18. Dezember 2015

Die Molekularpädagogen

Es müsse nicht immer Kochen sein, findet Ute Bender im «Tages-Anzeiger» vom 3.Mai 2015, man könne Schüler ja auch Waren testen lassen à la «Kassensturz». Frau Bender muss es wissen, denn sie ist Professorin für Gesundheit und Hauswirtschaft an der Pädagogischen Hochschule der Nordwestschweiz FHNW. Und weil aufgemotzte Titel eine Kaskadenwirkung haben, heisst es im «Lehrplan 21» auch nicht mehr «Hauswirtschaft», sondern grossspurig «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt».
Schluss mit Basis! forum. Pfarrblatt der katholischen Kirche im Kanton Zürich, 7.6. von Thomas Binotto

Die Schule soll offenbar nicht mehr der Ort sein, an dem Grundlagentechniken und Basiswissen vermittelt werden, sondern eine Trend-Unterwerfungs-Anstalt für Anwender-Wissen TUAFAW.

Anstatt Grundrezepte à la «Tiptopf» zu erlernen, können Schülerinnen und Schüler deshalb in Zukunft Fertigprodukte à la «Kassensturz» bewerten. Sie müssen nicht mehr unnützen Ballast in sich hineinstopfen, wie das Wissen über heimische Früchte und Gemüse, sondern applizieren stattdessen leicht Bekömmliches und entdecken auf einem Beipackzettel treffsicher die Herkunft «Chile» (streng biologisch produziert natürlich). Statt sich in teuren Schulküchen zu langweilen, trainieren sie mit dem «Gault Millau» in der Hand zeitgemässes Konsumverhalten.

Und was für das Kochen gilt, das gilt selbstverständlich für alle anderen Fächer: Hors-sol-Pädagogik! – Schluss mit Nutzlosigkeiten à la leserliche Handschrift, saubere Heftführung, seriös geführtes Aufgabenheft, effektive Lernmethode, Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Wozu sich leicht vergängliches Grundwissen aneignen, wenn doch Windows 8.1 für die Ewigkeit geschaffen ist?

Corinne Senn, ebenfalls Dozierende an der FHNW, assistiert Professorin Bender: «Der Alltag der Menschen hat sich stark verändert.» Auch diese fundamentale Erkenntnis wurde ganz bestimmt erst durch mehrere Nationalfondsprojekte gewonnen. Nun aber ist sie eine wahre Allzweckwaffe der Lehrplanreformer. Wer braucht noch lange Aufsätze, wenn er im Alltag smselt? Was soll ein Smartphoner mit Kopfrechnen? Wer ist so dumm zu lesen, wenn er lesen lassen kann? Wozu quälen sich Autokorrigierte mit Rechtschreibung? Was soll ich mit Anstand in Zeiten von Social Media? Denkst du noch – oder googelst du schon?


Pädagogische Hochschulen werden zu den neuen bildungsfernen Kreisen, indem sie sich mehr und mehr von dem fernhalten, was Heinrich Pestalozzi einst für Bildung hielt. In den Laboratorien der Molekularpädagogen hat der gefährliche Virus der Praxis von Kopf, Herz und Hand nichts zu suchen, denn dieser Virus würde dem wohlgenormten Lehrgebäude schweren Schaden zufügen, bis es nur noch als Lotterbau ohne Fundament vor uns stünde. 

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