9. Juli 2015

Pensionierungswelle rollt an

Die gute Nachricht zuerst: Nach den Sommerferien werden die allermeisten Schüler einen Klassenlehrer haben. Der Verband der Schulleiter beruhigte jüngst mit den Ergebnissen einer Umfrage. Es mangelt zwar in vielen Kantonen an Werk- und Französischlehrern und an schulischen Heilpädagogen, aber Klassenlehrer konnten für die allermeisten Schulen gefunden werden. Neue Zahlen des Bundes zeigen aber, dass langfristig ein Lehrermangel droht. 
Wegen Pensionierungswelle droht Lehrermangel, Schweiz am Sonntag, 5.7. von Pascal Ritter


In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden Zehntausende Lehrer pensioniert. Heute sind mehr als 30 000 Volksschullehrer über 50 Jahre alt. Viele von ihnen werden in den nächsten Jahren in den Schulen fehlen. Denn längst nicht alle arbeiten bis 65. Im Kanton Zürich gingen im letzten Jahr mehr als die Hälfte der pensionierten Lehrer vorzeitig in den Ruhestand. «In den kommenden Jahren wird sich die Situation verschärfen», sagt Schulleiterpräsident Bernard Gertsch. Die Lage sei zudem dramatischer, als die Zahlen des BFS nahelegen. Denn: die Lehrpersonen, die in den nächsten Jahren ersetzt werden müssen, sind Lehrer alter Schule: überwiegend männlich und mit einem 100-Prozent-Pensum. Sie zu ersetzen ist darum schwieriger, denn in den pädagogischen Hochschulen (PH) werden zurzeit viele Frauen für den Lehrberuf ausgebildet. Sie entscheiden sich öfter für Teilzeitstellen als ihre männlichen Kollegen. Auch unter den Männern findet ein Kulturwandel statt: «Die Männer, welche sich nun für den Lehrberuf entscheiden, ziehen ein 80-Prozent-Pensum einer Vollzeitstelle oftmals vor», sagt Gertsch. Dennoch sind die Pensen der Männer tendenziell immer noch höher. DARUM HOFFT Gertsch auch auf sie, um den Lehrermangel zu beheben. Schützenhilfe bekommt er etwa vom Verein «Männer an die Primarschule», welcher Männer für den Unterricht mit den Kleinsten begeistern will. Mehr noch als die bevorstehenden Pensionierungen wird die steigende Zahl der Kindergärtler und Erstklässler den Schulen zu schaffen machen. Dieser Meinung ist Martin Wendelspiess, Amtschef des Volksschulamtes des Kantons Zürich, dem rund 16000 Lehrer angehö- ren. Weil geburtenstarke Jahrgänge vor der Einschulung stehen, rechnet der Bund mit einer Zunahme der Primarschüler um 11 Prozent bis ins Jahr 2023. Auch die Masseneinwanderungsinitiative stellt die Schulen vor Probleme. «In den Grenzkantonen machen die Lehrerinnen aus dem nahen Ausland einen erheblichen Teil der Lehrkräfte aus», sagt Lehrerverbandspräsident Beat Zemp. «Um die nächsten Pensionierten zu ersetzen, müssen wir inländische Arbeitskräfte darum mehr fördern.» Eine Tendenz läuft dem drohenden Lehrermangel entgegen. Die pädagogischen Hochschulen verzeichnen mehr Studierende. An der Zürcher PH stieg die Zahl von 1240 angehenden Primarund Sekundarlehrern im Jahr 2010 auf knapp 2000 Studierende im letzten Jahr. Zudem gibt es immer mehr Quereinsteiger, also Angehörige anderer Berufsgruppen, welche sich zum Lehrer umschulen lassen. Im Jahr 2014 absolvierten über 650 Personen diesen Lehrgang. Mehr als abschwächen werden sie den drohenden Lehrermangel aber nicht.

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