Noch
ist's nicht lange her, da war der neue Computerraum für die Schule mindestens
eine Meldung in der Lokalzeitung und prophetische Eröffnungsreden des
Schulleiters und des Schulpräsidenten wert. Der Bildschirm wurde zum Symbol
einer modernen Bildung. Die Folgen sind weithin sichtbar: Das technische
Wettrüsten an unsern Schulen ging und geht munter weiter. Kinder und
Jugendliche werden heutzutage flächendeckend mit Notebooks, Smartphones und
Tablets ausgestattet. Denn die digitalen Möglichkeiten scheinen eine
erfolgreiche schulische Zukunft zu verheissen.
Per Mausklick in eine geistige Pseudoaktivität, St. Galler Tagblatt, 15.2. von Mario Andreotti
Erinnerungen
an eine andere technische Neuerung an unsern Schulen werden wach. Vor ein paar
Jahrzehnten war das Sprachlabor, das dem aktiven Training des Sprechens und
Verstehens dienen sollte, der Hoffnungsträger ganzer Lehrergenerationen. Man
glaubte, mit ihm den traditionellen Grammatikunterricht, das mühevolle Lernen
von Wörtern und Grammatikregeln mehr oder weniger umgehen zu können. Auch
damals waren die Lokalzeitungen und die Schulpräsidenten zugegen, wenn die
Schule voller Stolz ihre Verbindung zur modernen Welt mit einem Sprachlabor
unter Beweis stellen konnte. Die Idee ist kläglich gescheitert. Wie andere
Ideen auch. Seit über zwei Jahrzehnten erspäht man nun schon in den jeweils
neuesten Gerätschaften die Zukunft der Bildung. Social Media lösten ein, was
ein moderner Unterricht fordere, heisst es in einer Werbebroschüre etwas
vollmundig. Das riecht nach Kultstatus. Medienkompetenz wird zur neuen
schulischen Schlüsselqualifikation. Die Moden kommen und gehen. Was bleibt, ist
die Ernüchterung. Der digitalen Schulzukunft droht ein ähnliches Schicksal.
Mit der
Gerätebegeisterung wird, oftmals sehr direkt, die Botschaft vermittelt, das
Lernen mit digitalen Medien gehe einfacher, schneller, besser, die Schüler
könnten sich im Grunde alles selber beibringen. Beim digitalen Lernen habe der
Lehrer nicht mehr zu unterrichten, sondern seine Schüler höchstens noch als
Coach zu begleiten und zu beraten. Das ist ein Trugschluss. Gerade in den
letzten Jahren konnte in Studien immer wieder gezeigt werden, dass für die
Lernleistung weniger die Methode oder irgendwelche Technik als vielmehr der
Lehrer entscheidend ist. Denn es geht eben nicht darum, modische Neuheiten, wie
etwa das iPad oder das Smartphone, geil zu finden, sondern das Lernen.
Lernen
mit Anstrengung
Dabei
gilt allerdings, dass Lernen ein individueller Konstruktionsprozess ist. Wer
lernen und verstehen will, muss aus etwas Fremdem etwas Eigenes machen.
Digitale Medien, Computer mit Breitband-Internetanschluss und Tablets etwa,
können ihm da nur Hilfen sein. Mehr nicht. Und er muss lernen, mit den
entsprechenden Widerständen konstruktiv umzugehen. Nicht, sie zu umgehen. Das
gibt zu tun, weil nun einmal Lernen ohne Anstrengung nicht zu bewältigen ist.
Daran ändern auch die digitalen Verheissungen nichts.
Trotzdem
versetzen sich Kinder und Jugendliche per Mausklick in eine geistige
Pseudoaktivität mit entsprechend flüchtigen Effekten. Da verwundert es nicht,
dass der verheissene Leistungsschub in der Schulbildung bislang ausgeblieben
ist. Kaum eine Studie konnte nachweisen, dass Schüler durch digitale und
soziale Medien, deren Einsatz immer offensiver gefordert wird, besser lernen –
und dies, obwohl Bildungsforscher in vielen Ländern schon lange nach Effekten
fahnden. Einen besonders betrüblichen Befund steuerte der grosse
Pisa-Leistungstest «Schüler online» vor gut sechs Jahren bei: Die Mehrheit der
jugendlichen Probanden war, trotz dem schulischen Einsatz von Computern, nicht
in der Lage, digitale Texte adäquat zu lesen und Informationen aus dem Internet
auszuwerten. Mit andern Worten: Der Computer im Unterricht verbesserte nicht
einmal den Umgang mit dem Computer selbst.
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