«Leserlichkeit
ist die Höflichkeit der Handschrift.» Dieses Zitat des berühmten Schweizer
Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt trifft meiner Meinung nach den
sprichwörtlichen Nagel genau auf den Kopf, obwohl meine eigene Handschrift
durchaus zu wünschen übrig lässt.
Doch ist dies alles noch zeitgemäss
in einem Zeitalter, in welchem die meisten Texte am Computer erfasst werden und
ein Grossteil der schriftlichen Kommunikation via SMS, Whatsapp und E-Mail
geschieht? Ja, sagt der ehemalige Primarlehrer. Ja, sagt der Bündner
Erziehungsdirektor. Ja, der Erwerb einer leserlichen, persönlichen Handschrift
gehört auch in Zukunft zu den unverzichtbaren Aufgaben der Volksschule.
"Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschrift", Blog Südostschweiz, 24.2. von Martin Jäger
Bisher lernten die Kinder in der
ersten Primarklasse zuerst die Steinschrift, um dann in den folgenden
Schuljahren in die Schweizer Schulschrift, die sogenannte «Schnüerlischrift»,
überzugehen, aus der bis zum Ende der obligatorischen Schule meist eine
individuelle Mischform resultierte. Dieser Umweg fällt neu weg: Die
Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz hat im Herbst 2014 die
Empfehlung herausgegeben, künftig nur noch die Schweizer Basisschrift zu
unterrichten. Hierbei werden die Buchstabenformen unverbunden gelernt und
später allmählich teilweise verbunden, dies individuell dort, wo sie die
Geläufigkeit der Schrift unterstützen. Unnatürliche Bewegungsabläufe mit vielen
Richtungsänderungen, die bei vielen Kindern oft zu Verkrampfungen geführt
haben, können so vermieden werden. Nicht nur die Rechtshänderinnen und
Rechtshänder erfahren dadurch eine Entlastung, auch und vor allem die
Linkshänderinnen und Linkshänder profitieren stark von der neuen Schreibweise.
Wie schwierig war es doch, mit der linken Hand zum Beispiel sogar mit Tinte zu
schreiben, ohne dass die Schrift verschmiert!
Die Luzerner Schule gilt in der
Schweiz als Pionierin in Sachen Basisschrift. Die Pädagogische Hochschule
Luzern untersuchte schon vor einigen Jahren die diversen Schulschriften sehr
detailliert und kam zum Schluss, dass Kinder in der 3./4. Klasse mit der erlernten
Basisschrift leserlicher schreiben als ihre Gspänli mit der Schnüerlischrift.
Zudem – und das ist für mich ebenfalls ein wichtiger Aspekt – gaben die
Basisschrift-Schreibenden häufiger an, dass sie gerne schreiben.
Der Lehrplan 21 schreibt keine Schriftform
vor. Bei den Grundfertigkeiten des Schreibens im Fach Deutsch ist lediglich
festgehalten, dass Erstklässler «das ganze Alphabet in einer unverbundenen
Schrift» schreiben können. Darauf aufbauend erfolgt dann die Entwicklung
einer teilverbundenen oder verbundenen leserlichen, geläufigen und persönlichen
Handschrift. Zudem wird von der Schülerinnen und Schülern in Zukunft erwartet,
dass sie über einen ausreichend automatisierten Umgang mit Tastaturgeräten
verfügen sowie die grundlegenden Elemente der Bedienungsoberfläche eines
Textprogrammes beherrschen.
Im Kanton Graubünden fällt der
Entscheid über die Einführung der Basisschrift im Rahmen des
Regierungsentscheids zur Einführung des Lehrplans 21.
«Leserlichkeit ist die Höflichkeit
der Handschrift»: Ja, auch weiterhin.
Martin Jäger ist Bündner
Regierungsrat und Vorsteher des Erziehungs-, Kultur- und
Umweltschutzdepartements.
Peter Aebersold macht folgenden Kommentar: Die Abschaffung der Schnüerlischrift ist nur ein weiteres Kapitel des gefährlichen Trends den Schülern vermeintlich das Lernen zu erleichtern. Man will dem Kind das Erlernen der Schnüerlischrift nicht mehr zumuten. Damit geht jedoch jedes Mal unausgesprochen die verheerende Botschaft mit, "Du kannst es nicht" oder "Ich traue es Dir nicht zu". Anstatt das die Schüler angespornt werden, "das kannst Du auch", auch wenn es Dir am Anfang Mühe bereitet, Generationen von Schülern vor Dir haben es auch gekonnt, warum solltest Du es nicht können? Das "Steine aus dem Wege räumen" bei den Kindern wirkt sich verheerend aus, es entmutig und schwächt sie und hilft das allgemeine Lernniveau zu senken, was man dann mit einfacheren Prüfungen zu kaschieren versucht. Der Lehrplan 21 könnte der Höhepunkt dieser „Schule des Larifari“ werden: Damit die Lehrer, die „armen Schüler“ nicht mehr plagen können, wird das „selbstgesteuerte Lernen“ eingeführt und damit Unterricht und Lehrer abgeschafft. Mit dem Lehrplan 21 bestimmt der Schüler, wann, wie, was und ob er Lernen will. In Fächern gelten nun nur Mindestanforderungen: in Mathematik entspricht er am Ende der 2. Klasse dem bisherigen Stoff der 1. Klasse. Wir sind auf dem besten Wege auf das Niveau des angelsächsischen Schulsystems mit der 20:80 Gesellschaft hinunter zu fahren. Damit gibt es einen überlegenen Konkurrenten weniger auf dem Weltmarkt.
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