Spätestens morgen ist
es bei den meisten wieder so weit: Die Ferien sind vorbei, der Schulalltag ist
wieder da und mit ihm auch viel Lust und Frust. Wobei der Frust offensichtlich
bei durchschnittlich zwei bis drei Kindern pro Klasse so weit geht, dass die
Eltern meinen, sie müssten sie zum Schulpsychologen schicken. Früher mussten
die Lehrer ernsthafte Problemfälle gegen den Willen der Eltern, die das für
eine Schande hielten, zum Psychologen schicken. Heute ist es fast schon chic
geworden, wenn ein psychologisches Problem diagnostiziert wird – statt dass die
Eltern akzeptierten, dass der Sprössling manchmal einfach nicht will.
An der Schule muss es wieder mehr Lust als Frust geben, Sonntagszeitung, 16.8. Kommentar von Arthur Rutishauser
Folgerichtig
diagnostiziert die grosse Mehrheit der von uns befragten Schulpsychologen eine
Überforderung der Eltern und nicht der Kinder. Nun ist das Umfeld für die
Mütter und Väter nicht gerade einfacher geworden. Eine Schulreform jagt die andere,
je nach Kanton sind die Systeme auch heute noch völlig unterschiedlich, obwohl
es bald zehn Jahre her ist, seit das Stimmvolk Ja gesagt hat zur
Schulharmonisierung. Bis heute sind aber die Noten und der Lernerfolg je nach
Kanton und Gemeinde ganz anders zu werten. Und auch die Kinder sind entweder
schulisch stark gefordert, oder sie können sich bis zum Abschluss eher
durchmogeln. Und was machen die Eltern? Sie versuchen in jedem Fall und mit
aller Kraft, ihre Kinder ins Gymnasium zu bringen, selbst wenn es dazu den
Psychologen braucht, denn da weiss man wenigstens, was man hat. Ebenfalls geht
aus unserer Umfrage hervor, dass laut den Schulpsychologen drei Viertel der
Lehrer überfordert sind. Ursache dafür sind oft die ständigen Schulreformen,
und es erklärt den immer breiter werdenden Widerstand gegen den neuen Lehrplan
21. Ob das Riesenwerk mit seinen Tausenden von Kompetenzen wirklich so schlimm
ist, bleibt Ansichtssache. Aber es wird zum Kulminationspunkt für den
Widerstand der Lehrer nach zwanzig Jahren Dauerreform im Bildungswesen. Der Ruf
nach einem Reformstopp, der mit dem Protest einhergeht, ist sicher nicht
falsch. Bevor jemand weiter am System herumschraubt, sollen die Politiker
besser das Chaos ordnen, das in den letzten Jahren angerichtet worden ist. Wenn
dies gelingt, gibt es an den Schulen wieder mehr Lust als Frust. Und nicht
zuletzt braucht es dann auch wieder weniger Schulpsychologen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen