3. Dezember 2015

Konstruktiver Umgang mit Computer als Notwendigkeit

"Um in der digitalisierten Welt zu bestehen, brauchen wir Informatikkenntnisse", sagt Alexander Repenning. Ein landesweites Projekt soll zeigen, dass selbst Primarschüler diese inzwischen leicht erlernen können.




















Bald mehr Informatik an Primarschulen? Bild: Patric Sandri
Startschuss für mehr Informatik in der Primarschule, Aargauer Zeitung, 3.12. von Fabian Hock



In den USA ist es ein Grossereignis, für das Präsident Obama persönlich wirbt: Die «Computer Science Education Week». Eine Lernwoche, in der Schülerinnen und Schülern das Programmieren nahegebracht wird. Nächste Woche findet sie statt – nicht nur in den USA, sondern zum zweiten Mal auch hierzulande.
10'000 Kinder in 168 Gemeinden haben im vergangenen Jahr ihr eigenes Computerspiel programmiert. In diesem Jahr sollen 100'000 Kinder aus allen Kantonen dabei sein.
Der gebürtige Aargauer Alexander Repenning, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), hat die Lernwoche in die Schweiz geholt. Ziel der Aktion sei nicht, eine Horde Informatiker heranzuziehen, sagt er. Für ihn steht etwas Grösseres dahinter. Es gehe darum, eine neue Art des Lernens und des Denkens zu vermitteln. Auslöser ist der digitale Wandel.
Repenning trägt Ohrring und Kapuzenpulli und geht so problemlos selbst als Programmierer durch. Den Hochschulprofessor sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Doch Repenning zählt zu den Renommiertesten seines Fachs, hat 20 Jahre lang in Colorado geforscht und für die Vermittlung von Informatik an junge Leute viele Preise eingeheimst.
An der Entstehung der IT-Lernwoche in den USA war er von Anfang an beteiligt. Jetzt will er das Ereignis in der Schweiz gross machen.
Noch stösst das Thema bei der Politik nicht auf dasselbe Interesse wie in den USA, wo man das Vorantreiben der informatischen Bildung als nationale Aufgabe versteht.
Aber auch in der Schweiz gewinnt der frühe Kontakt mit Informatik Fürsprecher: Das helvetische Pendant zu Barack Obama als Aushängeschild der Lernwoche ist die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer Wyss. Auch der «oberste Lehrer des Landes», Beat W. Zemp, wirbt für das Projekt.
Besser lernen, besser denken
Vor zwei Jahren ist Alexander Repenning aus den USA in seine Aargauer Heimat zurückgekehrt. An der Pädagogischen Hochschule der FHNW leitet er die Professur für Informatische Bildung. «Das Programmieren von Computern ist ein Denkinstrument», sagt er.
Damit liessen sich Lerninhalte völlig anders vermitteln. «Wir müssen wegkommen von der Idee, dass Lernen nur Auswendiglernen ist.» Repenning nennt ein Beispiel: «Es ist eine Sache, in einem Buch zu lesen, dass Ökosysteme instabil sind.»
Ein besseres Verständnis dieser Tatsache liesse sich jedoch vermitteln, indem die Schüler selbst ein Computermodell programmieren, das etwa Pflanzen, Hasen und Füchse beinhaltet. Was geschieht, wenn sich die Hasen zu schnell vermehren? Was, wenn es zu viele Füchse gibt?
«Ich habe eine Idee und programmiere anhand dieser Idee ein Modell. Der Computer zeigt mir dann, welche Konsequenzen daraus entstehen können.» Doch um diese Fähigkeit des Computers zu nutzen, müsse man ihn eben programmieren können. «Der Computer ist nicht nur Wikipedia», sagt Repenning. Nicht nur eine Maschine, die Antworten gibt, sondern eine, die den Menschen beim Denken unterstützen kann.
Das Stichwort heisst «Computational Thinking». Das bedeutet weniger, eine Tätigkeit mithilfe eines Computers zu automatisieren – oder gar selbst computerähnliche Denkmuster zu entwickeln. Vielmehr geht es um Erkenntnisgewinn. Darum, Zusammenhänge besser zu verstehen. Und dies, so Repennings Idee, könne Schülerinnen und Schüler viel stärker zum Lernen motivieren, als herkömmliche Methoden dazu in der Lage seien.
Unverzichtbar bei der Arbeit
Das bessere Lernen mit Computern ist die eine Seite. Die andere ist die Ausbildung von Fähigkeiten, die die Schülerinnen und Schüler im späteren Berufsleben in Zeiten der schnell voranschreitenden Digitalisierung brauchen werden.
Das Benutzen von Smartphones und dergleichen falle dabei nicht unter das Erlernen notwendiger IT-Fähigkeiten, sagt Repenning. Kinder spielten damit zwar heute viel herum, «aber sie bauen dabei nichts, sie kreieren nichts». Was sie tun, sei kein kreativer Umgang mit den Werkzeugen.
Diese oberflächliche Art der Verwendung breite sich jedoch immer weiter aus, daher sei es wichtig, den Kindern bereits in der Schule den konstruktiven Umgang mit Computern beizubringen.
Verpasst die Schweiz diese Notwendigkeit, kann das schlimme Folgen haben, warnt Repenning. «Wenn man die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf alle Bereiche des Lernens, Lehrens und Lebens ignoriert, wird man in einem Lernmodell stecken bleiben, das vor langer Zeit einmal entwickelt wurde und den Anforderungen der digitalen Welt nicht gerecht wird.» Auswendiglernen sei nicht mehr das, was im 21. Jahrhundert gebraucht werde.
«Kreativität ist der Rohstoff der Schweiz. Wenn wir dieses Potenzial nicht heben und stattdessen in alten Lernmustern stecken bleiben, dann wird die Schweiz auf katastrophale Weise zurückfallen.»


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