Bald mehr Informatik an Primarschulen? Bild: Patric Sandri
Startschuss für mehr Informatik in der Primarschule, Aargauer Zeitung, 3.12. von Fabian Hock
In den USA ist es ein Grossereignis,
für das Präsident Obama persönlich wirbt: Die «Computer Science Education
Week». Eine Lernwoche, in der Schülerinnen und Schülern das Programmieren
nahegebracht wird. Nächste Woche findet sie statt – nicht nur in den USA,
sondern zum zweiten Mal auch hierzulande.
10'000 Kinder in 168 Gemeinden haben im
vergangenen Jahr ihr eigenes Computerspiel programmiert. In diesem Jahr sollen
100'000 Kinder aus allen Kantonen dabei sein.
Der gebürtige Aargauer Alexander
Repenning, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), hat die
Lernwoche in die Schweiz geholt. Ziel der Aktion sei nicht, eine Horde
Informatiker heranzuziehen, sagt er. Für ihn steht etwas Grösseres dahinter. Es
gehe darum, eine neue Art des Lernens und des Denkens zu vermitteln. Auslöser
ist der digitale Wandel.
Repenning trägt Ohrring und
Kapuzenpulli und geht so problemlos selbst als Programmierer durch. Den
Hochschulprofessor sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Doch Repenning
zählt zu den Renommiertesten seines Fachs, hat 20 Jahre lang in Colorado
geforscht und für die Vermittlung von Informatik an junge Leute viele Preise
eingeheimst.
An der Entstehung der IT-Lernwoche in
den USA war er von Anfang an beteiligt. Jetzt will er das Ereignis in der Schweiz
gross machen.
Noch stösst das Thema bei der Politik
nicht auf dasselbe Interesse wie in den USA, wo man das Vorantreiben der
informatischen Bildung als nationale Aufgabe versteht.
Aber auch in der Schweiz gewinnt der
frühe Kontakt mit Informatik Fürsprecher: Das helvetische Pendant zu Barack
Obama als Aushängeschild der Lernwoche ist die Aargauer Ständerätin Pascale
Bruderer Wyss. Auch der «oberste Lehrer des Landes», Beat W. Zemp, wirbt für
das Projekt.
Besser lernen, besser denken
Vor zwei Jahren ist Alexander Repenning
aus den USA in seine Aargauer Heimat zurückgekehrt. An der Pädagogischen
Hochschule der FHNW leitet er die Professur für Informatische Bildung. «Das
Programmieren von Computern ist ein Denkinstrument», sagt er.
Damit liessen sich Lerninhalte völlig
anders vermitteln. «Wir müssen wegkommen von der Idee, dass Lernen nur
Auswendiglernen ist.» Repenning nennt ein Beispiel: «Es ist eine Sache, in
einem Buch zu lesen, dass Ökosysteme instabil sind.»
Ein besseres Verständnis dieser
Tatsache liesse sich jedoch vermitteln, indem die Schüler selbst ein
Computermodell programmieren, das etwa Pflanzen, Hasen und Füchse beinhaltet.
Was geschieht, wenn sich die Hasen zu schnell vermehren? Was, wenn es zu viele
Füchse gibt?
«Ich habe eine Idee und programmiere
anhand dieser Idee ein Modell. Der Computer zeigt mir dann, welche Konsequenzen
daraus entstehen können.» Doch um diese Fähigkeit des Computers zu nutzen,
müsse man ihn eben programmieren können. «Der Computer ist nicht nur Wikipedia»,
sagt Repenning. Nicht nur eine Maschine, die Antworten gibt, sondern eine, die
den Menschen beim Denken unterstützen kann.
Das Stichwort heisst «Computational Thinking». Das bedeutet weniger,
eine Tätigkeit mithilfe eines Computers zu automatisieren – oder gar selbst
computerähnliche Denkmuster zu entwickeln. Vielmehr geht es um
Erkenntnisgewinn. Darum, Zusammenhänge besser zu verstehen. Und dies, so
Repennings Idee, könne Schülerinnen und Schüler viel stärker zum Lernen
motivieren, als herkömmliche Methoden dazu in der Lage seien.
Unverzichtbar bei der Arbeit
Das bessere Lernen mit Computern ist
die eine Seite. Die andere ist die Ausbildung von Fähigkeiten, die die
Schülerinnen und Schüler im späteren Berufsleben in Zeiten der schnell
voranschreitenden Digitalisierung brauchen werden.
Das Benutzen von Smartphones und
dergleichen falle dabei nicht unter das Erlernen notwendiger IT-Fähigkeiten,
sagt Repenning. Kinder spielten damit zwar heute viel herum, «aber sie bauen
dabei nichts, sie kreieren nichts». Was sie tun, sei kein kreativer Umgang mit
den Werkzeugen.
Diese oberflächliche Art der Verwendung
breite sich jedoch immer weiter aus, daher sei es wichtig, den Kindern bereits
in der Schule den konstruktiven Umgang mit Computern beizubringen.
Verpasst die Schweiz diese
Notwendigkeit, kann das schlimme Folgen haben, warnt Repenning. «Wenn man die
Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf alle Bereiche des Lernens, Lehrens
und Lebens ignoriert, wird man in einem Lernmodell stecken bleiben, das vor langer
Zeit einmal entwickelt wurde und den Anforderungen der digitalen Welt nicht
gerecht wird.» Auswendiglernen sei nicht mehr das, was im 21. Jahrhundert
gebraucht werde.
«Kreativität ist der Rohstoff der
Schweiz. Wenn wir dieses Potenzial nicht heben und stattdessen in alten
Lernmustern stecken bleiben, dann wird die Schweiz auf katastrophale Weise
zurückfallen.»
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