Unter dem Radar der
breiteren öffentlichen Aufmerksamkeit hat der Landrat an seiner Sitzung am
vergangenen Donnerstag die Motion von Landrätin Regina Werthmüller (parteilos)
überwiesen. Der Vorstoss mit dem beinahe verharmlosenden Titel «Stufenlehrpläne
mit transparentem Inhalt» ist aber an bildungspolitischer Brisanz derzeit fast
nicht zu überbieten. Er bedeutet die Abkehr von der neuen im Lehrplan 21
festgehaltenen Doktrin, sich an «Kompetenzen» zu orientieren, und die
Hinwendung zur Beschreibung von Lerninhalten im Gesetz. 47 von 33 Landräten
fordern dies, Kompetenzen können allenfalls erwähnt werden; sie erhalten den
Status von «Beigemüse».
Austreibung des Kompetenz-Geistes per Gesetz, Basler Zeitung, 22.3. von Daniel Wahl
FDP-Bildungsdirektorin
Monica Gschwind lehnte die Entgegennahme des Vorstosses als verbindliche
Aufgabe ab und argumentierte, sie wolle erst «ergebnisoffen» die Resultate der
von ihr einberufenen Gruppe «Marschhalt» abwarten, die sich zu den Bildungsreformen
äussern wird. Dieses Argument dürfte aber im Landrat von der Sprengkraft des
Vorstosses eher abgelenkt haben, in der Debatte wirkte es beinahe verwässernd.
Regina
Werthmüller, die Gratulationen nach der Überweisung erhielt, sowie
Bildungsreformkritiker Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige), der aus der ganzen
Schweiz Reaktionen erhielt, können einen Coup mit Hilfe von GLP, FDP und SVP
verzeichnen: «Der Lehrplan 21 wird nicht mehr mit dem Gesetz kompatibel sein.
Massgebend sind definierte Inhalte, sollten die ausgearbeiteten Paragrafen denn
vom Landrat gutgeheissen werden», sagt Werthmüller. Und Wiedemann ergänzt:
«Eltern, die einen Schulrekurs einleiten, werden sich aufs Gesetz berufen können,
ein kompetenzorientierter Lehrplan wird dann keine Gültigkeit mehr haben.»
Die
beiden glauben, mit der gesetzlichen Verankerung von Lerninhalten der Schule
wieder mehr Sicherheit zu geben. «Bei 3500 Haupt- und Unterkompetenzen, wie sie
der Lehrplan 21 einfordert, ist unklar definiert, was wirklich gelernt werden
muss. Die einzelnen Schulen driften unweigerlich auseinander und erschweren
einen Schulwechsel», sagt Werthmüller. Das sei ziemlich das Gegenteil davon,
was die Schulharmonisierung unter dem Stichwort Harmos wollte.
Primarstufe buchstabiert
zurück
Gemerkt
hat die SP, dass nun nicht nur die Einführung des Lehrplans 21 auf
Sekundarstufe infrage gestellt wird, sondern dass vielmehr auch die Primarstufe
betroffen sein wird. Vergeblich opponierte sie im Landrat und versuchte, das
Erbe von alt Regierungsrat Urs Wüthrich zu retten. Ärgern dürfen sich nämlich
all jene Lehrer und Schulleitungen auf der Primarstufe, die den Lehrplan 21
eingeführt und sich kompetenz-orientierte Lehrmittel angeeignet haben. Sie
mussten nicht nur viel teurere Bücher, Hefte und Software anschaffen, sie haben
auch mehrwöchige Trainings hinter sich, welche von Bildungskritikern übrigens
als «Gehirnwäsche» verspottet werden.
So
teilte Monica Gschwind im Landrat mit, dass die Bildungsdirektion «durch ihren
Austausch mit den Schulen deren klare Erwartung kennt». Man solle die Arbeit
der Schulen «nicht sogleich wieder mit erneuten Änderungen belasten».
Wiedemann
ordnet die Abwehrhaltung von Gschwind, die sich vor ihrem Amtsantritt für die
Abschaffung des Lehrplans 21 ausgesprochen hatte, wie folgt ein: «Sie befindet
sich im Dilemma, weil sie einer Verwaltung vorsteht, die von der
SP-Bildungsideologie geprägt ist. Sie will sich offenbar noch Spielraum geben
und die Bildungsreform sanft stoppen.» Und Landrätin Regina Werthmüller doppelt
nach: «Wir aber möchten den Lehrplan 21 schneller verhindern.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen