Die Lehrplan-Gegner diagnostizieren eine "pädagogische Verwirrung" seitens der Regierung, Bild: Keystone
Lehrplan-Gegner sehen eine "pädagogische Verwirrung", Aargauer Zeitung, 9.11. von Jörg Meier
Das
war zu erwarten: Nachdem der Regierungsrat erklärt hat, warum er sowohl die Motion Bodmer
für ein Moratorium als auch die Initiative gegen den Lehrplan 21 ablehnt,
meldet sich das Komitee «Ja zu einer guten Bildung – Nein zum Lehrplan 21» mit
deutlichen Worten.
Die
Gruppierung um die Heilpädagogin Elfy Roca und Bezirkslehrer Harald Ronge will
mit einer Volksinitiative die Einführung des Lehrplans 21 im Aargau verhindern.
Sie lässt kein gutes Haar am neuen Lehrplan 21 und gibt sich kämpferisch.
Den Teufel an die Wand malen
In
der ausführlichen Stellungnahme wirft das Komitee dem Regierungsrat vor, er
wisse offenbar nicht, was sich punkto Lehrplan 21 in den andern Kantonen
abspiele. Und fragt dann provokativ, ob die Regierung die Stimmbürger
verunsichern wolle, indem man «den Teufel an die Wand malt, statt sachlich zu
argumentieren».
Dann
wirds konkreter: Die Motion Bodmer, die einen Ausgabenstopp für alle
Vorarbeiten zum Lehrplan 21 bis zur Abstimmung verlangt, verhindere keineswegs
die bildungspolitische Diskussion. Diese werde nämlich ohnehin im Vorfeld der
Abstimmung stattfinden, unabhängig davon, ob das Bildungsdepartement (BKS)
vorher Geld für den Lehrplan 21 ausgebe oder nicht.
Und
schon folgt der nächste Vorwurf: «Mangels Argumenten stellt die Regierung die
Gegner des Lehrplans 21 in die Ecke der Ewiggestrigen», schreibt das Komitee.
In Tat und Wahrheit sei aber BKS selber nicht auf dem neusten Stand der
Bildungsdiskussion.
«Würde
man der Argumentation des Regierungsrates folgen, müsste zum Beispiel der
pädagogische Ansatz Pestalozzis (Bildung mit Kopf, Herz und Hand) sofort aus
allen Lehrbüchern verschwinden, dessen Methoden und Gedanken zur Schulbildung
stammen nämlich aus dem vorvorletzten Jahrhundert», heisst es in der
Stellungnahme.
Wer lässt Fächer verschwinden?
Eine
«pädagogische» Verwirrung erkennt das Komitee zudem im Hause BKS, weil man den
kurzfristigen Gesellschaftswandel über die Vermittlung einer umfassenden
humanistischen Bildung sowie solide Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und
Rechnen stelle.
Das
Komitee bestreitet auch, dass die Initiative wichtige Fächer zum Verschwinden
bringe. «Im Gegenteil! Der Lehrplan 21 schafft eigenständige Fächer wie
Geschichte, Geografie, Biologie, Chemie und Physik ab!», behauptet das Komitee.
Hinterfragt
wird auch die im Lehrplan 21 vorgesehene Kompetenzorientierung: Diese «in
Fachkreisen höchst umstrittenen Kompetenzen machen in der Berufsausbildung
durchaus Sinn, nicht aber in der Volksschule», argumentiert das Komitee.
Weitere
Kritik gilt der grossen Bedeutung, die der neue Lehrplan dem selbstgesteuerten
und selbstentdeckenden Lernen geben will. Die Individualisierung im Unterricht
werde auf die Spitze getrieben, was wiederum dazu führe, dass viel Kinder auf
der Strecke bleiben würden. «Zusammen mit der Abschaffung von Jahreszielen
entstehen Leistungsunterschiede nicht nur innerhalb von Klassen, sondern auch
zwischen Gemeinden und Kantonen.» Zwischenergebnis des Gegenkomitees: Der
Lehrplan 21 richtet ein organisiertes Chaos an, die behauptete Harmonisierung
erweise sich als blosser Etikettenschwindel.
«Verdrehung der Tatsachen»
Im
Gegensatz zur Regierung ist das Komitee auch der Ansicht, dass der Kanton
Aargau bei einer Ablehnung des Lehrplans 21 weder eigene Lehrmittel noch eine
eigene Lehrerbildung brauche. Das Argument, durch die Initiative würden die
Kosten steigen, bezeichnet das Komitee als «Verdrehung der Tatsachen». Denn es
sei genau umgekehrt: Die Einführung des Lehrplanes sei sehr teuer und hätte
einen weiteren Bildungsabbau zur Folge.
Und
zum Schluss hält das Komitee für den Regierungsrat gar noch einen Rat bereit:
Er täte gut daran, «den Blick vermehrt nach innen (in die Schulzimmer und ins
BKS) und nach aussen (über die Kantonsgrenzen hinaus) zu werfen». Denn mit
seinem «sturen Festhalten am missratenen Lehrplan 21 gefährdet er nur unser
wichtigstes Gut, die Bildung».
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