Das Projekt soll den
Schulstoff in der Deutschschweiz vereinheitlichen. Leichter gesagt, als getan:
In immer mehr Kantonen wächst der Widerstand. Statt Eintracht droht ein
Scherbenhaufen.
Der Widerstand gegen den Lehrplan 21 wächst, Bild: Colourbox
Lehrplan 21 - von wegen Harmonie, SRF, 11.3. von Rafael von Matt
In allen 21
Deutschschweizer Kantonen soll der Schulstoff harmonisiert, also
vereinheitlicht werden. Doch der Widerstand hält an. In 13 betroffenen Kantonen
wurden Initiativen oder Vorstösse gegen diesen Lehrplan lanciert. Die Frage
stellt sich: Ist das Projekt vor dem Aus?
«Nein, der Lehrplan 21
droht nicht zu scheitern», sagt Christoph Mylaeus, Geschäftsleiter der
Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz: «Auch wenn man in einzelnen
Punkten unterschiedlicher Meinung sein kann, wird der Lehrplan in den
Grundzügen so unterstützt, wie er jetzt vorliegt.»
Beschlossene Sache? Mitnichten
So haben erste Kantone –
die beiden Basel – im laufenden Schuljahr mit der Einführung des neuen
Lehrplans begonnen. Und weitere 13 Kantone haben die Einführung beschlossen.
Obwohl das Projekt also schon weit fortgeschritten ist, ist es nicht unter Dach
und Fach, weil eben in vielen Kantonen Initiativen gegen den Lehrplan laufen.
Es sind vor allem konservative Kräfte, die den Lehrplan bekämpfen, aber auch
Vertreter aus linken und liberalen Kreisen – und ein Teil der Lehrerschaft. Der
Bieler Lehrer Alain Pichard gehört zu den lautesten Kritikern. Er begrüsst den
Widerstand in den Kantonen: «Es ist eindeutig etwas am Wachsen. Je länger, je
mehr dringen diese grundsätzlichen Änderungen zur Lehrerschaft durch – und so
langsam erwacht sie.»
Unmut bei der Lehrerschaft
Tatsächlich haben sich
zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer in den vergangenen Monaten gegen den Lehrplan
geäussert. Sie stören sich an der Kompetenzorientierung. Das heisst: Der neue
Lehrplan gibt nicht mehr vor, was die Schüler wissen müssen, sondern was sie
können müssen. Die Kritiker glauben, der Schulstoff könnte zu kurz kommen, es
zähle nur noch die Anwendung des Wissens.
Weiter befürchten sie,
dass mit dem neuen Lehrplan eine flächendeckende Testkultur an den Schulen
eingeführt werde. Ausserdem greife der Lehrplan in die Freiheit der Lehrer ein:
«Mit der Kompetenzorientierung, mit der Detailliertheit, ist ein
Steuerungsversuch da.» Man wolle den Lehrern nicht nur sagen, was sie machen,
sondern wie sie es machen müssten.
Zu den kantonalen Urnengängen zum Lehrplan 21
Doch trotz dieser Kritik
aus der Lehrerschaft: Insgesamt stehe die Mehrheit der Lehrpersonen hinter dem
neuen Lehrplan, sagt Beat Zemp, Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes.
In 13 Kantonen verlangen Initiativen, dass das Parlament oder das Volk über die
Einführung des Lehrplans entscheiden kann.
Zemp findet, das sei der
falsche Weg: «Volksabstimmungen über einen Lehrplan machen einfach keinen Sinn.
Das ist viel zu komplex.» Es gebe einzelne Punkte, die stark umstritten seien,
so Zemp, etwa das Fremdsprachenkonzept: «Und hier wird der Lehrplan 21 als
Vehikel missbraucht, um gewisse Dinge zu verhindern. »
So ist gerade die
Fremdsprachenfrage gar nicht Teil des Lehrplanes. Ob die Primarschüler eine
zweite Landessprache oder Englisch lernen sollen, ist noch ungeklärt. Sie ist
vom Lehrplan aber ausgeklammert. Trotz des Widerstandes in verschiedenen
Kantonen: Zemp glaubt nicht, dass der Lehrplan noch scheitern könnte: «Es steht
in unserer Bundesverfassung, dass die Ziele der Bildungsstufen harmonisiert
werden müssen. Diesen Auftrag müssen wir umsetzen, daran führt kein Weg
vorbei.»
Legen die Stimmbürger ihr Veto ein?
Es kann jedoch sein,
dass die Stimmbürger in einem Kanton den Lehrplan 21 ablehnen. Christoph
Mylaeus von der Erziehungsdirektorenkonferenz erklärt, was das bedeuten würde:
«Dann müsste der betreffende Kanton einen eigenen Lehrplan entwickeln. Der
müsste aber so ausgerichtet sein, dass die vom Lehrplan 21 vorgegebenen Ziele
umgesetzt werden können.»
Aber eine Ablehnung
hätte natürlich Signalwirkung. Ähnlich war die Situation vor acht Jahren beim
Projekt HarmoS, dem allgemeinen Harmonisierungsprojekt der Schweizer
Volksschule. Bei HarmoS ging es etwa um die Schuldauer, um Blockzeiten und um
Lernziele. Der Widerstand gegen das Projekt nahm mit der Zeit zu. Schliesslich
lehnten sieben Kantone den Beitritt ab. Am Ende resultierte statt einer
Vereinheitlichung ein Flickenteppich.
Passiert nun das Gleiche
beim Lehrplan 21? Bereits die nächsten Monate werden erste Entscheide bringen:
Im April stimmt die Appenzeller Landsgemeinde darüber ab, ob das Volk bei der
Einführung des Lehrplans 21 mitreden soll. Und im Juni befindet die
Stimmbevölkerung im Kanton Baselland über die gleiche Frage.
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