11. Februar 2016

Kontrollinstrument zur Durchsetzung des Lehrplans 21

Der Wechsel zum kompetenzorientierten Lehrplan 21 soll bei der Lehrerschaft durchgesetzt werden. Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat ein Online-Tool entwickelt, mit dem kontrolliert werden kann, ob die Lehrerinnen und Lehrer den angeordneten Paradigmenwechsel zum nutzungsorientierten Lehrplan auch vollziehen. Im Kanton Thurgau wurden die Schulleitungen bereits mit dem neuen Kontrollinstrument ­ausgerüstet.
Der neue Kompetenzmanager sei «ein einfaches, sinnvolles Ergänzungsinstrument für den kompetenzorientierten Unterricht», heisst es in einer von Bildung Thurgau verbreiteten Medienmitteilung von Ende Januar. Mit dem Tool und dem dazugehörigen Kärtchenset lassen sich Einschätzungen und Leistungsausweise für jede Lehrerin und jeden Lehrer online fichieren. Aus den persönlichen Profilen lässt sich dann «der Entwicklungsbedarf für die Einführung des Lehrplans» feststellen, wie in der Mitteilung ausgeführt wird.
Wie der Lehrplan 21 durchgesetzt wird, Basler Zeitung, 11.2. von Thomas Dähler


Ähnliches hat auch schon Christian Amsler, Schaffhauser Regierungsrat und Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz, angekündigt. «Wenn es Lehrer gibt, die renitent sind und sich weigern, den Lehrplan umzusetzen, darf die Behörde keinen Millimeter zurückweichen», sagte er in einem Interview mit der Sonntagszeitung vom Dezember.
Eine Beschreibung des neuen Kontrollinstruments des Thurgauer Amts für Volksschule liegt der BaZ vor. Es basiert auf bildungsbürokratischen Qualifikationskriterien, die nur Lehrerinnen und Lehrer erfüllen, die ihren gesamten Unterricht auf die nutzungsorientierten neuen Bildungsziele umstellen. Wer sich an Wissensvermittlung und traditioneller Allgemeinbildung oder am ganzheitlichen Ansatz der Pädagogik von Johann Heinrich Pestalozzi orientiert, fällt durch.
Gemessen werden die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer an einer Reihe neuer Anforderungen wie «Kompetenzstand erfassen», «Kompetenzerwartungen überprüfen», «Kooperatives Lernen fördern», «Lernziele als Bezugspunkt nutzen», «Lebensweltbezüge schaffen», «Kompetenzkultur aufbauen» und Ähnlichem mehr.
Online erhält die Schulleitung aus den einzelnen Einschätzungen einen Überblick über die Neuorientierung der einzelnen Lehrkräfte, etwa über eine «Matrix Kompetenzrad», die grafisch darstellt – den politischen Spinnendiagrammen von Smartvote ähnlich –, wie linienförmig sich die einzelnen Lehrkräfte bei der Umsetzung des Lehrplans 21 verhalten. Wer die Kriterien nicht genügend erfüllt, soll an entsprechenden Weiterbildungsangeboten die neue Philosophie zusätzlich vermittelt erhalten.
«Verantwortung übernehmen»
Zur Philosophie des Qualifikationsinstruments gehört auch eine Selbsteinschätzung, welche die Lehrerinnen und Lehrer vornehmen sollen. «Es ist wichtig und gehört zu einer funktionierenden Kompetenzkultur, dass die Lehrpersonen Verantwortung für ihren eigenen Kompetenzerwerb übernehmen», heisst es in der Anleitung. Schulleitung und Lehrer könnten dann auf der Grundlage die «Weiterentwicklung der Kompetenzen gemeinsam planen» und dies «verbindlich festhalten».
Die Parallele zum Geist des Lehrplans 21 ist augenfällig. Dort wird etwa im Kompetenzenkatalog Deutsch für Primarschüler festgehalten: «Die Schülerinnen und Schüler können im Austausch mit anderen eine Distanz zum eigenen Text aufbauen und ihn mithilfe von Kriterien einschätzen.» Und: «Die Schülerinnen und Schüler können problematische Textstellen finden und alternative Formulierungen vorschlagen.»
Der neue Kompetenzmanager für Lehrerinnen und Lehrer ist die Grundlage für deren Aus- und Weiterbildung, die ebenso nutzungsorientiert ist wie der Lehrplan 21 für die Schülerinnen und Schüler. «Das Gespräch mit Lehrpersonen über ihre persönlichen Profile und beruflichen Entwicklungspläne ermöglicht der Schulleitung eine ressourcen- und entwicklungsorientierte Personalführung, mit welcher die individuelle Entwicklung der Lehrpersonen geplant und durchgeführt werden kann», steht in der Anleitung des Thurgauer Amts für Volksschule.
Lehrplan 21 ein Kurswechsel
Dass mit dem Lehrplan 21 nicht nur eine kantonale Harmonisierung der Schulsysteme eingeleitet, sondern ein Kurswechsel durchgesetzt wird, halten die Verantwortlichen im Kanton Thurgau ausdrücklich schriftlich fest: «Die Arbeit an Kompetenzen impliziert einen Kurswechsel und braucht bestimmte Rahmenbedingungen und angepasste Strukturen.»

Die Thurgauer Pläne, die eine Einführung des neuen Lehrplans Mitte 2017 vorsehen, stehen im Widerspruch zu den Beteuerungen, die Christoph Eymann, Präsident der Erziehungsdirek­toren-Konferenz, abgegeben hat. Der Basler Erziehungsdirektor, der auf erste Erfahrungen mit dem in Basel-Stadt bereits eingeführten Lehrplan 21 verweisen kann, will diesen als «Kompass» und «nicht als Bibel» verstanden haben. «Es gibt bei uns keine Kontrollinstanz, die prüft, ob sich jeder sklavisch daran hält», diktierte Eymann dazu der deutschen Wochenzeitung Die Zeit.

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