22. Februar 2016

Keine Rankings bei Grundkompetenzen

Seit der Annahme des Bildungsartikels in der Bundesverfassung im Jahr 2006 sind die Kantone dazu verpflichtet, die Ziele der Bildungsstufen der obligatorischen Schule national zu harmonisieren. Die EDK hat dazu 2011 Grundkompetenzen in vier Fächern als nationale Bildungsziele verabschiedet. In einer Medienmitteilung vom 4. Juli 2011 schreibt die EDK: «Es ist nicht gedacht, dass die Lehrpersonen direkt mit diesem Instrument arbeiten. Die Grundkompetenzen richten sich in erster Linie an Fachleute, welche Lehrpläne, Lehrmittel oder Beurteilungsinstrumente erarbeiten.» Es geht also nicht um eine individuelle Leistungsüberprüfung von Schülern, Klassen oder Schulen, sondern um ein nationales Bildungsmonitoring. Auf dem Prüfstand stehen die 26 kantonalen Bildungssysteme und der erreichte Grad der Harmonisierung bei den Bildungszielen. Die Ergebnisse sollen Rückschlüsse zur Leistungsfähigkeit der kantonalen Schulsysteme liefern. Denn im Gegensatz zu PISA, das keinerlei Rücksicht auf nationale Lehrpläne oder Bildungsziele nimmt, bezieht sich die Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) auf national einheitliche Bildungsziele und die sprachregionalen Lehrpläne.
Die EDK beim Wort nehmen, Bildung Schweiz, Februar 2016, Kommentar von Beat Zemp

Mehrfach hat die EDK auch versichert, dass die anfallenden Daten aus der ÜGK nicht zu Rankings von Klassen und Schulen oder zur Leistungsbewertung von Lehrpersonen
missbraucht werden dürfen. Dem Datenschutz kommt daher höchste Priorität zu. 

Der LCH wird ein wachsames Auge auf dieses Versprechen der EDK werfen und erwartet,
dass sich ausnahmslos alle kantonalen Bildungsdepartemente an die vereinbarten Regeln halten. Trotzdem werden Schlagzeilen in den Medien unvermeidbar sein, die ein Kantonsranking aus den Daten der ÜGK ableiten, sobald diese im Bildungsbericht 2018 publiziert werden: «Im Kanton X ist die Bildung am besten». Oder: «Kanton Y nur im Mittelfeld beim Schweizer Bildungstest». Und im Kanton Z mit den
schlechtesten ÜGK-Resultaten: «Warum sind unsere Schüler dümmer als anderswo?» 

Solche Schlagzeilen sind dem Zeitgeist geschuldet, der alles Mögliche und Unmögliche
einem Ranking unterzieht. Im Zeitalter des «Awardismus», der Casting-Shows und der TV-Bachelors gibt es nur Winner und Loser. Kantonsrankings reihen sich da nahtlos ein. Damit müssen wir leben. Hingegen müssen wir nicht und wollen auch nicht in einem Bildungssystem arbeiten, das Schulen und Lehrpersonen mittels Daten aus flächendeckenden und standardisierten Schulleistungstests unter permanenten Wettbewerbsdruck setzt, indem Schulrankings laufend publiziert werden und die Ressourcenzuteilung an Schulen von deren Testresultaten abhängt nach der Formel
«je besser, desto mehr». Dieses Wettbewerbsmodell hat die öffentlichen Schulen in den USA nachhaltig beschädigt, und die Folgen wären auch für unser immer noch gutes
Bildungssystem verhängnisvoll. Die Leidtragenden wären leistungsschwache Schülerinnen und Schüler, Lernende mit Migrationshintergrund und Schulen, die viele Kinder aus
bildungsfernen Schichten und Flüchtlingskinder aufnehmen müssen. Diese «Loser», die das Klassen- und Schulranking ja nur vermiesen, müsste man dann möglichst schnell loswerden
oder mindestens dafür sorgen, dass sie am Testtag nicht in die Schule kommen.

Menschenbildung ist mehr, als Tests messen können
Eine Kultur der Beschämung und der Mogelei mit einem ausgeprägten «teaching to the test» wäre aber das genaue Gegenteil dessen, was wir aus pädagogischer Sicht für richtig
halten. Es gilt, jedem Kind die nötige Hilfe und Unterstützung zu geben, damit es sein Potenzial voll entfalten kann. Und das dauert manchmal etwas länger als bis zum Zeitpunkt des nächsten Leistungstests. Johann Heinrich Pestalozzi hat diese Wahrheit treffend formuliert: «Vergleiche nie ein Kind mit dem andern, sondern jedes nur mit sich selber.» Schulische Menschenbildung ist viel mehr, als PISA und andere Schulleistungstests je messen können. Es sind Lernprozesse, die auf unterschiedlichsten Ebenen dank der menschlichen Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden
initiiert und gefördert werden. Daher hat der Lehrberuf im kommenden Maschinenzeitalter trotz fortschreitender Automatisierung und Digitalisierung eine rosige Zukunft. Das sagten auch ausgewiesene Experten am diesjährigen WEF in Davos. Den Politikern rieten sie, sich für gute Schulen und eine gute Infrastruktur einzusetzen. Dem könnenwir nur beipflichten!


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