24. Februar 2016

Jäger bricht Lanze für Basisschrift

«Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift.» Dieses Zitat des berühmten Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt trifft meiner Meinung nach den sprichwörtlichen Nagel genau auf den Kopf, obwohl meine eigene Handschrift durchaus zu wünschen übrig lässt.
Doch ist dies alles noch zeitgemäss in einem Zeitalter, in welchem die meisten Texte am Computer erfasst werden und ein Grossteil der schriftlichen Kommunikation via SMS, Whatsapp und E-Mail geschieht? Ja, sagt der ehemalige Primarlehrer. Ja, sagt der Bündner Erziehungsdirektor. Ja, der Erwerb einer leserlichen, persönlichen Handschrift gehört auch in Zukunft zu den unverzichtbaren Aufgaben der Volks­schule.
"Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift", Blog Südostschweiz, 24.2. von Martin Jäger


Bisher lernten die Kinder in der ersten Primarklasse zuerst die Steinschrift, um dann in den folgenden Schuljahren in die Schweizer Schulschrift, die sogenannte «Schnüerlischrift», überzugehen, aus der bis zum Ende der obligatorischen Schule meist eine individuelle Mischform resultierte. Dieser Umweg fällt neu weg: Die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz hat im Herbst 2014 die Empfehlung herausgegeben, künftig nur noch die Schweizer Basisschrift zu unterrichten. Hierbei werden die Buchstabenformen unverbunden gelernt und später allmählich teilweise verbunden, dies individuell dort, wo sie die Geläufigkeit der Schrift unterstützen. Unnatürliche Bewegungsabläufe mit vielen Richtungsänderungen, die bei vielen Kindern oft zu Verkrampfungen geführt haben, können so vermieden werden. Nicht nur die Rechtshänderinnen und Rechtshänder erfahren dadurch eine Entlastung, auch und vor allem die Linkshänderinnen und Linkshänder profitieren stark von der neuen Schreibweise. Wie schwierig war es doch, mit der linken Hand zum Beispiel sogar mit Tinte zu schreiben, ohne dass die Schrift verschmiert!
Die Luzerner Schule gilt in der Schweiz als Pionierin in Sachen Basisschrift. Die Pädagogische Hochschule Luzern untersuchte schon vor einigen Jahren die diversen Schulschriften sehr detailliert und kam zum Schluss, dass Kinder in der 3./4. Klasse mit der erlernten Basisschrift leserlicher schreiben als ihre Gspänli mit der Schnüerlischrift. Zudem – und das ist für mich ebenfalls ein wichtiger Aspekt – gaben die Basisschrift-Schreibenden häufiger an, dass sie gerne schreiben.
Der Lehrplan 21 schreibt keine Schriftform vor. Bei den Grundfertigkeiten des Schreibens im Fach Deutsch ist lediglich festgehalten, dass Erstklässler «das ganze Alphabet in einer unverbundenen Schrift» schreiben können. Darauf aufbauend erfolgt dann die Entwicklung einer teilverbundenen oder verbundenen leserlichen, geläufigen und persönlichen Handschrift. Zudem wird von der Schülerinnen und Schülern in Zukunft erwartet, dass sie über einen ausreichend automatisierten Umgang mit Tastaturgeräten verfügen sowie die grundlegenden Elemente der Bedienungsoberfläche eines Textprogrammes beherrschen.
Im Kanton Graubünden fällt der Entscheid über die Einführung der Basisschrift im Rahmen des Regierungsentscheids zur Einführung des Lehrplans 21.
«Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift»: Ja, auch weiterhin.

Martin Jäger ist Bündner Regierungsrat und Vorsteher des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartements.


1 Kommentar:

  1. Peter Aebersold macht folgenden Kommentar: Die Abschaffung der Schnüerlischrift ist nur ein weiteres Kapitel des gefährlichen Trends den Schülern vermeintlich das Lernen zu erleichtern. Man will dem Kind das Erlernen der Schnüerlischrift nicht mehr zumuten. Damit geht jedoch jedes Mal unausgesprochen die verheerende Botschaft mit, "Du kannst es nicht" oder "Ich traue es Dir nicht zu". Anstatt das die Schüler angespornt werden, "das kannst Du auch", auch wenn es Dir am Anfang Mühe bereitet, Generationen von Schülern vor Dir haben es auch gekonnt, warum solltest Du es nicht können? Das "Steine aus dem Wege räumen" bei den Kindern wirkt sich verheerend aus, es entmutig und schwächt sie und hilft das allgemeine Lernniveau zu senken, was man dann mit einfacheren Prüfungen zu kaschieren versucht. Der Lehrplan 21 könnte der Höhepunkt dieser „Schule des Larifari“ werden: Damit die Lehrer, die „armen Schüler“ nicht mehr plagen können, wird das „selbstgesteuerte Lernen“ eingeführt und damit Unterricht und Lehrer abgeschafft. Mit dem Lehrplan 21 bestimmt der Schüler, wann, wie, was und ob er Lernen will. In Fächern gelten nun nur Mindestanforderungen: in Mathematik entspricht er am Ende der 2. Klasse dem bisherigen Stoff der 1. Klasse. Wir sind auf dem besten Wege auf das Niveau des angelsächsischen Schulsystems mit der 20:80 Gesellschaft hinunter zu fahren. Damit gibt es einen überlegenen Konkurrenten weniger auf dem Weltmarkt.

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