren in eindeutigen Situationen
erkennen und imaginieren (z.B. szenische Darstellung, innerer Monolog).»
Bruno Nüsperli kommentiert: «Was
erwartet ein normaler Zeitgenosse vom Deutschunterricht an der Volksschule?
Vermutlich zunächst die Beherrschung einer fehlerfreien Ausdrucksfähigkeit in
Wort und Schrift, wozu auch Verstehen und Verständnis für den Inhalt zählen.
Natürlich kommt Weiteres hinzu, zum Beispiel Ausdrucks-weise und Rhetorik;
Denkschulung und Debattierkunst; Zugang zur Literatur etc.
Das
geschah schon bisher so, kantonal vielleicht unterschiedlich. Entscheidend für
den Erfolg waren weder Lehrmittel noch Lehrpläne, sondern Persönlichkeit und
pädagogisches Flair der Lehrkraft.
Bekanntlich
wünschte das Volk vor zehn Jahren eine Harmonisierung der kantonalen
Unterschiede, was die EDK zu tun versprach. Sie tat es aber nicht, sondern
liess sich von aussen (OECD, UNESCO) und innen (Bildungsbürokratie) unter Druck
setzen, etwas Unmögliches zu tun: unser äusserst erfolgreiches Schulsystem
durch ein «kompetenzorientiertes» und unerprobtes Experiment zu ersetzen, unter
gleichzeitiger Degradierung der Lehrpersonen zu gesteuerten Vollzugsbeamten der
neuen Ideologie.
Glaubt
irgend jemand, die oben erwähnte Zielsetzung für den elfjährigen
Deutschunterricht mit einem solchen Kompetenzengeschwurbel auch nur annähernd
zu erreichen? Mit diesem Gestammel aus 473 Kompetenzstufen?»
Auch
ich zweifle daran, ganz abgesehen davon, dass ein solcher «Lehrplan»
grundsätzlich nicht praktikabel ist.
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