16. August 2015

"Drei Viertel der Lehrer sind überfordert"

Spätestens morgen ist es bei den meisten wieder so weit: Die Ferien sind vorbei, der Schulalltag ist wieder da und mit ihm auch viel Lust und Frust. Wobei der Frust offensichtlich bei durchschnittlich zwei bis drei Kindern pro Klasse so weit geht, dass die Eltern meinen, sie müssten sie zum Schulpsychologen schicken. Früher mussten die Lehrer ernsthafte Problemfälle gegen den Willen der Eltern, die das für eine Schande hielten, zum Psychologen schicken. Heute ist es fast schon chic geworden, wenn ein psychologisches Problem diagnostiziert wird – statt dass die Eltern akzeptierten, dass der Sprössling manchmal einfach nicht will.
An der Schule muss es wieder mehr Lust als Frust geben, Sonntagszeitung, 16.8. Kommentar von Arthur Rutishauser


Folgerichtig diagnostiziert die grosse Mehrheit der von uns befragten Schulpsychologen eine Überforderung der Eltern und nicht der Kinder. Nun ist das Umfeld für die Mütter und Väter nicht gerade einfacher geworden. Eine Schulreform jagt die andere, je nach Kanton sind die Systeme auch heute noch völlig unterschiedlich, obwohl es bald zehn Jahre her ist, seit das Stimmvolk Ja gesagt hat zur Schulharmonisierung. Bis heute sind aber die Noten und der Lernerfolg je nach Kanton und Gemeinde ganz anders zu werten. Und auch die Kinder sind entweder schulisch stark gefordert, oder sie können sich bis zum Abschluss eher durchmogeln. Und was machen die Eltern? Sie versuchen in jedem Fall und mit aller Kraft, ihre Kinder ins Gymnasium zu bringen, selbst wenn es dazu den Psychologen braucht, denn da weiss man wenigstens, was man hat. Ebenfalls geht aus unserer Umfrage hervor, dass laut den Schulpsychologen drei Viertel der Lehrer überfordert sind. Ursache dafür sind oft die ständigen Schulreformen, und es erklärt den immer breiter werdenden Widerstand gegen den neuen Lehrplan 21. Ob das Riesenwerk mit seinen Tausenden von Kompetenzen wirklich so schlimm ist, bleibt Ansichtssache. Aber es wird zum Kulminationspunkt für den Widerstand der Lehrer nach zwanzig Jahren Dauerreform im Bildungswesen. Der Ruf nach einem Reformstopp, der mit dem Protest einhergeht, ist sicher nicht falsch. Bevor jemand weiter am System herumschraubt, sollen die Politiker besser das Chaos ordnen, das in den letzten Jahren angerichtet worden ist. Wenn dies gelingt, gibt es an den Schulen wieder mehr Lust als Frust. Und nicht zuletzt braucht es dann auch wieder weniger Schulpsychologen.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen