Der Wechsel zum
kompetenzorientierten Lehrplan 21 soll bei der Lehrerschaft durchgesetzt
werden. Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat ein Online-Tool
entwickelt, mit dem kontrolliert werden kann, ob die Lehrerinnen und Lehrer den
angeordneten Paradigmenwechsel zum nutzungsorientierten Lehrplan auch
vollziehen. Im Kanton Thurgau wurden die Schulleitungen bereits mit dem neuen
Kontrollinstrument ausgerüstet.
Der neue Kompetenzmanager
sei «ein einfaches, sinnvolles Ergänzungsinstrument für den
kompetenzorientierten Unterricht», heisst es in einer von Bildung Thurgau verbreiteten Medienmitteilung von Ende
Januar. Mit dem Tool und dem dazugehörigen Kärtchenset lassen sich
Einschätzungen und Leistungsausweise für jede Lehrerin und jeden Lehrer online
fichieren. Aus den persönlichen Profilen lässt sich dann «der
Entwicklungsbedarf für die Einführung des Lehrplans» feststellen, wie in der
Mitteilung ausgeführt wird.
Wie der Lehrplan 21 durchgesetzt wird, Basler Zeitung, 11.2. von Thomas Dähler
Ähnliches hat auch schon
Christian Amsler, Schaffhauser Regierungsrat und Präsident der Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren-Konferenz, angekündigt. «Wenn es Lehrer gibt, die renitent
sind und sich weigern, den Lehrplan umzusetzen, darf die Behörde keinen
Millimeter zurückweichen», sagte er in einem Interview mit der Sonntagszeitung vom Dezember.
Eine Beschreibung des
neuen Kontrollinstruments des Thurgauer Amts für Volksschule liegt der BaZ vor.
Es basiert auf bildungsbürokratischen Qualifikationskriterien, die nur
Lehrerinnen und Lehrer erfüllen, die ihren gesamten Unterricht auf die
nutzungsorientierten neuen Bildungsziele umstellen. Wer sich an
Wissensvermittlung und traditioneller Allgemeinbildung oder am ganzheitlichen
Ansatz der Pädagogik von Johann Heinrich Pestalozzi orientiert, fällt durch.
Gemessen werden die
einzelnen Lehrerinnen und Lehrer an einer Reihe neuer Anforderungen wie
«Kompetenzstand erfassen», «Kompetenzerwartungen überprüfen», «Kooperatives
Lernen fördern», «Lernziele als Bezugspunkt nutzen», «Lebensweltbezüge
schaffen», «Kompetenzkultur aufbauen» und Ähnlichem mehr.
Online erhält die
Schulleitung aus den einzelnen Einschätzungen einen Überblick über die
Neuorientierung der einzelnen Lehrkräfte, etwa über eine «Matrix Kompetenzrad»,
die grafisch darstellt – den politischen Spinnendiagrammen von Smartvote
ähnlich –, wie linienförmig sich die einzelnen Lehrkräfte bei der
Umsetzung des Lehrplans 21 verhalten. Wer die Kriterien nicht genügend erfüllt,
soll an entsprechenden Weiterbildungsangeboten die neue Philosophie zusätzlich vermittelt
erhalten.
«Verantwortung übernehmen»
Zur Philosophie des
Qualifikationsinstruments gehört auch eine Selbsteinschätzung, welche die
Lehrerinnen und Lehrer vornehmen sollen. «Es ist wichtig und gehört zu einer
funktionierenden Kompetenzkultur, dass die Lehrpersonen Verantwortung für ihren
eigenen Kompetenzerwerb übernehmen», heisst es in der Anleitung. Schulleitung
und Lehrer könnten dann auf der Grundlage die «Weiterentwicklung der
Kompetenzen gemeinsam planen» und dies «verbindlich festhalten».
Die Parallele zum Geist
des Lehrplans 21 ist augenfällig. Dort wird etwa im Kompetenzenkatalog Deutsch
für Primarschüler festgehalten: «Die Schülerinnen und Schüler können im
Austausch mit anderen eine Distanz zum eigenen Text aufbauen und ihn mithilfe
von Kriterien einschätzen.» Und: «Die Schülerinnen und Schüler können
problematische Textstellen finden und alternative Formulierungen vorschlagen.»
Der neue Kompetenzmanager
für Lehrerinnen und Lehrer ist die Grundlage für deren Aus- und Weiterbildung,
die ebenso nutzungsorientiert ist wie der Lehrplan 21 für die Schülerinnen und
Schüler. «Das Gespräch mit Lehrpersonen über ihre persönlichen Profile und
beruflichen Entwicklungspläne ermöglicht der Schulleitung eine ressourcen- und
entwicklungsorientierte Personalführung, mit welcher die individuelle
Entwicklung der Lehrpersonen geplant und durchgeführt werden kann», steht in
der Anleitung des Thurgauer Amts für Volksschule.
Lehrplan 21 ein
Kurswechsel
Dass mit dem Lehrplan 21
nicht nur eine kantonale Harmonisierung der Schulsysteme eingeleitet, sondern
ein Kurswechsel durchgesetzt wird, halten die Verantwortlichen im Kanton
Thurgau ausdrücklich schriftlich fest: «Die Arbeit an Kompetenzen impliziert
einen Kurswechsel und braucht bestimmte Rahmenbedingungen und angepasste
Strukturen.»
Die Thurgauer Pläne, die
eine Einführung des neuen Lehrplans Mitte 2017 vorsehen, stehen im Widerspruch
zu den Beteuerungen, die Christoph Eymann, Präsident der Erziehungsdirektoren-Konferenz,
abgegeben hat. Der Basler Erziehungsdirektor, der auf erste Erfahrungen mit dem
in Basel-Stadt bereits eingeführten Lehrplan 21 verweisen kann, will
diesen als «Kompass» und «nicht als Bibel» verstanden haben. «Es gibt bei uns
keine Kontrollinstanz, die prüft, ob sich jeder sklavisch daran hält», diktierte
Eymann dazu der deutschen Wochenzeitung Die Zeit.
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