Grundlagen in den klassischen Fächern wappnen Schüler besser für die digitale Welt als Computer, Bild: dpa
Noch ein PISA-Schock, FAZ, 16.9. von Fridtjof Küchemann
Auf den
ersten Blick ist es eine Breitseite gegen die Fürsprecher und Vorreiter einer
der größten Veränderungen, denen die schulische Bildung in den vergangenen
Jahrzehnten unterworfen ist: nämlich der Digitalisierung des Unterrichts. Es
ist ein Dämpfer für Bildungsforscher und -politiker, die deren eilige
Beförderung anmahnen, und eine Schlappe für eine Industrie, die sich mit
milliardenschweren Investitionen auf einen noch milliardenschwereren
Zukunftsmarkt vorbereitet. Abgefeuert wurde sie aus einer Richtung, die es seit
Ende 2001 immer wieder schafft, zumindest den hiesigen Bildungsbetrieb in
Unruhe zu versetzen: Damals hatte die Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit der
Veröffentlichung der Daten des internationalen Schulleistungsvergleichs Pisa
für einen regelrechten Schock gesorgt. Die Erhebung wird seitdem im Abstand von
drei Jahren wiederholt.
Jetzt hat die OECD die Daten aus dem Jahr 2012 unter der Frage
ausgewertet, in welchem Zusammenhang der Wissensstand fünfzehn Jahre alter
Schüler mit dem Gebrauch von Informationstechnologie im Unterricht steht. Die
Ergebnisse sind ernüchternd. „Wo Computer in Klassenzimmern genutzt werden,
sind ihre Auswirkungen auf die Leistung von Schülern bestenfalls gemischt“,
stellt der OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher fest. Zwar können Schüler,
die in der Schule Computer maßvoll nutzen, bessere Lernergebnisse vorweisen als
solche, die sie kaum einsetzen. Schüler allerdings, bei denen Computer sehr
häufig im Unterricht zum Einsatz kommen, schneiden deutlich schlechter ab.
Selbst Länder, die bereits viel in den Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologie im Unterricht investiert haben, weisen keinen
merklichen Leistungsvorsprung in den Bereichen Lesen, Mathematik oder
Naturwissenschaften aus. Umgekehrt helfen Grundlagen in den klassischen
Disziplinen Lesen und Mathematik den Schülern besser, sich in der digitalen
Welt zurechtzufinden, als teure High-Tech-Ausstattungen und -Angebote. Die bei
der Pisa-Studie erhobenen Kompetenzen wachsen durch den Einsatz von
Bildungstechnologie nur, wenn dadurch die Zeit zunimmt, die sich die Schüler
mit dem Stoff und seiner Einübung beschäftigen.
Digitale Bildung ermöglicht spielerisches Lernen
Dass die
schulische Wirklichkeit auffällig hinter den Versprechen der Technologie
zurückliege, wie der Bildungsforscher Schleicher im Vorwort des zweihundert Seiten starken Berichts anmerkt, kann
allerdings nicht überraschen. Bildungspolitische Neuerungen brauchen ihre Zeit,
und wer die Turbulenzen kennt, die der Wechsel auf den Gymnasien von neun zu
acht Jahrgängen bis zum Abitur (und wieder zurück) für Lehrer, Schüler und
deren Familien bedeutet hat, muss das nicht grundsätzlich für einen Fluch
halten. Selbst wenn die Ausstattung der Schulen den unkomplizierten Einsatz
digitaler Technik ermöglicht, müssen sich die Lehrer mit den didaktischen
Neuerungen erst vertraut machen, mit Geräten und Programmen. Das erfordert
Geduld auf der einen und Bereitschaft auf der anderen Seite. Aber es heißt noch
lange nicht, dass Lehrer von gestern die Schüler von heute unzureichend auf die
Welt von morgen vorbereiteten: Die Studie zeigt, dass selbst Lehrkräfte ihre
Schüler für das Leben in einer zunehmend digitalisierten Welt fitmachen, die
auf bewährte Weise bewährte Kompetenzen unterrichten.
Zu den Vorteilen digitaler Bildung an Schulen zählt die Studie den
spielerischen Zugang zu Wissen, die personalisierte Ausbildung und das
kooperative Lernen. Die größte Bedeutung komme dabei Unterrichtsformen zu, die
den Schüler nicht darauf beschränkt, passiv Wissen aufzunehmen, sondern ihn in
eigener Recherche und Präsentation, in Lerngruppen und Projekten, im direkten
Austausch mit Lehrern und Mitschülern lernen ließen. Sie böten die Möglichkeit,
Lerninhalte und -tempo auf die Stärken der einzelnen Schüler abzustimmen.
Technik kann nur stärken
Die Studie sieht einen Zusammenhang zwischen Elternhaus und
verantwortungsvollem Umgang mit den elektronischen Medien: Schüler aus
bessergestellten Schichten nutzen das Internet mehr zur Informationsbeschaffung
als sozial benachteiligte Jugendliche. Denen dienen Computer häufiger, um
Videos zu schauen, online zu spielen oder zu chatten. Wer mehr als sechs
Stunden täglich online ist, stellt die Studie fest, neigt eher zu emotionaler
Unausgeglichenheit und zu Verhaltensauffälligkeiten in der Schule. Die Medien-Diät
zu Hause stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den schulischen Leistungen.
Schulen müssten ihren Beitrag zur Erziehung der Jugendlichen zu kritischen
Konsumenten der digitalen Angebote leisten.
Das Resümee der Forscher ist so nüchtern wie ermutigend: Selbst die
stärkste Technik könne schwachen Unterricht nicht ersetzen, folgern die
Verfasser der Studie in ihrer Zusammenfassung. Aber Technik tauge doch dafür,
guten Unterricht noch zu stärken. Und das ist auch nicht gerade wenig.
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