22. März 2016

Gesetz verunmöglicht Lehrplan 21

Unter dem Radar der breiteren öffentlichen Aufmerksamkeit hat der Landrat an seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag die Motion von Landrätin Regina Werthmüller (parteilos) überwiesen. Der Vorstoss mit dem beinahe verharmlosenden Titel «Stufenlehrpläne mit transparentem Inhalt» ist aber an bildungspolitischer Brisanz derzeit fast nicht zu überbieten. Er bedeutet die Abkehr von der neuen im Lehrplan 21 festgehaltenen Doktrin, sich an «Kompetenzen» zu orientieren, und die Hinwendung zur Beschreibung von Lerninhalten im Gesetz. 47 von 33 Landräten fordern dies, Kompetenzen können allenfalls erwähnt werden; sie erhalten den Status von «Beigemüse».
Austreibung des Kompetenz-Geistes per Gesetz, Basler Zeitung, 22.3. von Daniel Wahl


FDP-Bildungsdirektorin Monica Gschwind lehnte die Entgegennahme des Vorstosses als verbindliche Aufgabe ab und argumentierte, sie wolle erst «ergebnisoffen» die Resultate der von ihr einberufenen Gruppe «Marschhalt» abwarten, die sich zu den Bildungs­reformen äussern wird. Dieses Argument dürfte aber im Landrat von der Sprengkraft des Vorstosses eher abgelenkt haben, in der Debatte wirkte es beinahe verwässernd.

Regina Werthmüller, die Gratulationen nach der Überweisung erhielt, sowie Bildungsreformkritiker Jürg Wiede­mann (Grüne-Unabhängige), der aus der ganzen Schweiz Reaktionen erhielt, können einen Coup mit Hilfe von GLP, FDP und SVP verzeichnen: «Der Lehrplan 21 wird nicht mehr mit dem Gesetz kompatibel sein. Massgebend sind definierte Inhalte, sollten die ausgearbeiteten Paragrafen denn vom Landrat gutgeheissen werden», sagt Werthmüller. Und Wiedemann ergänzt: «Eltern, die einen Schulrekurs einleiten, werden sich aufs Gesetz berufen können, ein kompetenzorientierter Lehrplan wird dann keine Gültigkeit mehr haben.»

Die beiden glauben, mit der gesetzlichen Verankerung von Lerninhalten der Schule wieder mehr Sicherheit zu geben. «Bei 3500 Haupt- und Unterkompetenzen, wie sie der Lehrplan 21 einfordert, ist unklar definiert, was wirklich gelernt werden muss. Die einzelnen Schulen driften unweigerlich auseinander und erschweren einen Schulwechsel», sagt Werthmüller. Das sei ziemlich das Gegenteil davon, was die Schulharmonisierung unter dem Stichwort Harmos wollte.
Primarstufe buchstabiert zurück
Gemerkt hat die SP, dass nun nicht nur die Einführung des Lehrplans 21 auf Sekundarstufe infrage gestellt wird, sondern dass vielmehr auch die Primarstufe betroffen sein wird. Vergeblich opponierte sie im Landrat und versuchte, das Erbe von alt Regierungsrat Urs Wüthrich zu retten. Ärgern dürfen sich nämlich all jene Lehrer und Schulleitungen auf der Primarstufe, die den Lehrplan 21 eingeführt und sich kompetenz-orientierte Lehrmittel angeeignet haben. Sie mussten nicht nur viel teurere Bücher, Hefte und Software anschaffen, sie haben auch mehrwöchige Trainings hinter sich, welche von Bildungskritikern übrigens als «Gehirnwäsche» verspottet werden.

So teilte Monica Gschwind im Landrat mit, dass die Bildungsdirektion «durch ihren Austausch mit den Schulen deren klare Erwartung kennt». Man solle die Arbeit der Schulen «nicht sogleich wieder mit erneuten Änderungen belasten».


Wiedemann ordnet die Abwehrhaltung von Gschwind, die sich vor ihrem Amtsantritt für die Abschaffung des Lehrplans 21 ausgesprochen hatte, wie folgt ein: «Sie befindet sich im Dilemma, weil sie einer Verwaltung vorsteht, die von der SP-Bildungsideologie geprägt ist. Sie will sich offenbar noch Spielraum geben und die Bildungsreform sanft stoppen.» Und Landrätin Regina Werthmüller doppelt nach: «Wir aber möchten den Lehrplan 21 schneller verhindern.»

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen