In diesen Tagen erscheint
ein Buch des Philosophen Christoph Türcke mit dem provokativen Titel
«Lehrerdämmerung. Was die neue Lernkultur in den Schulen anrichtet» (Verlag
C. H. Beck). Angesichts der anhaltenden
Unsitte der Schulbürokratie, der politischen Parteien, der Medien und leider
auch der Lehrerverbände, sich einer offenen, mit Argumenten geführten
Bildungsdiskussion – über die Substanz der Reformen, nicht nur über die
Fassade – zu verweigern, hätte die Überschrift eigentlich
«Debattendämmerung» heissen müssen.
Zu den Widersprüche in der Basler Bildungspolitik, Basler Zeitung, 24.2. von Roland Stark
Christoph Türcke
beschreibt den Siegeszug der neoliberalen Ideologie durch die Schulstuben und
sieht die Gefahr eines neuen Zwangssystems heraufziehen. Elementare Techniken
wie Kopfrechnen oder Rechtschreiben gelten nicht mehr «als Unterbau höherer
Leistungen, sondern sind unter der Würde von Kindern, die durch kreatives
Entdecken statt durch Pauken vorankommen sollen. Kompetenzmodellierer und
Bildungspolitiker argumentieren wie Pianisten, die kaum mehr Klavier üben, weil
es nicht auf die Technik ankomme, sondern auf Musik. Oder wie Fussballtrainer,
die das Kraft- und Konditionstraining abschaffen, um Zeit für das Eigentliche
zu gewinnen: das intellektuelle Zusammenspiel, die Hackentricks und
Fallrückzieher. Sie sägen also an dem Ast, auf dem das Eigentliche sitzt (Süddeutsche Zeitung, 10. 2. 2016). Locker, kreativ und
individuell. Anton Hügli (SP, BS), ehemaliger Direktor des Lehrerseminars
Basel, warnt vor einer Erziehungswissenschaft, die «ihre Reputation allein
daraus zieht, Handlangerin zu sein für die mit der Schulbürokratie verfilzten
Expertokratie».
Der klassische Lehrer wird
ausgemustert, an seine Stelle treten immer mehr mobiles Coaching und flexibles
Kompetenzdesign.
Die Strategie, jegliche
Kritik an Bologna, Harmos, Lehrplan 21 oder Integrationskonzept als
rechtskonservative Polemik zu etikettieren und damit zu erledigen, ist lange
aufgegangen. Verantwortlich für diesen zweifelhaften Erfolg ist auch das
Desinteresse der Sozialdemokratie, sich intensiv mit schulpolitischen Themen,
einst ihr klassisches Kerngeschäft, zu beschäftigen.
Im Kanton Basel-Stadt
keimt nun aber Hoffnung auf. Kurz vor der Fasnacht hat Rot-Grün angekündigt,
für die Regierungsratswahlen fünf Kandidaten aufzustellen und die Übernahme des
Erziehungsdepartements anzustreben. Damit wäre eigentlich der Boden für eine
bildungspolitische Auseinandersetzung bestellt. Allerdings ist die Ausgangslage
mehr als unübersichtlich.
Die Basler Schulpolitik
ist bereits seit Jahren sozialdemokratisch geprägt und nicht zuletzt deshalb
einer kontroversen Debatte weitgehend entzogen. Fundierte Kritik wird nicht
widerlegt, sondern einfach totgeschwiegen. Dem viel beachteten Artikel «Basler
SP-Front gegen Schulreformen» etwa (BaZ, 10. 12. 2015), in dem auf die
30-seitige Streitschrift «Einspruch», mit der SP-Ständerätin und zwei ehemaligen
SP-Fraktions- und -Parteipräsidenten als Autoren, verwiesen wurde, begegnete
die Partei unbeeindruckt mit der Losung: «Die Hunde bellen, und die Karawane
zieht weiter.»
Es wäre deshalb
aufschlussreich zu erfahren, ob die linken Herausforderer «die Überfahrt in die
– ach so schöne – ökonomistische Welt» unserer Bildungslandschaft (Anton
Hügli) stoppen oder lieber fortsetzen wollen. Mit einer BastA!-Kandidatur auf
dem Fünferticket ist eine gemeinsame Position nur schwer vorstellbar. Mit ein
paar flotten Phrasen aus der Küche eines Werbebüros werden sich die
Widersprüche jedenfalls nicht zukleistern lassen.
Wer ernsthaft Anspruch auf
das Erziehungsdepartement anmeldet, muss zuerst aus dem bildungspolitischen
Funkloch krabbeln und den Kontakt zur schulischen Wirklichkeit
wiederherstellen. Ansonsten droht eine Bruchlandung.
Roland Stark (SP) ist
ehemaliger Grossrats- und Verfassungsratspräsident des Kantons Basel-Stadt
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