Sollen wirklich die 90 Volksvertreter mit all ihren politischen
Interessenbindungen darüber entscheiden, wie die «Gute Schule Baselland» der
Zukunft aussieht? Analyse zur zunehmenden
Politisierung der Bildungsentscheide im Kanton Baselland.
Lehrplan-21-Gegner befürchten einen radikalen Umbau der Baselbieter Schule, Bild: Keystone
Lehrplan nicht den Parteien überlassen, BZ Basel, 1.10. von Michael Nittnaus
Die Idee des Baselbieter Bildungsrats ist eigentlich bestechend:
ein breit abgestütztes Gremium, in dem Politiker, Fachleute sowie
Verbandsvertreter zusammen über Bildungsfragen diskutieren, den Regierungsrat
und die Bildungsdirektion beraten und über Stundentafeln, Stufenlehrpläne sowie
Lehrmittel entscheiden. Doch dieses Gremium gerät stark unter Druck –
politischen Druck. Es steht der Vorwurf im Raum, dass der Bildungsrat den Bezug
zum Berufsalltag der Lehrkräfte und zu den wirklichen Bedürfnissen der Schüler
verloren habe. Das über allem thronende Beispiel hierfür soll der Lehrplan 21
sein, der jetzt «Lehrplan Volksschule BL» heisst.
Was liegt also näher, als
dass man dem Bildungsrat die Entscheidungskompetenz über den Lehrplan entzieht
und sie den Vertretern des Baselbieter Stimmvolkes – dem Landrat – zuspricht?
Genau das möchte Landrat Jürg Wiedemann von den Grünen-Unabhängigen, der
bekanntlich auch Teil des Komitees Starke Schule Baselland ist. Mit seiner
Parlamentarischen Initiative fand er vor einer Woche Gehör bei SVP, FDP und
Teilen der politischen Mitte. Mit 50 zu 35 Stimmen wurde das Vierfünftelmehr
allerdings verpasst, sodass es nun zum Urnengang kommt.
Doch stimmen die Vorwürfe,
dass der Bildungsrat ein realitätsfernes Expertengremium ist? Ein Blick auf die
genaue Zusammensetzung genügt, um dies zu verneinen: 14 Mitglieder umfasst der
Rat. Präsidiert wird er von der aktuellen Bildungsdirektorin Monica Gschwind
(FDP), Vizepräsident ist mit dem Geschäftsführer des Ausbildungsverbunds der
beruflichen Grund- und Weiterbildung Aprentas, Rolf Knechtli, ein Fachmann. Er
sitzt als Vertreter der Handelskammer beider Basel im Bildungsrat. Auch
Wirtschaftskammer-Vertreter Urs Berger ist im Bereich Berufs- und Weiterbildung
tätig. Dazu kommen jeweils ein Vertreter von SVP, FDP, SP, Grünen und CVP, vier
Vertreter der Lehrerschaft (drei der Amtlichen Kantonalkonferenz und einer vom
Lehrerverein) sowie mit Sozialarbeiterin Severine Wirz eine Vertreterin des
Gewerkschaftsbundes. Nur mit einer beratenden Stimme vertreten sind die
Landeskirchen Baselland.
Bei 13 stimmberechtigten
Mitgliedern bräuchte es also mindestens 7, die wissen, wie ein praxistauglicher
Lehrplan aussehen muss. 4 sind wie erwähnt Lehrer, 2 sind in leitenden
Funktionen in der Berufs- und Weiterbildung tätig – macht 6. Die 5
Parteivertreter sind zwar explizit keine Lehrer, sondern unter anderem Juristen
oder Kaufmännische Angestellte. Doch werden sie ja von den Parteien selber
ausgewählt. Überhaupt wählt der Landrat – auf Vorschlag der Regierung – den
Bildungsrat alle vier Jahre.
Die Vorwürfe der
Landratsmehrheit sind also haltlos. Mehr noch: Sie verschleiern das eigentliche
Interesse, das hinter dem Angriff steht. Vor allem die Ratsrechte möchte dank
ihrer neuen Stärke vermehrt Einfluss darauf nehmen, wie und was an den
Baselbieter Schulen gelehrt werden soll. Es finden eine Politisierung und eine
Ideologisierung der Bildung statt – und dies bei Entscheiden, die direkt das
Schulzimmer betreffen. Das ist aber eben gerade das, was man mit dem Bildungsrat
verhindern wollte.
Sollen wirklich die 90
Volksvertreter mit all ihren politischen Interessenbindungen darüber
entscheiden, wie die «Gute Schule Baselland» der Zukunft aussieht? Damit soll
nicht gesagt sein, dass der Lehrplan 21 ein vollumfänglich gelungenes Werk ist.
Mitnichten. Tatsächlich hat er einige Schwächen und musste bereits stark
überarbeitet werden. Eventuell folgt noch eine weitere Überarbeitung. Doch wird
er erst einmal im Schulalltag angewendet, wird er automatisch von den
Schulleitern und den Lehrern praxistauglich interpretiert. Viel schlimmer wäre
es dagegen, wenn der Lehrplan 21 durch die Kompetenzverschiebung endgültig den
parteipolitischen Grabenkämpfen zwischen Links und Rechts im Landrat
ausgeliefert würde.
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