18. Dezember 2015

Buben arbeiten weniger als Mädchen

Mehr Männer im Lehrberuf würden die Noten von Buben verbessern, meinen viele. Stimmt nicht, sagt eine Studie.















Erziehungswissenschafter Peter Rieker von der Universität Zürich, Bild: 20 Minuten
Geschlecht der Lehrer ist für Buben irrelevant, 20 Minuten, 18.12. von Santina Russo


In der Schule haben Mädchen die Nase vorn: Sie bekommen bessere Noten als Jungen und schaffen es häufiger in eine höhere Stufe wie Sekundarschule oder Gymnasium. Das belegen verschiedene Studien – in der Schweiz, aber auch in vielen anderen Ländern. Dafür verantwortlich gemacht wird häufig der Mangel an männlichen Lehrpersonen: Ein weibliches Umfeld benachteilige die Buben, so die Vermutung.

Falsch, sagt Bildungsforscher Marcel Helbig von der Universität Erfurt. Er hat über 40 Studien zum Thema analysiert, darunter auch zwei mit Schweizer Schulkindern.
Das Ergebnis: Für die Leistung der Buben spielt das Geschlecht der Lehrperson überhaupt keine Rolle. Und dies unabhängig vom Schulfach oder vom Alter der Kinder. «Buben sind tendenziell weniger motiviert, sich in der Schule anzustrengen», sagt Bildungsforscher Helbig. Das habe vor allem mit dem sozialen Status unter den Schulkameraden zu tun: «Fleissige Jungs sind uncool, fleissige Mädchen nicht.»

Wo die Stärken von Buben liegen und warum es dennoch männliche Lehrkräfte braucht, sagt der Erziehungswissenschaftler Peter Rieker im Interview.

Herr Rieker, sind männliche Lehrpersonen wichtig?
Ja, denn sie sorgen für mehr Vielfalt. Und ein grösseres Spektrum verschiedener Vorbilder und Ansprechpersonen ist für Kinder und Jugendliche immer bereichernd. Davon profitieren alle Kinder, nicht nur die Buben.

Dennoch schneiden Buben schlechter ab. Wie kann man ihnen zu besseren Noten verhelfen?
Die Noten sind gar nicht das Problem. Es stimmt, Mädchen zeigen
tendenziell bessere Leistungen. Doch die schulischen Leistungen
allein sind für die gesamte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nur begrenzt aussagekräftig.

Wie meinen Sie das?
Beurteilt man nur die schulische Leistung, ergibt das ein einseitiges Bild. Ein Beispiel: Mädchen lesen in der Freizeit häufiger als Jungs. Damit erwerben sie sprachliche Fähigkeiten, die in den Noten von vielen Schulfächern sichtbar werden. Buben haben andere Stärken, sie lernen vieles über gemeinsame Aktivitäten ausserhalb der Schule und ihr Beziehungsnetz. Zum Beispiel, wenn sie in der Gruppe eigene Kurzfilme drehen. So erwerben sie Kompetenzen, die sich nicht in Noten messen lassen – ihnen aber im späteren Berufsleben nützen.


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